tung seine Wirkung erfüllt habe, dürfen Sie mir nicht antworten. Wenn der Einfluß in diese Welt die ganze Bestimmung des Menschen erschöpft, so muß sein Daseyn zugleich mit seiner Wirkung auf¬ hören.
Ich verweise Sie an das sprechende Beispiel der physischen Natur, von der Sie mir doch ein¬ räumen müssen, daß sie nur für die Zeitlichkeit arbeite. Wie viele Keime und Embryonen, die sie mit so viel Kunst und Sorgfalt zum künftigen Leben zusammensezte, werden wieder in das Ele¬ mentenreich aufgelös't, ohne je zur Entwicklung zu gedeihen. -- Warum sezte sie sie zusammen? In jedem Menschenpaare schläft, wie in dem ersten, ein ganzes Menschengeschlecht, warum ließ sie aus so viel Millionen nur ein einziges werden? So ge¬ wiß sie auch diese verderbenden Keime verarbeitet, so gewiß werden auch moralische Wesen, bei de¬ nen sie einen höhern Zweck zu verlassen schien, frü¬ her oder später in denselbigen eintreten. Ergrün¬ den zu wollen, wie sie eine einzelne Wirkung durch die ganze Kette fortpflanzt, würde eine kindische Anmaßung verrathen. Oft, sehen wir, läßt sie den Faden einer That, einer Begebenheit plötzlich fallen, den sie drei Jahrtausende nachher eben so plötzlich wieder aufnimmt, versenkt in Kalabrien die Künste und Sitten des achtzehnten Jahr¬ hunderts, um sie vielleicht im dreissigsten dem verwandelten Europa wieder zu zeigen, ernährt viele Menschenalter lang gesund Nomadenhorden auf den tarlarischen Steppen, um sie einst dem
ermat¬
tung ſeine Wirkung erfüllt habe, dürfen Sie mir nicht antworten. Wenn der Einfluß in dieſe Welt die ganze Beſtimmung des Menſchen erſchöpft, ſo muß ſein Daſeyn zugleich mit ſeiner Wirkung auf¬ hören.
Ich verweiſe Sie an das ſprechende Beiſpiel der phyſiſchen Natur, von der Sie mir doch ein¬ räumen müſſen, daß ſie nur für die Zeitlichkeit arbeite. Wie viele Keime und Embryonen, die ſie mit ſo viel Kunſt und Sorgfalt zum künftigen Leben zuſammenſezte, werden wieder in das Ele¬ mentenreich aufgelöſ't, ohne je zur Entwicklung zu gedeihen. — Warum ſezte ſie ſie zuſammen? In jedem Menſchenpaare ſchläft, wie in dem erſten, ein ganzes Menſchengeſchlecht, warum ließ ſie aus ſo viel Millionen nur ein einziges werden? So ge¬ wiß ſie auch dieſe verderbenden Keime verarbeitet, ſo gewiß werden auch moraliſche Weſen, bei de¬ nen ſie einen höhern Zweck zu verlaſſen ſchien, frü¬ her oder ſpäter in denſelbigen eintreten. Ergrün¬ den zu wollen, wie ſie eine einzelne Wirkung durch die ganze Kette fortpflanzt, würde eine kindiſche Anmaßung verrathen. Oft, ſehen wir, läßt ſie den Faden einer That, einer Begebenheit plötzlich fallen, den ſie drei Jahrtauſende nachher eben ſo plötzlich wieder aufnimmt, verſenkt in Kalabrien die Künſte und Sitten des achtzehnten Jahr¬ hunderts, um ſie vielleicht im dreiſſigſten dem verwandelten Europa wieder zu zeigen, ernährt viele Menſchenalter lang geſund Nomadenhorden auf den tarlariſchen Steppen, um ſie einſt dem
ermat¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0168"n="160"/>
tung ſeine Wirkung erfüllt habe, dürfen <hirendition="#g">Sie</hi> mir<lb/>
nicht antworten. Wenn der Einfluß in dieſe Welt<lb/>
die ganze Beſtimmung des Menſchen erſchöpft, ſo<lb/>
muß ſein Daſeyn zugleich mit ſeiner Wirkung auf¬<lb/>
hören.</p><lb/><p>Ich verweiſe Sie an das ſprechende Beiſpiel<lb/>
der phyſiſchen Natur, von der Sie mir doch ein¬<lb/>
räumen müſſen, daß <hirendition="#g">ſie</hi> nur für die Zeitlichkeit<lb/>
arbeite. Wie viele Keime und Embryonen, die<lb/>ſie mit ſo viel Kunſt und Sorgfalt zum künftigen<lb/>
Leben zuſammenſezte, werden wieder in das Ele¬<lb/>
mentenreich aufgelöſ't, ohne je zur Entwicklung zu<lb/>
gedeihen. — Warum ſezte ſie ſie zuſammen? In<lb/>
jedem Menſchenpaare ſchläft, wie in dem erſten, ein<lb/>
ganzes Menſchengeſchlecht, warum ließ ſie aus ſo<lb/>
viel Millionen nur ein einziges <hirendition="#g">werden</hi>? So ge¬<lb/>
wiß ſie auch dieſe verderbenden Keime verarbeitet,<lb/>ſo gewiß werden auch moraliſche Weſen, bei de¬<lb/>
nen ſie einen höhern Zweck zu verlaſſen ſchien, frü¬<lb/>
her oder ſpäter in denſelbigen eintreten. Ergrün¬<lb/>
den zu wollen, wie ſie eine einzelne Wirkung durch<lb/>
die ganze Kette fortpflanzt, würde eine kindiſche<lb/>
Anmaßung verrathen. Oft, ſehen wir, läßt ſie<lb/>
den Faden einer That, einer Begebenheit plötzlich<lb/>
fallen, den ſie drei Jahrtauſende nachher eben<lb/>ſo plötzlich wieder aufnimmt, verſenkt in Kalabrien<lb/>
die Künſte und Sitten des <hirendition="#g">achtzehnten</hi> Jahr¬<lb/>
hunderts, um ſie vielleicht im <hirendition="#g">dreiſſigſten</hi> dem<lb/>
verwandelten Europa wieder zu zeigen, ernährt<lb/>
viele Menſchenalter lang geſund Nomadenhorden<lb/>
auf den tarlariſchen Steppen, um ſie einſt dem<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ermat¬<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[160/0168]
tung ſeine Wirkung erfüllt habe, dürfen Sie mir
nicht antworten. Wenn der Einfluß in dieſe Welt
die ganze Beſtimmung des Menſchen erſchöpft, ſo
muß ſein Daſeyn zugleich mit ſeiner Wirkung auf¬
hören.
Ich verweiſe Sie an das ſprechende Beiſpiel
der phyſiſchen Natur, von der Sie mir doch ein¬
räumen müſſen, daß ſie nur für die Zeitlichkeit
arbeite. Wie viele Keime und Embryonen, die
ſie mit ſo viel Kunſt und Sorgfalt zum künftigen
Leben zuſammenſezte, werden wieder in das Ele¬
mentenreich aufgelöſ't, ohne je zur Entwicklung zu
gedeihen. — Warum ſezte ſie ſie zuſammen? In
jedem Menſchenpaare ſchläft, wie in dem erſten, ein
ganzes Menſchengeſchlecht, warum ließ ſie aus ſo
viel Millionen nur ein einziges werden? So ge¬
wiß ſie auch dieſe verderbenden Keime verarbeitet,
ſo gewiß werden auch moraliſche Weſen, bei de¬
nen ſie einen höhern Zweck zu verlaſſen ſchien, frü¬
her oder ſpäter in denſelbigen eintreten. Ergrün¬
den zu wollen, wie ſie eine einzelne Wirkung durch
die ganze Kette fortpflanzt, würde eine kindiſche
Anmaßung verrathen. Oft, ſehen wir, läßt ſie
den Faden einer That, einer Begebenheit plötzlich
fallen, den ſie drei Jahrtauſende nachher eben
ſo plötzlich wieder aufnimmt, verſenkt in Kalabrien
die Künſte und Sitten des achtzehnten Jahr¬
hunderts, um ſie vielleicht im dreiſſigſten dem
verwandelten Europa wieder zu zeigen, ernährt
viele Menſchenalter lang geſund Nomadenhorden
auf den tarlariſchen Steppen, um ſie einſt dem
ermat¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/168>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.