Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.Theile der Lichtmaterie, als sie unmittelbar berühr¬ Sehr gut, aber -- "Wenden wir dieses auf moralische Handlun¬ Wenn aber mein Verstand diese Folgenreihe mein
Theile der Lichtmaterie, als ſie unmittelbar berühr¬ Sehr gut, aber — „Wenden wir dieſes auf moraliſche Handlun¬ Wenn aber mein Verſtand dieſe Folgenreihe mein
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0151" n="143"/> Theile der Lichtmaterie, als ſie unmittelbar berühr¬<lb/> te, ſezte die brennende Kerze in Schwung. Und<lb/> was ſollte nun die eine vor der andern voraus ha¬<lb/> ben? Können ſie aus einem jeden Centralpunkt nicht<lb/> gleich viel Strahlen ziehen? Eben ſo viel aus Ih¬<lb/> rem Augenſterne, als aus dem Mittelpunkte der Er¬<lb/> de? Entwöhnen Sie ſich doch, die großen Maſſen,<lb/> die der Verſtand nur als ſolche Ganze zuſammen¬<lb/> faßt, in der wirklichen Welt auch als ſolche exiſti¬<lb/> rende Ganze vorauszuſetzen. Der Feuerfunke, der<lb/> in ein Pulvermagazin fällt, einen Thurm in die<lb/> Luft ſprengt und hundert Häuſer verſchüttet, hat<lb/> darum doch nur ein einziges Körnchen gezündet.“</p><lb/> <p>Sehr gut, aber —</p><lb/> <p>„Wenden wir dieſes auf moraliſche Handlun¬<lb/> gen an. Wir gehen ſpazieren, und zwey Bettler<lb/> ſollen uns begegnen. Ich gebe dem einen ein Stück<lb/> Geld, Sie dem andern ein gleiches; der meinige<lb/> betrinkt ſich von dem Gelde, und begeht in dieſem<lb/> Zuſtande eine Mordthat, der Ihrige kauft einem<lb/> ſterbenden Vater eine Stärkung, und friſtet ihm<lb/> damit das Leben. Ich hätte alſo durch eben die<lb/> Handlung, wodurch <hi rendition="#g">Sie</hi> Leben gaben, Leben ge¬<lb/> raubet? — Nichts weniger. Die Wirkung mei¬<lb/> ner That hörte mit ihrer Unmittelbarkeit, ſo wie<lb/> die Ihrige, auf, <hi rendition="#g">meine</hi> Wirkung zu ſeyn.“</p><lb/> <p>Wenn aber mein Verſtand dieſe Folgenreihe<lb/> überſiehet, und nur dieſe Ueberſicht mich zu der<lb/> That beſtimmt — wenn ich dem Bettler dieſes<lb/> Geld gab, um einem ſterbenden Vater das Leben<lb/> damit zu friſten, ſo ſind doch alle dieſe Folgen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mein<lb/></fw> </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [143/0151]
Theile der Lichtmaterie, als ſie unmittelbar berühr¬
te, ſezte die brennende Kerze in Schwung. Und
was ſollte nun die eine vor der andern voraus ha¬
ben? Können ſie aus einem jeden Centralpunkt nicht
gleich viel Strahlen ziehen? Eben ſo viel aus Ih¬
rem Augenſterne, als aus dem Mittelpunkte der Er¬
de? Entwöhnen Sie ſich doch, die großen Maſſen,
die der Verſtand nur als ſolche Ganze zuſammen¬
faßt, in der wirklichen Welt auch als ſolche exiſti¬
rende Ganze vorauszuſetzen. Der Feuerfunke, der
in ein Pulvermagazin fällt, einen Thurm in die
Luft ſprengt und hundert Häuſer verſchüttet, hat
darum doch nur ein einziges Körnchen gezündet.“
Sehr gut, aber —
„Wenden wir dieſes auf moraliſche Handlun¬
gen an. Wir gehen ſpazieren, und zwey Bettler
ſollen uns begegnen. Ich gebe dem einen ein Stück
Geld, Sie dem andern ein gleiches; der meinige
betrinkt ſich von dem Gelde, und begeht in dieſem
Zuſtande eine Mordthat, der Ihrige kauft einem
ſterbenden Vater eine Stärkung, und friſtet ihm
damit das Leben. Ich hätte alſo durch eben die
Handlung, wodurch Sie Leben gaben, Leben ge¬
raubet? — Nichts weniger. Die Wirkung mei¬
ner That hörte mit ihrer Unmittelbarkeit, ſo wie
die Ihrige, auf, meine Wirkung zu ſeyn.“
Wenn aber mein Verſtand dieſe Folgenreihe
überſiehet, und nur dieſe Ueberſicht mich zu der
That beſtimmt — wenn ich dem Bettler dieſes
Geld gab, um einem ſterbenden Vater das Leben
damit zu friſten, ſo ſind doch alle dieſe Folgen
mein
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