Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.Dritter Akt. und dieser neugegoßnen Kreaturzum Gott Sich gaben -- da versahen Sie's in etwas nur: Sie blieben selbst noch Mensch-- Mensch aus des Schöpfers Hand. Sie fuh- ren fort als Sterblicher zu leiden, zu begehren; doch geben kann die neue Pflanzung nichts. Sie brauchen Mitgefühl -- und einem Gott kann man nur opfern -- zittern -- zu ihm beten; mit ihm zu fühlen wagt man nicht. So laut, so drängend auch die leidende Natur hervor aus diesem Busen ruft -- umsonst -- die Uhr schlägt fort, wie sie der Künstler lehrte. Mehr lehrte sie der Künstler nicht. Der König steht auf, macht einige Schritte und setzt sich wieder -- Der Marquis hat inne gehalten. Doch leiden? Selbst in der Freude darben Sie. Die Freude muß aus dem Aug' des Zeugen wiederstrahlen. Was in den Augen Ihrer Knechte glänzt, ist das noch Ihre Freude? -- Ihre Freude lag Ihren Knechten viel zu nah, um sie nicht gleich zuerst an sich gemahnt zu haben. Das sind die treuen Spiegel nicht, die rein, Dritter Akt. und dieſer neugegoßnen Kreaturzum Gott Sich gaben — da verſahen Sie’s in etwas nur: Sie blieben ſelbſt noch Menſch— Menſch aus des Schöpfers Hand. Sie fuh- ren fort als Sterblicher zu leiden, zu begehren; doch geben kann die neue Pflanzung nichts. Sie brauchen Mitgefühl — und einem Gott kann man nur opfern — zittern — zu ihm beten; mit ihm zu fühlen wagt man nicht. So laut, ſo drängend auch die leidende Natur hervor aus dieſem Buſen ruft — umſonſt — die Uhr ſchlägt fort, wie ſie der Künſtler lehrte. Mehr lehrte ſie der Künſtler nicht. Der König ſteht auf, macht einige Schritte und ſetzt ſich wieder — Der Marquis hat inne gehalten. Doch leiden? Selbſt in der Freude darben Sie. Die Freude muß aus dem Aug’ des Zeugen wiederſtrahlen. Was in den Augen Ihrer Knechte glänzt, iſt das noch Ihre Freude? — Ihre Freude lag Ihren Knechten viel zu nah, um ſie nicht gleich zuerſt an ſich gemahnt zu haben. Das ſind die treuen Spiegel nicht, die rein, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#MAR"> <p><pb facs="#f0285" n="273"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dritter Akt</hi>.</fw><lb/> und dieſer neugegoßnen Kreatur<lb/> zum Gott Sich gaben — da verſahen Sie’s<lb/> in etwas nur: Sie blieben ſelbſt noch Menſch—<lb/> Menſch aus des Schöpfers Hand. <hi rendition="#g">Sie</hi> fuh-<lb/> ren fort<lb/> als Sterblicher zu leiden, zu begehren;<lb/> doch geben kann die neue Pflanzung nichts.<lb/><hi rendition="#g">Sie</hi> brauchen Mitgefühl — und einem Gott<lb/> kann man nur opfern — zittern — zu ihm<lb/> beten;<lb/> mit ihm zu fühlen wagt man nicht. So laut,<lb/> ſo drängend auch die leidende Natur<lb/> hervor aus dieſem Buſen ruft — umſonſt —<lb/> die Uhr ſchlägt fort, wie ſie der Künſtler<lb/> lehrte.<lb/> Mehr lehrte ſie der Künſtler nicht.</p><lb/> <stage>Der König ſteht auf, macht einige Schritte und ſetzt<lb/> ſich wieder — Der Marquis hat inne gehalten.</stage><lb/> <p><hi rendition="#et">Doch leiden?</hi><lb/> Selbſt in der Freude darben Sie. Die Freude<lb/> muß aus dem Aug’ des Zeugen wiederſtrahlen.<lb/> Was in den Augen Ihrer Knechte glänzt,<lb/> iſt das noch <hi rendition="#g">Ihre</hi> Freude? — Ihre Freude<lb/> lag Ihren Knechten viel zu nah, um ſie<lb/> nicht gleich zuerſt an ſich gemahnt zu haben.<lb/> Das ſind die treuen Spiegel nicht, die rein,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [273/0285]
Dritter Akt.
und dieſer neugegoßnen Kreatur
zum Gott Sich gaben — da verſahen Sie’s
in etwas nur: Sie blieben ſelbſt noch Menſch—
Menſch aus des Schöpfers Hand. Sie fuh-
ren fort
als Sterblicher zu leiden, zu begehren;
doch geben kann die neue Pflanzung nichts.
Sie brauchen Mitgefühl — und einem Gott
kann man nur opfern — zittern — zu ihm
beten;
mit ihm zu fühlen wagt man nicht. So laut,
ſo drängend auch die leidende Natur
hervor aus dieſem Buſen ruft — umſonſt —
die Uhr ſchlägt fort, wie ſie der Künſtler
lehrte.
Mehr lehrte ſie der Künſtler nicht.
Der König ſteht auf, macht einige Schritte und ſetzt
ſich wieder — Der Marquis hat inne gehalten.
Doch leiden?
Selbſt in der Freude darben Sie. Die Freude
muß aus dem Aug’ des Zeugen wiederſtrahlen.
Was in den Augen Ihrer Knechte glänzt,
iſt das noch Ihre Freude? — Ihre Freude
lag Ihren Knechten viel zu nah, um ſie
nicht gleich zuerſt an ſich gemahnt zu haben.
Das ſind die treuen Spiegel nicht, die rein,
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/285>, abgerufen am 28.06.2024. |