gnügter Miene. Bey dieser Gelegenheit, sagt Biondello, wurde eine Hand sichtbar, woran eini¬ ge kostbare Steine blitzten. Mit ihrer Begleiterin sprach sie einiges, das Biondello nicht verstand; er behauptet, es sey griechisch gewesen. Da sie eine ziemliche Strecke nach dem Kanal zu gehen hatten, so fing schon etwas Volk an, sich zu sam¬ meln, das Außerordentliche des Anblicks brachte alle Vorübergehende zum Stehen. Niemand kannte sie -- aber die Schönheit ist eine geborne Königin. Alles machte ihr ehrerbietig Platz. Sie ließ einen schwarzen Schleier über das Gesicht fallen, der das halbe Gewand bedeckte, und eilte in die Gon¬ del. Längs dem ganzen Kanal der Giodecca behielt Biondello das Fahrzeug im Gesicht, aber es weiter zu verfolgen, untersagte ihm das Gedränge."
Aber den Gondolier hat er sich doch gemerkt, um diesen wenigstens wieder zu erkennen?
"Den Gondolier getraut er sich ausfindig zu machen; doch es ist keiner von denen, mit denen er Verkehr hat. Die Armen die er ausfragte, konnten ihm weiter keinen Bescheid geben, als daß Signora sich schon seit einigen Wochen und immer Sonnabends hier zeige, und noch allemal ein Gold¬ stück unter sie vertheilt habe. Es war ein hollän¬ discher Ducaten, den er eingewechselt, und mir überbracht hat."
Eine Griechin also, und von Stande, wie es scheint, von Vermögen wenigstens, und wohlthä¬
tig.
d. Geisterseher. M
gnügter Miene. Bey dieſer Gelegenheit, ſagt Biondello, wurde eine Hand ſichtbar, woran eini¬ ge koſtbare Steine blitzten. Mit ihrer Begleiterin ſprach ſie einiges, das Biondello nicht verſtand; er behauptet, es ſey griechiſch geweſen. Da ſie eine ziemliche Strecke nach dem Kanal zu gehen hatten, ſo fing ſchon etwas Volk an, ſich zu ſam¬ meln, das Außerordentliche des Anblicks brachte alle Vorübergehende zum Stehen. Niemand kannte ſie — aber die Schönheit iſt eine geborne Königin. Alles machte ihr ehrerbietig Platz. Sie ließ einen ſchwarzen Schleier über das Geſicht fallen, der das halbe Gewand bedeckte, und eilte in die Gon¬ del. Längs dem ganzen Kanal der Giodecca behielt Biondello das Fahrzeug im Geſicht, aber es weiter zu verfolgen, unterſagte ihm das Gedränge.“
Aber den Gondolier hat er ſich doch gemerkt, um dieſen wenigſtens wieder zu erkennen?
„Den Gondolier getraut er ſich ausfindig zu machen; doch es iſt keiner von denen, mit denen er Verkehr hat. Die Armen die er ausfragte, konnten ihm weiter keinen Beſcheid geben, als daß Signora ſich ſchon ſeit einigen Wochen und immer Sonnabends hier zeige, und noch allemal ein Gold¬ ſtück unter ſie vertheilt habe. Es war ein hollän¬ diſcher Ducaten, den er eingewechſelt, und mir überbracht hat.“
Eine Griechin alſo, und von Stande, wie es ſcheint, von Vermögen wenigſtens, und wohlthä¬
tig.
d. Geiſterſeher. M
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gnügter Miene. Bey dieſer Gelegenheit, ſagt
Biondello, wurde eine Hand ſichtbar, woran eini¬
ge koſtbare Steine blitzten. Mit ihrer Begleiterin
ſprach ſie einiges, das Biondello nicht verſtand;
er behauptet, es ſey griechiſch geweſen. Da ſie
eine ziemliche Strecke nach dem Kanal zu gehen
hatten, ſo fing ſchon etwas Volk an, ſich zu ſam¬
meln, das Außerordentliche des Anblicks brachte
alle Vorübergehende zum Stehen. Niemand kannte
ſie — aber die Schönheit iſt eine geborne Königin.
Alles machte ihr ehrerbietig Platz. Sie ließ einen
ſchwarzen Schleier über das Geſicht fallen, der
das halbe Gewand bedeckte, und eilte in die Gon¬
del. Längs dem ganzen Kanal der Giodecca behielt
Biondello das Fahrzeug im Geſicht, aber es weiter
zu verfolgen, unterſagte ihm das Gedränge.“
Aber den Gondolier hat er ſich doch gemerkt,
um dieſen wenigſtens wieder zu erkennen?
„Den Gondolier getraut er ſich ausfindig zu
machen; doch es iſt keiner von denen, mit denen
er Verkehr hat. Die Armen die er ausfragte,
konnten ihm weiter keinen Beſcheid geben, als daß
Signora ſich ſchon ſeit einigen Wochen und immer
Sonnabends hier zeige, und noch allemal ein Gold¬
ſtück unter ſie vertheilt habe. Es war ein hollän¬
diſcher Ducaten, den er eingewechſelt, und mir
überbracht hat.“
Eine Griechin alſo, und von Stande, wie es
ſcheint, von Vermögen wenigſtens, und wohlthä¬
tig.
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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/185>, abgerufen am 17.02.2025.
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