Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.Zehndes Buch. Die Mißgunst hätte sich dadurch beschämt gezeigt;Die Boßheit ihren Trieb der Tadelsucht geneigt. Geist, Seele, Sinn und Herz war durch den Pomp getroffen; Da sah man Thür und Thor zu aller Wohlfart offen. So stellte dieses Throns Staat, Würde, Pracht und Flor, Glanz, Ansehn, Majestät, sich unsern Augen vor. Man liesse keinen Blick, nur achtloß, von sich schiessen, Der nicht für Lust bestrickt ihn hat bewundern müssen. Des Augs Vergnügen blieb indessen nicht allein, 90Ein unvermercktes Was nahm alle Sinnen ein. Der Saal vertiefte sich in eine solche Stille, Als ob die Einsamkeit allein den Ort erfülle; Man sahe nirgendswo den Finger an dem Mund, Nur durch den Ehrfurchts-Trieb ward solches Schweigen kund. 95Die durch der Winde Schlaf gestillte Meeres-Wellen Seynd nicht so still, als hier die Tugenden sich stellen. Wir nahmen auch in acht, was die Verwundrung kann, Da manches Aug in Trost- und Freuden-Thränen rann. Ein schmeichelndes Gefühl durchwallte das Geblüthe, 100Und die Empfindlichkeit war nur in dem Gemüthe. Erstaunung und Begier, Reiz, Anmuth, Furcht und Lust Vermischt- und schärfften sich im Blick und in der Brust. Verlangen, Zärtlichkeit, Entzückung, Gunst und Liebe Bemeisterten das Herz, den Geist durch ihre Triebe, 105 Biß N n 3
Zehndes Buch. Die Mißgunſt haͤtte ſich dadurch beſchaͤmt gezeigt;Die Boßheit ihren Trieb der Tadelſucht geneigt. Geiſt, Seele, Sinn und Herz war durch den Pomp getroffen; Da ſah man Thuͤr und Thor zu aller Wohlfart offen. So ſtellte dieſes Throns Staat, Wuͤrde, Pracht und Flor, Glanz, Anſehn, Majeſtaͤt, ſich unſern Augen vor. Man lieſſe keinen Blick, nur achtloß, von ſich ſchieſſen, Der nicht fuͤr Luſt beſtrickt ihn hat bewundern muͤſſen. Des Augs Vergnuͤgen blieb indeſſen nicht allein, 90Ein unvermercktes Was nahm alle Sinnen ein. Der Saal vertiefte ſich in eine ſolche Stille, Als ob die Einſamkeit allein den Ort erfuͤlle; Man ſahe nirgendswo den Finger an dem Mund, Nur durch den Ehrfurchts-Trieb ward ſolches Schweigen kund. 95Die durch der Winde Schlaf geſtillte Meeres-Wellen Seynd nicht ſo ſtill, als hier die Tugenden ſich ſtellen. Wir nahmen auch in acht, was die Verwundrung kann, Da manches Aug in Troſt- und Freuden-Thraͤnen rann. Ein ſchmeichelndes Gefuͤhl durchwallte das Gebluͤthe, 100Und die Empfindlichkeit war nur in dem Gemuͤthe. Erſtaunung und Begier, Reiz, Anmuth, Furcht und Luſt Vermiſcht- und ſchaͤrfften ſich im Blick und in der Bruſt. Verlangen, Zaͤrtlichkeit, Entzuͤckung, Gunſt und Liebe Bemeiſterten das Herz, den Geiſt durch ihre Triebe, 105 Biß N n 3
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Zehndes Buch.
Die Mißgunſt haͤtte ſich dadurch beſchaͤmt gezeigt;
Die Boßheit ihren Trieb der Tadelſucht geneigt.
Geiſt, Seele, Sinn und Herz war durch den Pomp getroffen;
Da ſah man Thuͤr und Thor zu aller Wohlfart offen.
So ſtellte dieſes Throns Staat, Wuͤrde, Pracht und Flor,
Glanz, Anſehn, Majeſtaͤt, ſich unſern Augen vor.
Man lieſſe keinen Blick, nur achtloß, von ſich ſchieſſen,
Der nicht fuͤr Luſt beſtrickt ihn hat bewundern muͤſſen.
Des Augs Vergnuͤgen blieb indeſſen nicht allein,
Ein unvermercktes Was nahm alle Sinnen ein.
Der Saal vertiefte ſich in eine ſolche Stille,
Als ob die Einſamkeit allein den Ort erfuͤlle;
Man ſahe nirgendswo den Finger an dem Mund,
Nur durch den Ehrfurchts-Trieb ward ſolches Schweigen kund.
Die durch der Winde Schlaf geſtillte Meeres-Wellen
Seynd nicht ſo ſtill, als hier die Tugenden ſich ſtellen.
Wir nahmen auch in acht, was die Verwundrung kann,
Da manches Aug in Troſt- und Freuden-Thraͤnen rann.
Ein ſchmeichelndes Gefuͤhl durchwallte das Gebluͤthe,
Und die Empfindlichkeit war nur in dem Gemuͤthe.
Erſtaunung und Begier, Reiz, Anmuth, Furcht und Luſt
Vermiſcht- und ſchaͤrfften ſich im Blick und in der Bruſt.
Verlangen, Zaͤrtlichkeit, Entzuͤckung, Gunſt und Liebe
Bemeiſterten das Herz, den Geiſt durch ihre Triebe,
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Zitationshilfe: | Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/95>, abgerufen am 16.02.2025. |