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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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gewesen, mit einem Gegner dieser Art sich in gar
keinen Wettkampf einzulassen, und einige Monate
früher wäre dieß gewiß die Parthie gewesen, wel¬
che der Prinz ergriffen hätte. Jezt aber war er
schon zu weit in den Strom hingerissen, um das
Ufer so schnell wieder erreichen zu können. Diese
Nichtigkeiten hatten, wenn auch nur durch die Um¬
stände, einen gewissen Werth bey ihm erlangt, und
hatte er sie auch wirklich verachtet, so erlaubte ihm
sein Stolz nicht, ihnen in einem Zeitpunkte zu ent¬
sagen, wo sein Nachgeben weniger für einen frey¬
willigen Entschluß, als für ein Geständniß seiner
Niederlage würde gegolten haben. Das unselige
Hin- und Wiederbringen vernachläßigter, schneiden¬
der Reden von beyden Seiten kam dazu, und der
Geist von Rivalität, der seine Anhänger erhiz¬
te, hatte auch ihn ergriffen. Um also seine Er¬
oberungen zu bewahren, und sich auf dem schlüpfri¬
gen Platz zu erhalten, den ihm die Meynung der
Welt einmal angewiesen hatte, glaubte er die Ge¬
legenheiten häufen zu müssen, wo er glänzen und
verbinden konnte, und dieß konnte nur durch einen
fürstlichen Aufwand erreicht werden, daher ewige
Feste und Gelage, kostbare Konzerte, Präsente

und
Briefs über einen geistreichen Prinzen erlaubt, wird
jeder, der das Glück hat, diesen Prinzen näher
zu kennen, mit mir übertrieben finden, und es
dem eingenommenen Kopfe dieses jugendlichen Be¬
urtheilers zu Gute halten.
Anm. des Graf. v. O***.

geweſen, mit einem Gegner dieſer Art ſich in gar
keinen Wettkampf einzulaſſen, und einige Monate
früher wäre dieß gewiß die Parthie geweſen, wel¬
che der Prinz ergriffen hätte. Jezt aber war er
ſchon zu weit in den Strom hingeriſſen, um das
Ufer ſo ſchnell wieder erreichen zu können. Dieſe
Nichtigkeiten hatten, wenn auch nur durch die Um¬
ſtände, einen gewiſſen Werth bey ihm erlangt, und
hatte er ſie auch wirklich verachtet, ſo erlaubte ihm
ſein Stolz nicht, ihnen in einem Zeitpunkte zu ent¬
ſagen, wo ſein Nachgeben weniger für einen frey¬
willigen Entſchluß, als für ein Geſtändniß ſeiner
Niederlage würde gegolten haben. Das unſelige
Hin- und Wiederbringen vernachläßigter, ſchneiden¬
der Reden von beyden Seiten kam dazu, und der
Geiſt von Rivalität, der ſeine Anhänger erhiz¬
te, hatte auch ihn ergriffen. Um alſo ſeine Er¬
oberungen zu bewahren, und ſich auf dem ſchlüpfri¬
gen Platz zu erhalten, den ihm die Meynung der
Welt einmal angewieſen hatte, glaubte er die Ge¬
legenheiten häufen zu müſſen, wo er glänzen und
verbinden konnte, und dieß konnte nur durch einen
fürſtlichen Aufwand erreicht werden, daher ewige
Feſte und Gelage, koſtbare Konzerte, Präſente

und
Briefs über einen geiſtreichen Prinzen erlaubt, wird
jeder, der das Glück hat, dieſen Prinzen näher
zu kennen, mit mir übertrieben finden, und es
dem eingenommenen Kopfe dieſes jugendlichen Be¬
urtheilers zu Gute halten.
Anm. des Graf. v. O***.
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[120/0128] geweſen, mit einem Gegner dieſer Art ſich in gar keinen Wettkampf einzulaſſen, und einige Monate früher wäre dieß gewiß die Parthie geweſen, wel¬ che der Prinz ergriffen hätte. Jezt aber war er ſchon zu weit in den Strom hingeriſſen, um das Ufer ſo ſchnell wieder erreichen zu können. Dieſe Nichtigkeiten hatten, wenn auch nur durch die Um¬ ſtände, einen gewiſſen Werth bey ihm erlangt, und hatte er ſie auch wirklich verachtet, ſo erlaubte ihm ſein Stolz nicht, ihnen in einem Zeitpunkte zu ent¬ ſagen, wo ſein Nachgeben weniger für einen frey¬ willigen Entſchluß, als für ein Geſtändniß ſeiner Niederlage würde gegolten haben. Das unſelige Hin- und Wiederbringen vernachläßigter, ſchneiden¬ der Reden von beyden Seiten kam dazu, und der Geiſt von Rivalität, der ſeine Anhänger erhiz¬ te, hatte auch ihn ergriffen. Um alſo ſeine Er¬ oberungen zu bewahren, und ſich auf dem ſchlüpfri¬ gen Platz zu erhalten, den ihm die Meynung der Welt einmal angewieſen hatte, glaubte er die Ge¬ legenheiten häufen zu müſſen, wo er glänzen und verbinden konnte, und dieß konnte nur durch einen fürſtlichen Aufwand erreicht werden, daher ewige Feſte und Gelage, koſtbare Konzerte, Präſente und *) *) Briefs über einen geiſtreichen Prinzen erlaubt, wird jeder, der das Glück hat, dieſen Prinzen näher zu kennen, mit mir übertrieben finden, und es dem eingenommenen Kopfe dieſes jugendlichen Be¬ urtheilers zu Gute halten. Anm. des Graf. v. O***.

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/128>, abgerufen am 25.11.2024.