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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Theresiade
105Biß unser guter Rath das Schweigen unterbrach,
Sich vor den Thron begab, und diese Worte sprach:
"DReyfacher Königs-Thron", hier sah man ihn sich neigen
Und mit gebognem Knie des Herzens Demuth zeigen:
Drauf fuhr er also fort: "Frau! Mutter! Königinn!
110"Erlaube, daß ich dir, was wir aus treuem Sinn
"Zu deinem Ruhm versucht, nur kurz vor Augen lege,
"Und dich zu dem Bescheid des Tugend-Streits bewege.
"Wir waren diese Nacht im Zweifel und im Zwist,
"Du bists, warum der Streit, die Frag entstanden ist.
115"Jn dir allein beruht des ganzen Saals Vermögen,
"Wir sezen dich allein desselben Macht entgegen.
"Wer deine Majestät auch einsam gehen sieht,
"Merckt, daß ihn solcher Blick auf die Gedancken zieht:
"Daß viele Feinde seynd, die deinen Thron bestürmen,
120"Und daß die Tugenden dich wieder ihn beschirmen.
"Er stellt sich vor, wie du den Ruhm nur jenem gibst
"Dem er gebührt, und der dich liebt, weil du ihn liebst.
"War deiner Völcker Heer zum Fechten angeleitet;
"So glaubtest du, daß GOtt den Weeg zum Sieg bereitet.
125"Lag es in Festungen; so ward von dir betracht:
"Daß Wall und Schloß umsonst, wo GOtt nicht selber wacht.
"Stund es im freyen Feld, zu schwach den Kampf zu wagen;
"So sagtest du, daß GOtt ihm werde Schanzen schlagen.
Be-
Thereſiade
105Biß unſer guter Rath das Schweigen unterbrach,
Sich vor den Thron begab, und dieſe Worte ſprach:
DReyfacher Koͤnigs-Thron“, hier ſah man ihn ſich neigen
Und mit gebognem Knie des Herzens Demuth zeigen:
Drauf fuhr er alſo fort: „Frau! Mutter! Koͤniginn!
110„Erlaube, daß ich dir, was wir aus treuem Sinn
„Zu deinem Ruhm verſucht, nur kurz vor Augen lege,
„Und dich zu dem Beſcheid des Tugend-Streits bewege.
„Wir waren dieſe Nacht im Zweifel und im Zwiſt,
„Du biſts, warum der Streit, die Frag entſtanden iſt.
115„Jn dir allein beruht des ganzen Saals Vermoͤgen,
„Wir ſezen dich allein deſſelben Macht entgegen.
„Wer deine Majeſtaͤt auch einſam gehen ſieht,
„Merckt, daß ihn ſolcher Blick auf die Gedancken zieht:
„Daß viele Feinde ſeynd, die deinen Thron beſtuͤrmen,
120„Und daß die Tugenden dich wieder ihn beſchirmen.
„Er ſtellt ſich vor, wie du den Ruhm nur jenem gibſt
„Dem er gebuͤhrt, und der dich liebt, weil du ihn liebſt.
„War deiner Voͤlcker Heer zum Fechten angeleitet;
„So glaubteſt du, daß GOtt den Weeg zum Sieg bereitet.
125„Lag es in Feſtungen; ſo ward von dir betracht:
„Daß Wall und Schloß umſonſt, wo GOtt nicht ſelber wacht.
„Stund es im freyen Feld, zu ſchwach den Kampf zu wagen;
„So ſagteſt du, daß GOtt ihm werde Schanzen ſchlagen.
Be-
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[0096] Thereſiade Biß unſer guter Rath das Schweigen unterbrach, Sich vor den Thron begab, und dieſe Worte ſprach: „DReyfacher Koͤnigs-Thron“, hier ſah man ihn ſich neigen Und mit gebognem Knie des Herzens Demuth zeigen: Drauf fuhr er alſo fort: „Frau! Mutter! Koͤniginn! „Erlaube, daß ich dir, was wir aus treuem Sinn „Zu deinem Ruhm verſucht, nur kurz vor Augen lege, „Und dich zu dem Beſcheid des Tugend-Streits bewege. „Wir waren dieſe Nacht im Zweifel und im Zwiſt, „Du biſts, warum der Streit, die Frag entſtanden iſt. „Jn dir allein beruht des ganzen Saals Vermoͤgen, „Wir ſezen dich allein deſſelben Macht entgegen. „Wer deine Majeſtaͤt auch einſam gehen ſieht, „Merckt, daß ihn ſolcher Blick auf die Gedancken zieht: „Daß viele Feinde ſeynd, die deinen Thron beſtuͤrmen, „Und daß die Tugenden dich wieder ihn beſchirmen. „Er ſtellt ſich vor, wie du den Ruhm nur jenem gibſt „Dem er gebuͤhrt, und der dich liebt, weil du ihn liebſt. „War deiner Voͤlcker Heer zum Fechten angeleitet; „So glaubteſt du, daß GOtt den Weeg zum Sieg bereitet. „Lag es in Feſtungen; ſo ward von dir betracht: „Daß Wall und Schloß umſonſt, wo GOtt nicht ſelber wacht. „Stund es im freyen Feld, zu ſchwach den Kampf zu wagen; „So ſagteſt du, daß GOtt ihm werde Schanzen ſchlagen. Be-

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/96>, abgerufen am 24.11.2024.