tig. Das wäre für's erste genug, gnädigster Herr -- genug und fast zu viel! Aber eine Griechin und in einer katholischen Kirche!
"Warum nicht? Sie kann ihren Glauben ver¬ lassen haben. Ueberdieß -- etwas geheimnißvol¬ les ist hier immer -- Warum die Woche nur Ein¬ mal? Warum nur Sonnabends in diese Kirche, wo diese gewöhnlich verlassen seyn soll, wie mir Biondello sagt? -- Spätestens der kommende Sonnabend muß dieß entscheiden. Aber bis dahin, lieber Freund, helfen Sie mir diese Kluft von Zeit überspringen! Aber umsonst! Stunden gehen ihren gelassenen Schritt, und meine Seele glühet."
Und wenn dieser Tag nun erscheint -- was dann, gnädigster Herr? Was soll dann geschehen?
"Was geschehen soll? -- Ich werde sie sehen. Ich werde ihren Aufenthalt erforschen. Ich werde erfahren, wer sie ist? -- Was kann mich dieses bekümmern? Was ich sah, machte mich glücklich, also weiß ich ja schon alles, was mich glücklich machen kann!"
Und unsere Abreise aus Venedig, die auf den Anfang kommenden Monats festgesetzt ist?
"Konnte ich im voraus wissen, daß Venedig noch einen solchen Schatz für mich einschließe? -- Sie fragen mich aus meinem gestrigen Leben. Ich sage Ihnen, daß ich nur von heute an bin und seyn will."
Jetzt
tig. Das wäre für's erſte genug, gnädigſter Herr — genug und faſt zu viel! Aber eine Griechin und in einer katholiſchen Kirche!
„Warum nicht? Sie kann ihren Glauben ver¬ laſſen haben. Ueberdieß — etwas geheimnißvol¬ les iſt hier immer — Warum die Woche nur Ein¬ mal? Warum nur Sonnabends in dieſe Kirche, wo dieſe gewöhnlich verlaſſen ſeyn ſoll, wie mir Biondello ſagt? — Späteſtens der kommende Sonnabend muß dieß entſcheiden. Aber bis dahin, lieber Freund, helfen Sie mir dieſe Kluft von Zeit überſpringen! Aber umſonſt! Stunden gehen ihren gelaſſenen Schritt, und meine Seele glühet.“
Und wenn dieſer Tag nun erſcheint — was dann, gnädigſter Herr? Was ſoll dann geſchehen?
„Was geſchehen ſoll? — Ich werde ſie ſehen. Ich werde ihren Aufenthalt erforſchen. Ich werde erfahren, wer ſie iſt? — Was kann mich dieſes bekümmern? Was ich ſah, machte mich glücklich, alſo weiß ich ja ſchon alles, was mich glücklich machen kann!“
Und unſere Abreiſe aus Venedig, die auf den Anfang kommenden Monats feſtgeſetzt iſt?
„Konnte ich im voraus wiſſen, daß Venedig noch einen ſolchen Schatz für mich einſchließe? — Sie fragen mich aus meinem geſtrigen Leben. Ich ſage Ihnen, daß ich nur von heute an bin und ſeyn will.“
Jetzt
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tig. Das wäre für's erſte genug, gnädigſter Herr
— genug und faſt zu viel! Aber eine Griechin und
in einer katholiſchen Kirche!
„Warum nicht? Sie kann ihren Glauben ver¬
laſſen haben. Ueberdieß — etwas geheimnißvol¬
les iſt hier immer — Warum die Woche nur Ein¬
mal? Warum nur Sonnabends in dieſe Kirche,
wo dieſe gewöhnlich verlaſſen ſeyn ſoll, wie mir
Biondello ſagt? — Späteſtens der kommende
Sonnabend muß dieß entſcheiden. Aber bis dahin,
lieber Freund, helfen Sie mir dieſe Kluft von Zeit
überſpringen! Aber umſonſt! Stunden gehen ihren
gelaſſenen Schritt, und meine Seele glühet.“
Und wenn dieſer Tag nun erſcheint — was
dann, gnädigſter Herr? Was ſoll dann geſchehen?
„Was geſchehen ſoll? — Ich werde ſie ſehen.
Ich werde ihren Aufenthalt erforſchen. Ich werde
erfahren, wer ſie iſt? — Was kann mich dieſes
bekümmern? Was ich ſah, machte mich glücklich,
alſo weiß ich ja ſchon alles, was mich glücklich
machen kann!“
Und unſere Abreiſe aus Venedig, die auf den
Anfang kommenden Monats feſtgeſetzt iſt?
„Konnte ich im voraus wiſſen, daß Venedig
noch einen ſolchen Schatz für mich einſchließe? —
Sie fragen mich aus meinem geſtrigen Leben. Ich
ſage Ihnen, daß ich nur von heute an bin und
ſeyn will.“
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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/186>, abgerufen am 17.02.2025.
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