Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Fünfter Akt.
Vielleicht
erwarten Sie, wie diese unnatürliche Ge-
schichte
sich enden wird? -- Hier ist mein Schwert.
Sie sind
mein König wieder. Denken Sie, daß ich
vor Ihrer Rache zittre? Morden Sie
mich auch, wie Sie den Edelsten gemordet.
Mein Leben ist verwirkt. Ich weiß. Was ist
mir jetzt das Leben? Hier entsag' ich allem,
was mich auf dieser Welt erwartet. Suchen
Sie unter Fremdlingen Sich einen Sohn --
Da liegen meine Reiche --

Er sinkt an dem Leichnam nieder und nimmt an
dem folgenden keinen Antheil mehr. Man hört unter-
dessen von ferne ein verworrenes Getöse von Stimmen,
ein Zusammenlauten von Glocken, und ein Gedräng
vieler Menschen. Um den König herum ist eine tiefe
Stille. Seine Augen durchlaufen den ganzen Kreis,
aber niemand begegnet seinen Blicken.
König.
Nun? Will niemand
antworten? -- Jeder Blick am Boden --
jedes
Gesicht verhüllt! -- Mein Urtheil ist ge-
sprochen.
In diesen stummen Mienen les' ich es
Fünfter Akt.
Vielleicht
erwarten Sie, wie dieſe unnatürliche Ge-
ſchichte
ſich enden wird? — Hier iſt mein Schwert.
Sie ſind
mein König wieder. Denken Sie, daß ich
vor Ihrer Rache zittre? Morden Sie
mich auch, wie Sie den Edelſten gemordet.
Mein Leben iſt verwirkt. Ich weiß. Was iſt
mir jetzt das Leben? Hier entſag’ ich allem,
was mich auf dieſer Welt erwartet. Suchen
Sie unter Fremdlingen Sich einen Sohn —
Da liegen meine Reiche —

Er ſinkt an dem Leichnam nieder und nimmt an
dem folgenden keinen Antheil mehr. Man hört unter-
deſſen von ferne ein verworrenes Getöſe von Stimmen,
ein Zuſammenlauten von Glocken, und ein Gedräng
vieler Menſchen. Um den König herum iſt eine tiefe
Stille. Seine Augen durchlaufen den ganzen Kreis,
aber niemand begegnet ſeinen Blicken.
König.
Nun? Will niemand
antworten? — Jeder Blick am Boden —
jedes
Geſicht verhüllt! — Mein Urtheil iſt ge-
ſprochen.
In dieſen ſtummen Mienen leſ’ ich es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#KAR">
              <pb facs="#f0461" n="449"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fünfter Akt</hi>.</fw><lb/>
              <p><hi rendition="#et">Vielleicht</hi><lb/>
erwarten Sie, wie die&#x017F;e unnatürliche Ge-<lb/>
&#x017F;chichte<lb/>
&#x017F;ich enden wird? &#x2014; Hier i&#x017F;t mein Schwert.<lb/>
Sie &#x017F;ind<lb/>
mein König wieder. Denken Sie, daß ich<lb/>
vor Ihrer Rache zittre? Morden Sie<lb/>
mich auch, wie Sie den Edel&#x017F;ten gemordet.<lb/>
Mein Leben i&#x017F;t verwirkt. Ich weiß. Was i&#x017F;t<lb/>
mir jetzt das Leben? Hier ent&#x017F;ag&#x2019; ich allem,<lb/>
was mich auf die&#x017F;er Welt erwartet. Suchen<lb/>
Sie unter Fremdlingen Sich einen Sohn &#x2014;<lb/>
Da liegen meine Reiche &#x2014;</p><lb/>
              <stage>Er &#x017F;inkt an dem Leichnam nieder und nimmt an<lb/>
dem folgenden keinen Antheil mehr. Man hört unter-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en von ferne ein verworrenes Getö&#x017F;e von Stimmen,<lb/>
ein Zu&#x017F;ammenlauten von Glocken, und ein Gedräng<lb/>
vieler Men&#x017F;chen. Um den König herum i&#x017F;t eine tiefe<lb/>
Stille. Seine Augen durchlaufen den ganzen Kreis,<lb/>
aber niemand begegnet &#x017F;einen Blicken.</stage>
            </sp><lb/>
            <sp who="#KOENIG">
              <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/>
              <p><hi rendition="#et">Nun? Will niemand</hi><lb/>
antworten? &#x2014; Jeder Blick am Boden &#x2014;<lb/>
jedes<lb/>
Ge&#x017F;icht verhüllt! &#x2014; Mein Urtheil i&#x017F;t ge-<lb/>
&#x017F;prochen.<lb/>
In die&#x017F;en &#x017F;tummen Mienen le&#x017F;&#x2019; ich es<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[449/0461] Fünfter Akt. Vielleicht erwarten Sie, wie dieſe unnatürliche Ge- ſchichte ſich enden wird? — Hier iſt mein Schwert. Sie ſind mein König wieder. Denken Sie, daß ich vor Ihrer Rache zittre? Morden Sie mich auch, wie Sie den Edelſten gemordet. Mein Leben iſt verwirkt. Ich weiß. Was iſt mir jetzt das Leben? Hier entſag’ ich allem, was mich auf dieſer Welt erwartet. Suchen Sie unter Fremdlingen Sich einen Sohn — Da liegen meine Reiche — Er ſinkt an dem Leichnam nieder und nimmt an dem folgenden keinen Antheil mehr. Man hört unter- deſſen von ferne ein verworrenes Getöſe von Stimmen, ein Zuſammenlauten von Glocken, und ein Gedräng vieler Menſchen. Um den König herum iſt eine tiefe Stille. Seine Augen durchlaufen den ganzen Kreis, aber niemand begegnet ſeinen Blicken. König. Nun? Will niemand antworten? — Jeder Blick am Boden — jedes Geſicht verhüllt! — Mein Urtheil iſt ge- ſprochen. In dieſen ſtummen Mienen leſ’ ich es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/461
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/461>, abgerufen am 25.11.2024.