migkeit meines bisherigen Lebens einmal heraus gehe und herum schaue, ob nicht irgend anderswo eine Quelle des Genusses für mich springt -- weil ich --"
Wenn es ein Versuch war, gnädigster Herr, dann hab' ich nichts mehr zu sagen -- dann sind die Erfahrungen, die er Ihnen verschaft haben wird, noch mit dreymal so viel nicht zu theuer er¬ kauft. Es that mir weh, ich gestehe es, daß die Meynung der Welt über eine Frage, wie Sie glücklich seyn sollen, zu entscheiden haben sollte.
"Wohl Ihnen, daß Sie verachten können die Meynung der Welt! Ich bin ihr Geschöpf, ich muß ihr Sklave seyn. Was sind wir anders als Meynung? Alles an uns Fürsten ist Meynung. Die Meynung ist unsre Amme und Erzieherinn in der Kindheit, unsre Gesetzgeberinn und Geliebte in männlichen Jahren, unsre Krücke im Alter. Neh¬ men Sie uns, was wir von der Meynung haben, und der Schlechteste aus den untersten Klassen ist besser daran als wir, denn sein Schicksal hat ihm doch eine Philosophie seines Schicksals geschaffen. Ein Fürst, der die Meynung verlacht, hebt sich selbst auf, wie der Priester, der das Daseyn eines Gottes läugnet."
Und dennoch, gnädigster Prinz --
"Ich weiß, was Sie sagen wollen. Ich kann den Kreis überschreiten, den meine Geburt um mich gezogen hat -- aber kann ich auch alle Wahnbegriffe aus meinem Gedächtniß herausreis¬ sen, die Erziehung und frühe Gewohnheit darein
gepflanzt,
migkeit meines bisherigen Lebens einmal heraus gehe und herum ſchaue, ob nicht irgend anderswo eine Quelle des Genuſſes für mich ſpringt — weil ich —“
Wenn es ein Verſuch war, gnädigſter Herr, dann hab' ich nichts mehr zu ſagen — dann ſind die Erfahrungen, die er Ihnen verſchaft haben wird, noch mit dreymal ſo viel nicht zu theuer er¬ kauft. Es that mir weh, ich geſtehe es, daß die Meynung der Welt über eine Frage, wie Sie glücklich ſeyn ſollen, zu entſcheiden haben ſollte.
„Wohl Ihnen, daß Sie verachten können die Meynung der Welt! Ich bin ihr Geſchöpf, ich muß ihr Sklave ſeyn. Was ſind wir anders als Meynung? Alles an uns Fürſten iſt Meynung. Die Meynung iſt unſre Amme und Erzieherinn in der Kindheit, unſre Geſetzgeberinn und Geliebte in männlichen Jahren, unſre Krücke im Alter. Neh¬ men Sie uns, was wir von der Meynung haben, und der Schlechteſte aus den unterſten Klaſſen iſt beſſer daran als wir, denn ſein Schickſal hat ihm doch eine Philoſophie ſeines Schickſals geſchaffen. Ein Fürſt, der die Meynung verlacht, hebt ſich ſelbſt auf, wie der Prieſter, der das Daſeyn eines Gottes läugnet.“
Und dennoch, gnädigſter Prinz —
„Ich weiß, was Sie ſagen wollen. Ich kann den Kreis überſchreiten, den meine Geburt um mich gezogen hat — aber kann ich auch alle Wahnbegriffe aus meinem Gedächtniß herausreiſ¬ ſen, die Erziehung und frühe Gewohnheit darein
gepflanzt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0133"n="125"/>
migkeit meines bisherigen Lebens einmal heraus<lb/>
gehe und herum ſchaue, ob nicht irgend anderswo<lb/>
eine Quelle des Genuſſes für mich ſpringt — weil<lb/>
ich —“</p><lb/><p>Wenn es ein Verſuch war, gnädigſter Herr,<lb/>
dann hab' ich nichts mehr zu ſagen — dann ſind<lb/>
die Erfahrungen, die er Ihnen verſchaft haben<lb/>
wird, noch mit dreymal ſo viel nicht zu theuer er¬<lb/>
kauft. Es that mir weh, ich geſtehe es, daß die<lb/>
Meynung der Welt über eine Frage, wie <hirendition="#g">Sie</hi><lb/>
glücklich ſeyn ſollen, zu entſcheiden haben ſollte.</p><lb/><p>„Wohl Ihnen, daß <hirendition="#g">Sie</hi> verachten können<lb/>
die Meynung der Welt! Ich bin ihr Geſchöpf, ich<lb/>
muß ihr Sklave ſeyn. Was ſind wir anders als<lb/>
Meynung? Alles an uns Fürſten iſt Meynung.<lb/>
Die Meynung iſt unſre Amme und Erzieherinn in<lb/>
der Kindheit, unſre Geſetzgeberinn und Geliebte in<lb/>
männlichen Jahren, unſre Krücke im Alter. Neh¬<lb/>
men Sie uns, was wir von der Meynung haben,<lb/>
und der Schlechteſte aus den unterſten Klaſſen iſt<lb/>
beſſer daran als wir, denn ſein Schickſal hat ihm<lb/>
doch eine Philoſophie ſeines Schickſals geſchaffen.<lb/>
Ein Fürſt, der die Meynung verlacht, hebt ſich<lb/>ſelbſt auf, wie der Prieſter, der das Daſeyn eines<lb/>
Gottes läugnet.“</p><lb/><p>Und dennoch, gnädigſter Prinz —</p><lb/><p>„Ich weiß, was Sie ſagen wollen. Ich kann<lb/>
den Kreis überſchreiten, den meine Geburt um<lb/>
mich gezogen hat — aber kann ich auch alle<lb/>
Wahnbegriffe aus meinem Gedächtniß herausreiſ¬<lb/>ſen, die Erziehung und frühe Gewohnheit darein<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gepflanzt,<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[125/0133]
migkeit meines bisherigen Lebens einmal heraus
gehe und herum ſchaue, ob nicht irgend anderswo
eine Quelle des Genuſſes für mich ſpringt — weil
ich —“
Wenn es ein Verſuch war, gnädigſter Herr,
dann hab' ich nichts mehr zu ſagen — dann ſind
die Erfahrungen, die er Ihnen verſchaft haben
wird, noch mit dreymal ſo viel nicht zu theuer er¬
kauft. Es that mir weh, ich geſtehe es, daß die
Meynung der Welt über eine Frage, wie Sie
glücklich ſeyn ſollen, zu entſcheiden haben ſollte.
„Wohl Ihnen, daß Sie verachten können
die Meynung der Welt! Ich bin ihr Geſchöpf, ich
muß ihr Sklave ſeyn. Was ſind wir anders als
Meynung? Alles an uns Fürſten iſt Meynung.
Die Meynung iſt unſre Amme und Erzieherinn in
der Kindheit, unſre Geſetzgeberinn und Geliebte in
männlichen Jahren, unſre Krücke im Alter. Neh¬
men Sie uns, was wir von der Meynung haben,
und der Schlechteſte aus den unterſten Klaſſen iſt
beſſer daran als wir, denn ſein Schickſal hat ihm
doch eine Philoſophie ſeines Schickſals geſchaffen.
Ein Fürſt, der die Meynung verlacht, hebt ſich
ſelbſt auf, wie der Prieſter, der das Daſeyn eines
Gottes läugnet.“
Und dennoch, gnädigſter Prinz —
„Ich weiß, was Sie ſagen wollen. Ich kann
den Kreis überſchreiten, den meine Geburt um
mich gezogen hat — aber kann ich auch alle
Wahnbegriffe aus meinem Gedächtniß herausreiſ¬
ſen, die Erziehung und frühe Gewohnheit darein
gepflanzt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/133>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.