Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.Zweiter Akt. aus meinen Schlachten, meine Arme sollengeöffnet sein Dich zu empfangen -- So verwerf' ich Dich! Er stößt ihn von sich. Die feige Schuld allein wird sich in solchen Quellen schimpflich waschen. Wer zu bereuen nicht erröthet, wird sich Reue nie ersparen. Karlos sieht den König eine Zeit lang mit furchtsamen Erstaunen an. Wer ist das? Durch welchen Mißverstand hat dieser Fremd- ling zu Menschen sich verirrt? -- Die ewige Beglaubigung der Menschheit sind ja Thränen: sein Aug' ist trocken, ihn gebar kein Weib. Was Wollust aus der Marter preßt, was selbst den Kummer neidenswürdig macht, den Men- schen noch einmal an den Himmel knüpft, und Engel zur Sterblichkeit herunterlocken könnte, des Weinens süße Freuden kennt er nicht. O zwingen Sie die nie benetzten Augen noch zeitig Thränen einzulernen, sonst, Zweiter Akt. aus meinen Schlachten, meine Arme ſollengeöffnet ſein Dich zu empfangen — So verwerf’ ich Dich! Er ſtößt ihn von ſich. Die feige Schuld allein wird ſich in ſolchen Quellen ſchimpflich waſchen. Wer zu bereuen nicht erröthet, wird ſich Reue nie erſparen. Karlos ſieht den König eine Zeit lang mit furchtſamen Erſtaunen an. Wer iſt das? Durch welchen Mißverſtand hat dieſer Fremd- ling zu Menſchen ſich verirrt? — Die ewige Beglaubigung der Menſchheit ſind ja Thränen: ſein Aug’ iſt trocken, ihn gebar kein Weib. Was Wolluſt aus der Marter preßt, was ſelbſt den Kummer neidenswürdig macht, den Men- ſchen noch einmal an den Himmel knüpft, und Engel zur Sterblichkeit herunterlocken könnte, des Weinens ſüße Freuden kennt er nicht. O zwingen Sie die nie benetzten Augen noch zeitig Thränen einzulernen, ſonſt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#KOENIG"> <p><pb facs="#f0097" n="87"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Akt</hi>.</fw><lb/> aus meinen Schlachten, meine Arme ſollen<lb/> geöffnet ſein Dich zu empfangen — <hi rendition="#g">So</hi><lb/> verwerf’ ich Dich!</p><lb/> <stage>Er ſtößt ihn von ſich.</stage><lb/> <p><hi rendition="#et">Die feige Schuld allein</hi><lb/> wird ſich in ſolchen Quellen ſchimpflich waſchen.<lb/> Wer zu bereuen nicht erröthet, wird<lb/> ſich Reue nie erſparen.</p> </sp><lb/> <sp who="#KAR"> <speaker> <hi rendition="#g">Karlos</hi> </speaker><lb/> <stage>ſieht den König eine Zeit lang mit furchtſamen<lb/> Erſtaunen an.</stage><lb/> <p><hi rendition="#et">Wer iſt das?</hi><lb/> Durch welchen Mißverſtand hat dieſer Fremd-<lb/> ling<lb/> zu Menſchen ſich verirrt? — Die ewige<lb/> Beglaubigung der Menſchheit ſind ja Thränen:<lb/> ſein Aug’ iſt trocken, ihn gebar kein Weib.<lb/> Was Wolluſt aus der Marter preßt, was ſelbſt<lb/> den Kummer neidenswürdig macht, den Men-<lb/> ſchen<lb/> noch einmal an den Himmel knüpft, und Engel<lb/> zur Sterblichkeit herunterlocken könnte,<lb/> des Weinens ſüße Freuden kennt er nicht.<lb/> O zwingen Sie die nie benetzten Augen<lb/> noch zeitig Thränen einzulernen, ſonſt,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0097]
Zweiter Akt.
aus meinen Schlachten, meine Arme ſollen
geöffnet ſein Dich zu empfangen — So
verwerf’ ich Dich!
Er ſtößt ihn von ſich.
Die feige Schuld allein
wird ſich in ſolchen Quellen ſchimpflich waſchen.
Wer zu bereuen nicht erröthet, wird
ſich Reue nie erſparen.
Karlos
ſieht den König eine Zeit lang mit furchtſamen
Erſtaunen an.
Wer iſt das?
Durch welchen Mißverſtand hat dieſer Fremd-
ling
zu Menſchen ſich verirrt? — Die ewige
Beglaubigung der Menſchheit ſind ja Thränen:
ſein Aug’ iſt trocken, ihn gebar kein Weib.
Was Wolluſt aus der Marter preßt, was ſelbſt
den Kummer neidenswürdig macht, den Men-
ſchen
noch einmal an den Himmel knüpft, und Engel
zur Sterblichkeit herunterlocken könnte,
des Weinens ſüße Freuden kennt er nicht.
O zwingen Sie die nie benetzten Augen
noch zeitig Thränen einzulernen, ſonſt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |