Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.vermißte der Prinz den Schlüssel zu einer Die Fahrt war die angenehmste. Eine mah¬ Mäd¬
vermißte der Prinz den Schlüſſel zu einer Die Fahrt war die angenehmſte. Eine mah¬ Mäd¬
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0023" n="15"/> vermißte der Prinz den Schlüſſel zu einer<lb/> kleinen Schatulle, die ſehr wichtige Papiere enthielt.<lb/> Sogleich kehrten wir um, ihn zu ſuchen. Er be¬<lb/> ſann ſich auf das genaueſte, die Schatulle noch den<lb/> vorigen Tag verſchloſſen zu haben, und ſeit dieſer<lb/> Zeit war er nicht aus dem Zimmer gekommen.<lb/> Aber alles Suchen war umſonſt, wir mußten da¬<lb/> von abſtehen, um die Zeit nicht zu verlieren. Der<lb/> Prinz, deſſen Seele über jeden Argwohn erhaben<lb/> war, erklärte ihn für verloren, und bat uns, nicht<lb/> weiter davon zu ſprechen.</p><lb/> <p>Die Fahrt war die angenehmſte. Eine mah¬<lb/> leriſche Landſchaft, die mit jeder Krümmung des<lb/> Fluſſes ſich an Reichthum und Schönheit zu über¬<lb/> treffen ſchien — der heiterſte Himmel, der mitten<lb/> im Hornung einen Maientag bildete — reizende<lb/> Gärten und geſchmackvolle Landhäuſer ohne Zahl,<lb/> welche beyde Ufer der Brenta ſchmücken — hin¬<lb/> ter uns das majeſtätiſche Venedig, mit hundert aus<lb/> dem Waſſer ſpringenden Thürmen und Maſten,<lb/> alles dieß gab uns das herrlichſte Schauſpiel von<lb/> der Welt. Wir überließen uns ganz dem wohlthä¬<lb/> tigen Zauber dieſer ſchönen Natur, unſere Laune<lb/> war die heiterſte, der Prinz ſelbſt verlor ſeinen<lb/> Ernſt, und wetteiferte mit uns in fröhlichen Scher¬<lb/> zen. Eine luſtige Muſik ſchallte uns entgegen, als<lb/> wir zwey italieniſche Meilen von der Stadt ans Land<lb/> ſtiegen. Sie kam aus einem kleinen Dorfe, wo<lb/> eben Jahrmarkt gehalten wurde; hier wimmelte<lb/> es von Geſellſchaft aller Art. Ein Trupp junger<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Mäd¬<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0023]
vermißte der Prinz den Schlüſſel zu einer
kleinen Schatulle, die ſehr wichtige Papiere enthielt.
Sogleich kehrten wir um, ihn zu ſuchen. Er be¬
ſann ſich auf das genaueſte, die Schatulle noch den
vorigen Tag verſchloſſen zu haben, und ſeit dieſer
Zeit war er nicht aus dem Zimmer gekommen.
Aber alles Suchen war umſonſt, wir mußten da¬
von abſtehen, um die Zeit nicht zu verlieren. Der
Prinz, deſſen Seele über jeden Argwohn erhaben
war, erklärte ihn für verloren, und bat uns, nicht
weiter davon zu ſprechen.
Die Fahrt war die angenehmſte. Eine mah¬
leriſche Landſchaft, die mit jeder Krümmung des
Fluſſes ſich an Reichthum und Schönheit zu über¬
treffen ſchien — der heiterſte Himmel, der mitten
im Hornung einen Maientag bildete — reizende
Gärten und geſchmackvolle Landhäuſer ohne Zahl,
welche beyde Ufer der Brenta ſchmücken — hin¬
ter uns das majeſtätiſche Venedig, mit hundert aus
dem Waſſer ſpringenden Thürmen und Maſten,
alles dieß gab uns das herrlichſte Schauſpiel von
der Welt. Wir überließen uns ganz dem wohlthä¬
tigen Zauber dieſer ſchönen Natur, unſere Laune
war die heiterſte, der Prinz ſelbſt verlor ſeinen
Ernſt, und wetteiferte mit uns in fröhlichen Scher¬
zen. Eine luſtige Muſik ſchallte uns entgegen, als
wir zwey italieniſche Meilen von der Stadt ans Land
ſtiegen. Sie kam aus einem kleinen Dorfe, wo
eben Jahrmarkt gehalten wurde; hier wimmelte
es von Geſellſchaft aller Art. Ein Trupp junger
Mäd¬
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