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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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ist, so soll doch die Aufführung des Neffen auch die
höchste Toleranz erschöpfen. Seine freyen Grund¬
sätze und seine zügellose Lebensart, unglücklicher
Weise durch alles unterstützt, was Laster schmücken,
und die Sinnlichkeit hinreißen kann, machen ihn
zum Schrecken aller Väter und zum Fluch aller Ehe¬
männer; auch diesen lezten Angriff soll er sich, wie
man laut behauptet, durch eine Intrigue zugezo¬
gen haben, die er mit der Gemahlinn des **schen
Gesandten angesponnen hatte: anderer schlimmen
Händel nicht zu gedenken, woraus ihn das Ansehen
und das Geld des Kardinals nur mit Mühe hat
retten können. Dieses abgerechnet, wäre lezterer
der beneidetste Mann in ganz Italien, weil er alles
besizt, was das Leben wünschenswürdig machen
kann. Mit diesem einzigen Familienleiden nimmt
das Glück alle seine Gaben zurück, und vergällt
ihm den Genuß seines Vermögens durch die im¬
merwährende Furcht, keinen Erben dazu zu
finden.

Alle diese Nachrichten habe ich von Biondello.
In diesem Menschen hat der Prinz einen wahren
Schatz erhalten. Mit jedem Tage macht er sich
unentbehrlicher, mit jedem Tage entdecken wir ir¬
gend ein neues Talent an ihm. Neulich hatte sich
der Prinz erhitzt, und konnte nicht einschlafen.
Das Nachtlicht war ausgelöscht, und kein Klingeln
konnte den Kammerdiener erwecken, der außer dem
Hause bey einer Operistinn schlafen gegangen war.
Der Prinz entschließt sich also, selbst aufzustehen,

um

iſt, ſo ſoll doch die Aufführung des Neffen auch die
höchſte Toleranz erſchöpfen. Seine freyen Grund¬
ſätze und ſeine zügelloſe Lebensart, unglücklicher
Weiſe durch alles unterſtützt, was Laſter ſchmücken,
und die Sinnlichkeit hinreißen kann, machen ihn
zum Schrecken aller Väter und zum Fluch aller Ehe¬
männer; auch dieſen lezten Angriff ſoll er ſich, wie
man laut behauptet, durch eine Intrigue zugezo¬
gen haben, die er mit der Gemahlinn des **ſchen
Geſandten angeſponnen hatte: anderer ſchlimmen
Händel nicht zu gedenken, woraus ihn das Anſehen
und das Geld des Kardinals nur mit Mühe hat
retten können. Dieſes abgerechnet, wäre lezterer
der beneidetſte Mann in ganz Italien, weil er alles
beſizt, was das Leben wünſchenswürdig machen
kann. Mit dieſem einzigen Familienleiden nimmt
das Glück alle ſeine Gaben zurück, und vergällt
ihm den Genuß ſeines Vermögens durch die im¬
merwährende Furcht, keinen Erben dazu zu
finden.

Alle dieſe Nachrichten habe ich von Biondello.
In dieſem Menſchen hat der Prinz einen wahren
Schatz erhalten. Mit jedem Tage macht er ſich
unentbehrlicher, mit jedem Tage entdecken wir ir¬
gend ein neues Talent an ihm. Neulich hatte ſich
der Prinz erhitzt, und konnte nicht einſchlafen.
Das Nachtlicht war ausgelöſcht, und kein Klingeln
konnte den Kammerdiener erwecken, der außer dem
Hauſe bey einer Operiſtinn ſchlafen gegangen war.
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[114/0122] iſt, ſo ſoll doch die Aufführung des Neffen auch die höchſte Toleranz erſchöpfen. Seine freyen Grund¬ ſätze und ſeine zügelloſe Lebensart, unglücklicher Weiſe durch alles unterſtützt, was Laſter ſchmücken, und die Sinnlichkeit hinreißen kann, machen ihn zum Schrecken aller Väter und zum Fluch aller Ehe¬ männer; auch dieſen lezten Angriff ſoll er ſich, wie man laut behauptet, durch eine Intrigue zugezo¬ gen haben, die er mit der Gemahlinn des **ſchen Geſandten angeſponnen hatte: anderer ſchlimmen Händel nicht zu gedenken, woraus ihn das Anſehen und das Geld des Kardinals nur mit Mühe hat retten können. Dieſes abgerechnet, wäre lezterer der beneidetſte Mann in ganz Italien, weil er alles beſizt, was das Leben wünſchenswürdig machen kann. Mit dieſem einzigen Familienleiden nimmt das Glück alle ſeine Gaben zurück, und vergällt ihm den Genuß ſeines Vermögens durch die im¬ merwährende Furcht, keinen Erben dazu zu finden. Alle dieſe Nachrichten habe ich von Biondello. In dieſem Menſchen hat der Prinz einen wahren Schatz erhalten. Mit jedem Tage macht er ſich unentbehrlicher, mit jedem Tage entdecken wir ir¬ gend ein neues Talent an ihm. Neulich hatte ſich der Prinz erhitzt, und konnte nicht einſchlafen. Das Nachtlicht war ausgelöſcht, und kein Klingeln konnte den Kammerdiener erwecken, der außer dem Hauſe bey einer Operiſtinn ſchlafen gegangen war. Der Prinz entſchließt ſich alſo, ſelbſt aufzuſtehen, um

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/122>, abgerufen am 23.11.2024.