Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.Zweiter Akt. gab sie der süßen Täuschung sich dahin,sie se ber sei der Abgott dieser Blicke. Gerührt von meiner Seele stillen Leiden, beredet sich großmüthig-unbesonnen ihr weiches Herz, mir Liebe zu erwiedern. Die Ehrfurcht schien mir Schweigen zu ge- bieten, sie hat die Kühnheit es zu brechen -- Offen liegt ihre schöne Seele mir -- Marquis. So ruhig erzählst Du das? -- Die Fürstinn Eboli durchschaute Dich. Kein Zweifel mehr, sie drang in Deiner Liebe innerstes Geheimniß, Du hast sie schwer beleidigt. Sie beherrscht den König. Karlos zuversichtlich. Sie ist tugendhaft. Marquis. Sie ist's aus Eigennutz der Liebe -- Diese Tugend, ich fürchte sehr, ich kenne sie -- wie wenig reicht sie empor zu jenem Ideale, das aus der Seele mütterlichem Boden, Zweiter Akt. gab ſie der ſüßen Täuſchung ſich dahin,ſie ſe ber ſei der Abgott dieſer Blicke. Gerührt von meiner Seele ſtillen Leiden, beredet ſich großmüthig-unbeſonnen ihr weiches Herz, mir Liebe zu erwiedern. Die Ehrfurcht ſchien mir Schweigen zu ge- bieten, ſie hat die Kühnheit es zu brechen — Offen liegt ihre ſchöne Seele mir — Marquis. So ruhig erzählſt Du das? — Die Fürſtinn Eboli durchſchaute Dich. Kein Zweifel mehr, ſie drang in Deiner Liebe innerſtes Geheimniß, Du haſt ſie ſchwer beleidigt. Sie beherrſcht den König. Karlos zuverſichtlich. Sie iſt tugendhaft. Marquis. Sie iſt’s aus Eigennutz der Liebe — Dieſe Tugend, ich fürchte ſehr, ich kenne ſie — wie wenig reicht ſie empor zu jenem Ideale, das aus der Seele mütterlichem Boden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#KAR"> <p><pb facs="#f0215" n="205"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Akt</hi>.</fw><lb/> gab ſie der ſüßen Täuſchung ſich dahin,<lb/> ſie ſe ber ſei der Abgott dieſer Blicke.<lb/> Gerührt von meiner Seele ſtillen Leiden,<lb/> beredet ſich großmüthig-unbeſonnen<lb/> ihr weiches Herz, mir Liebe zu erwiedern.<lb/> Die Ehrfurcht ſchien mir Schweigen zu ge-<lb/> bieten,<lb/> ſie hat die Kühnheit es zu brechen — Offen<lb/> liegt ihre ſchöne Seele mir —</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker><hi rendition="#g">Marquis</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">So ruhig</hi><lb/> erzählſt Du das? — Die Fürſtinn Eboli<lb/> durchſchaute Dich. Kein Zweifel mehr, ſie<lb/> drang<lb/> in Deiner Liebe innerſtes Geheimniß,<lb/> Du haſt ſie ſchwer beleidigt. Sie beherrſcht<lb/> den König.</p> </sp><lb/> <sp who="#KAR"> <speaker> <hi rendition="#g">Karlos</hi> </speaker> <stage>zuverſichtlich.</stage><lb/> <p> <hi rendition="#c">Sie iſt tugendhaft.</hi> </p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker><hi rendition="#g">Marquis</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Sie iſt’s</hi><lb/> aus Eigennutz der Liebe — Dieſe Tugend,<lb/> ich fürchte ſehr, ich kenne ſie — wie wenig<lb/> reicht ſie empor zu jenem Ideale,<lb/> das aus der Seele mütterlichem Boden,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [205/0215]
Zweiter Akt.
gab ſie der ſüßen Täuſchung ſich dahin,
ſie ſe ber ſei der Abgott dieſer Blicke.
Gerührt von meiner Seele ſtillen Leiden,
beredet ſich großmüthig-unbeſonnen
ihr weiches Herz, mir Liebe zu erwiedern.
Die Ehrfurcht ſchien mir Schweigen zu ge-
bieten,
ſie hat die Kühnheit es zu brechen — Offen
liegt ihre ſchöne Seele mir —
Marquis.
So ruhig
erzählſt Du das? — Die Fürſtinn Eboli
durchſchaute Dich. Kein Zweifel mehr, ſie
drang
in Deiner Liebe innerſtes Geheimniß,
Du haſt ſie ſchwer beleidigt. Sie beherrſcht
den König.
Karlos zuverſichtlich.
Sie iſt tugendhaft.
Marquis.
Sie iſt’s
aus Eigennutz der Liebe — Dieſe Tugend,
ich fürchte ſehr, ich kenne ſie — wie wenig
reicht ſie empor zu jenem Ideale,
das aus der Seele mütterlichem Boden,
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