Prinzessinn. So wenig als jener Auftritt in der Schloßkapelle, worauf sich wohl Prinz Karlos selbst nicht mehr besinnen wird. Sie lagen zu den Füßen der heil'gen Jungfrau in Gebet ergossen, als plötzlich -- konnten Sie dafür? -- die Kleider gewisser Damen hinter Ihnen rauschten. Da fing Dom Philipps heldenmüth'ger Sohn, gleich einem Ketzer vor dem heil'gen Amte, zu zittern an, auf seinen bleichen Lippen starb das vergiftete Gebet -- Im Taumel der Leidenschaft -- es war ein Possenspiel zum Rühren, Prinz -- ergreifen Sie die Hand, der Mutter Gottes heil'ge kalte Hand, und Feuerküsse regnen auf den Marmor.
Karlos. Sie thun mir Unrecht, Fürstinn. Das war Andacht.
Prinzessinn. Ja, dann ist's etwas anders, Prinz -- dann freilich war's damals auch nur Furcht vor dem Verluste,
K 2
Zweiter Akt.
Prinzeſſinn. So wenig als jener Auftritt in der Schloßkapelle, worauf ſich wohl Prinz Karlos ſelbſt nicht mehr beſinnen wird. Sie lagen zu den Füßen der heil’gen Jungfrau in Gebet ergoſſen, als plötzlich — konnten Sie dafür? — die Kleider gewiſſer Damen hinter Ihnen rauſchten. Da fing Dom Philipps heldenmüth’ger Sohn, gleich einem Ketzer vor dem heil’gen Amte, zu zittern an, auf ſeinen bleichen Lippen ſtarb das vergiftete Gebet — Im Taumel der Leidenſchaft — es war ein Poſſenſpiel zum Rühren, Prinz — ergreifen Sie die Hand, der Mutter Gottes heil’ge kalte Hand, und Feuerküſſe regnen auf den Marmor.
Karlos. Sie thun mir Unrecht, Fürſtinn. Das war Andacht.
Prinzeſſinn. Ja, dann iſt’s etwas anders, Prinz — dann freilich war’s damals auch nur Furcht vor dem Verluſte,
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Zweiter Akt.
Prinzeſſinn.
So wenig
als jener Auftritt in der Schloßkapelle,
worauf ſich wohl Prinz Karlos ſelbſt nicht mehr
beſinnen wird. Sie lagen zu den Füßen
der heil’gen Jungfrau in Gebet ergoſſen,
als plötzlich — konnten Sie dafür? — die
Kleider
gewiſſer Damen hinter Ihnen rauſchten.
Da fing Dom Philipps heldenmüth’ger Sohn,
gleich einem Ketzer vor dem heil’gen Amte,
zu zittern an, auf ſeinen bleichen Lippen
ſtarb das vergiftete Gebet — Im Taumel
der Leidenſchaft — es war ein Poſſenſpiel
zum Rühren, Prinz — ergreifen Sie die
Hand,
der Mutter Gottes heil’ge kalte Hand,
und Feuerküſſe regnen auf den Marmor.
Karlos.
Sie thun mir Unrecht, Fürſtinn. Das war
Andacht.
Prinzeſſinn.
Ja, dann iſt’s etwas anders, Prinz — dann
freilich
war’s damals auch nur Furcht vor dem Verluſte,
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Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/157>, abgerufen am 16.08.2024.
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