Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789."Sie stand auf, und jetzt erst kam ich wieder "In einer andern Ecke der Kapelle regte es sich Ueber das letzte glaubte ich den Prinzen be¬ "Sonderbar, fuhr der Prinz nach einem tiefen lich,
„Sie ſtand auf, und jetzt erſt kam ich wieder „In einer andern Ecke der Kapelle regte es ſich Ueber das letzte glaubte ich den Prinzen be¬ „Sonderbar, fuhr der Prinz nach einem tiefen lich,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0182" n="174"/> <p>„Sie ſtand auf, und jetzt erſt kam ich wieder<lb/> zu mir ſelbſt. Mit ſchüchterner Verwirrung wich<lb/> ich auf die Seite, das Geräuſch, das ich machte,<lb/> entdeckte mich ihr. Die unvermuthete Nähe eines<lb/> Mannes mußte ſie überraſchen, meine Dreiſtigkeit<lb/> konnte ſie beleidigen; keines von beyden war in<lb/> dem Blicke, womit ſie mich anſah. Ruhe, un¬<lb/> ausſprechliche Ruhe war darin, und ein gütiges<lb/> Lächeln ſpielte um ihre Wangen. Sie kam aus<lb/> ihrem Himmel — und ich war das erſte glückliche<lb/> Geſchöpf, das ſich ihrem Wohlwollen anboth.<lb/> Sie ſchwebte noch auf der letzten Sproſſe des Ge¬<lb/> beths — ſie hatte die Erde noch nicht berührt.“</p><lb/> <p>„In einer andern Ecke der Kapelle regte es ſich<lb/> nun auch. Eine ältliche Dame war es, die dicht<lb/> hinter mir von einem Kirchſtuhle aufſtand. Ich<lb/> hatte ſie bis jetzt nicht wahrgenommen. Sie war<lb/> nur wenige Schritte von mir, ſie hatte alle meine<lb/> Bewegungen geſehen. Dieß beſtürzte mich — ich<lb/> ſchlug die Augen zu Boden, und man rauſchte an<lb/> mir vorüber.“</p><lb/> <p>Ueber das letzte glaubte ich den Prinzen be¬<lb/> ruhigen zu können.</p><lb/> <p>„Sonderbar, fuhr der Prinz nach einem tiefen<lb/> Stillſchweigen fort, kann man etwas nie gekannt,<lb/> nie gemißt haben, und einige Augenblicke ſpäter<lb/> nur in dieſem Einzigen leben? Kann ein einziger<lb/> Moment den Menſchen in zwey ſo ungleichartige<lb/> Weſen zertrennen? Es wäre mir eben ſo unmög¬<lb/> <fw place="bottom" type="catch">lich,<lb/></fw> </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0182]
„Sie ſtand auf, und jetzt erſt kam ich wieder
zu mir ſelbſt. Mit ſchüchterner Verwirrung wich
ich auf die Seite, das Geräuſch, das ich machte,
entdeckte mich ihr. Die unvermuthete Nähe eines
Mannes mußte ſie überraſchen, meine Dreiſtigkeit
konnte ſie beleidigen; keines von beyden war in
dem Blicke, womit ſie mich anſah. Ruhe, un¬
ausſprechliche Ruhe war darin, und ein gütiges
Lächeln ſpielte um ihre Wangen. Sie kam aus
ihrem Himmel — und ich war das erſte glückliche
Geſchöpf, das ſich ihrem Wohlwollen anboth.
Sie ſchwebte noch auf der letzten Sproſſe des Ge¬
beths — ſie hatte die Erde noch nicht berührt.“
„In einer andern Ecke der Kapelle regte es ſich
nun auch. Eine ältliche Dame war es, die dicht
hinter mir von einem Kirchſtuhle aufſtand. Ich
hatte ſie bis jetzt nicht wahrgenommen. Sie war
nur wenige Schritte von mir, ſie hatte alle meine
Bewegungen geſehen. Dieß beſtürzte mich — ich
ſchlug die Augen zu Boden, und man rauſchte an
mir vorüber.“
Ueber das letzte glaubte ich den Prinzen be¬
ruhigen zu können.
„Sonderbar, fuhr der Prinz nach einem tiefen
Stillſchweigen fort, kann man etwas nie gekannt,
nie gemißt haben, und einige Augenblicke ſpäter
nur in dieſem Einzigen leben? Kann ein einziger
Moment den Menſchen in zwey ſo ungleichartige
Weſen zertrennen? Es wäre mir eben ſo unmög¬
lich,
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