Stimme der Freundschaft nicht mehr, und war jezt auch noch zu glücklich, um sie zu verstehen.
Schon in den ersten Zeiten dieser Epoche for¬ derte mich eine wichtige Angelegenheit an den Hof meines Souverains, die ich auch dem feurigsten Interesse der Freundschaft nicht nachsetzen durfte. Eine unsichtbare Hand, die sich mir erst lange nach¬ her entdeckte, hatte Mittel gefunden, meine An¬ gelegenheiten dort zu verwirren, und Gerüchte von mir auszubreiten, die ich eilen mußte, durch meine persönliche Gegenwart zu widerlegen. Der Abschied vom Prinzen ward mir schwer, aber ihm war er desto leichter. Schon seit geraumer Zeit waren die Bande gelös't, die ihn an mich gekettet hatten. Aber sein Schicksal hatte meine ganze Theilnehmung erweckt; ich ließ mir deswegen von dem Baron von F*** versprechen, mich durch schriftliche Nachrichten damit in Verbindung zu er¬ halten, was er auch auf's gewissenhafteste gehal¬ ten hat. Von jezt an bin ich also auf lange Zeit kein Augenzeuge dieser Begebenheiten mehr; man erlaube mir, den Baron von F*** an meiner Statt aufzuführen, und diese Lücke durch Auszüge aus seinen Briefen zu ergänzen. Ungeachtet die Vorstellungsart meines Freundes F*** nicht im¬ mer die meinige ist, so habe ich dennoch an seinen Worten nichts ändern wollen, aus denen der Leser die Wahrheit mit wenig Mühe herausfinden wird.
Baron
Stimme der Freundſchaft nicht mehr, und war jezt auch noch zu glücklich, um ſie zu verſtehen.
Schon in den erſten Zeiten dieſer Epoche for¬ derte mich eine wichtige Angelegenheit an den Hof meines Souverains, die ich auch dem feurigſten Intereſſe der Freundſchaft nicht nachſetzen durfte. Eine unſichtbare Hand, die ſich mir erſt lange nach¬ her entdeckte, hatte Mittel gefunden, meine An¬ gelegenheiten dort zu verwirren, und Gerüchte von mir auszubreiten, die ich eilen mußte, durch meine perſönliche Gegenwart zu widerlegen. Der Abſchied vom Prinzen ward mir ſchwer, aber ihm war er deſto leichter. Schon ſeit geraumer Zeit waren die Bande gelöſ't, die ihn an mich gekettet hatten. Aber ſein Schickſal hatte meine ganze Theilnehmung erweckt; ich ließ mir deswegen von dem Baron von F*** verſprechen, mich durch ſchriftliche Nachrichten damit in Verbindung zu er¬ halten, was er auch auf's gewiſſenhafteſte gehal¬ ten hat. Von jezt an bin ich alſo auf lange Zeit kein Augenzeuge dieſer Begebenheiten mehr; man erlaube mir, den Baron von F*** an meiner Statt aufzuführen, und dieſe Lücke durch Auszüge aus ſeinen Briefen zu ergänzen. Ungeachtet die Vorſtellungsart meines Freundes F*** nicht im¬ mer die meinige iſt, ſo habe ich dennoch an ſeinen Worten nichts ändern wollen, aus denen der Leſer die Wahrheit mit wenig Mühe herausfinden wird.
Baron
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0112"n="104"/>
Stimme der Freundſchaft nicht mehr, und war<lb/>
jezt auch noch zu glücklich, um ſie zu verſtehen.</p><lb/><p>Schon in den erſten Zeiten dieſer Epoche for¬<lb/>
derte mich eine wichtige Angelegenheit an den Hof<lb/>
meines Souverains, die ich auch dem feurigſten<lb/>
Intereſſe der Freundſchaft nicht nachſetzen durfte.<lb/>
Eine unſichtbare Hand, die ſich mir erſt lange nach¬<lb/>
her entdeckte, hatte Mittel gefunden, meine An¬<lb/>
gelegenheiten dort zu verwirren, und Gerüchte<lb/>
von mir auszubreiten, die ich eilen mußte, durch<lb/>
meine perſönliche Gegenwart zu widerlegen. Der<lb/>
Abſchied vom Prinzen ward mir ſchwer, aber ihm<lb/>
war er deſto leichter. Schon ſeit geraumer Zeit<lb/>
waren die Bande gelöſ't, die ihn an mich gekettet<lb/>
hatten. Aber ſein Schickſal hatte meine ganze<lb/>
Theilnehmung erweckt; ich ließ mir deswegen von<lb/>
dem Baron von F*** verſprechen, mich durch<lb/>ſchriftliche Nachrichten damit in Verbindung zu er¬<lb/>
halten, was er auch auf's gewiſſenhafteſte gehal¬<lb/>
ten hat. Von jezt an bin ich alſo auf lange Zeit<lb/>
kein Augenzeuge dieſer Begebenheiten mehr; man<lb/>
erlaube mir, den Baron von F*** an meiner<lb/>
Statt aufzuführen, und dieſe Lücke durch Auszüge<lb/>
aus ſeinen Briefen zu ergänzen. Ungeachtet die<lb/>
Vorſtellungsart meines Freundes F*** nicht im¬<lb/>
mer die meinige iſt, ſo habe ich dennoch an ſeinen<lb/>
Worten nichts ändern wollen, aus denen der Leſer<lb/>
die Wahrheit mit wenig Mühe herausfinden wird.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#g">Baron</hi><lb/></fw></div></div></body></text></TEI>
[104/0112]
Stimme der Freundſchaft nicht mehr, und war
jezt auch noch zu glücklich, um ſie zu verſtehen.
Schon in den erſten Zeiten dieſer Epoche for¬
derte mich eine wichtige Angelegenheit an den Hof
meines Souverains, die ich auch dem feurigſten
Intereſſe der Freundſchaft nicht nachſetzen durfte.
Eine unſichtbare Hand, die ſich mir erſt lange nach¬
her entdeckte, hatte Mittel gefunden, meine An¬
gelegenheiten dort zu verwirren, und Gerüchte
von mir auszubreiten, die ich eilen mußte, durch
meine perſönliche Gegenwart zu widerlegen. Der
Abſchied vom Prinzen ward mir ſchwer, aber ihm
war er deſto leichter. Schon ſeit geraumer Zeit
waren die Bande gelöſ't, die ihn an mich gekettet
hatten. Aber ſein Schickſal hatte meine ganze
Theilnehmung erweckt; ich ließ mir deswegen von
dem Baron von F*** verſprechen, mich durch
ſchriftliche Nachrichten damit in Verbindung zu er¬
halten, was er auch auf's gewiſſenhafteſte gehal¬
ten hat. Von jezt an bin ich alſo auf lange Zeit
kein Augenzeuge dieſer Begebenheiten mehr; man
erlaube mir, den Baron von F*** an meiner
Statt aufzuführen, und dieſe Lücke durch Auszüge
aus ſeinen Briefen zu ergänzen. Ungeachtet die
Vorſtellungsart meines Freundes F*** nicht im¬
mer die meinige iſt, ſo habe ich dennoch an ſeinen
Worten nichts ändern wollen, aus denen der Leſer
die Wahrheit mit wenig Mühe herausfinden wird.
Baron
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/112>, abgerufen am 21.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.