Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.Siebendes Buch. Bis sich das blasse Licht der Sonne wieder zeigt,Und ihr noch feuchter Strahl durch solche Wolcke steigt, Die Wässer aus der Luft sich allgemach verquellen, Und alle Kreise sich durch neuen Schein erhellen. Jn solcher Aenderung befande sich der Saal, Bis jemand von dem Rath Gelassenheit befahl. Es war die Majestät, die mit erhabnen Blicken Den Streit zu stillen wußt, die Zungen zu bestricken. Jhr Ernst-erfülltes Aug in ihrer Hoheit Pracht 90Wand sich im Kreiß herum und nahm den Streit in acht, Verfinsterte die Stirn, und winckte mit den Händen, Man solle des Gesprächs Unartigkeiten enden. So tief man im Geschwäz, und in dem Eifer war, So bald ward alles still, wie nach dem Regen klar; 95Der Saal bequemte sich den Unfug abzulegen: Jmmittelst sahen wir die Staats-Kunst sich bewegen. JHr Anblick fiele mir besonders ins Gesicht; Kein Wunder, dunckte mich, wann sie die Bahne bricht. Schwert, Harnisch, Helm und Schild erhöhten ihr Betragen, 100Als wollte sie mit Macht sich in das Mittel schlagen. Mehr Oberherrlichkeit mit Herrsch-Begier gepaart Erkannte man in ihr als wahrer Hoheit Art; Jhr blau-gesticktes Kleid schien alles auszukunden, Weil auf desselben Stoff viel hundert Ohren stunden. 105 "Mich B b 3
Siebendes Buch. Bis ſich das blaſſe Licht der Sonne wieder zeigt,Und ihr noch feuchter Strahl durch ſolche Wolcke ſteigt, Die Waͤſſer aus der Luft ſich allgemach verquellen, Und alle Kreiſe ſich durch neuen Schein erhellen. Jn ſolcher Aenderung befande ſich der Saal, Bis jemand von dem Rath Gelaſſenheit befahl. Es war die Majeſtaͤt, die mit erhabnen Blicken Den Streit zu ſtillen wußt, die Zungen zu beſtricken. Jhr Ernſt-erfuͤlltes Aug in ihrer Hoheit Pracht 90Wand ſich im Kreiß herum und nahm den Streit in acht, Verfinſterte die Stirn, und winckte mit den Haͤnden, Man ſolle des Geſpraͤchs Unartigkeiten enden. So tief man im Geſchwaͤz, und in dem Eifer war, So bald ward alles ſtill, wie nach dem Regen klar; 95Der Saal bequemte ſich den Unfug abzulegen: Jmmittelſt ſahen wir die Staats-Kunſt ſich bewegen. JHr Anblick fiele mir beſonders ins Geſicht; Kein Wunder, dunckte mich, wann ſie die Bahne bricht. Schwert, Harniſch, Helm und Schild erhoͤhten ihr Betragen, 100Als wollte ſie mit Macht ſich in das Mittel ſchlagen. Mehr Oberherꝛlichkeit mit Herꝛſch-Begier gepaart Erkannte man in ihr als wahrer Hoheit Art; Jhr blau-geſticktes Kleid ſchien alles auszukunden, Weil auf deſſelben Stoff viel hundert Ohren ſtunden. 105 „Mich B b 3
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Siebendes Buch.
Bis ſich das blaſſe Licht der Sonne wieder zeigt,
Und ihr noch feuchter Strahl durch ſolche Wolcke ſteigt,
Die Waͤſſer aus der Luft ſich allgemach verquellen,
Und alle Kreiſe ſich durch neuen Schein erhellen.
Jn ſolcher Aenderung befande ſich der Saal,
Bis jemand von dem Rath Gelaſſenheit befahl.
Es war die Majeſtaͤt, die mit erhabnen Blicken
Den Streit zu ſtillen wußt, die Zungen zu beſtricken.
Jhr Ernſt-erfuͤlltes Aug in ihrer Hoheit Pracht
Wand ſich im Kreiß herum und nahm den Streit in acht,
Verfinſterte die Stirn, und winckte mit den Haͤnden,
Man ſolle des Geſpraͤchs Unartigkeiten enden.
So tief man im Geſchwaͤz, und in dem Eifer war,
So bald ward alles ſtill, wie nach dem Regen klar;
Der Saal bequemte ſich den Unfug abzulegen:
Jmmittelſt ſahen wir die Staats-Kunſt ſich bewegen.
JHr Anblick fiele mir beſonders ins Geſicht;
Kein Wunder, dunckte mich, wann ſie die Bahne bricht.
Schwert, Harniſch, Helm und Schild erhoͤhten ihr Betragen,
Als wollte ſie mit Macht ſich in das Mittel ſchlagen.
Mehr Oberherꝛlichkeit mit Herꝛſch-Begier gepaart
Erkannte man in ihr als wahrer Hoheit Art;
Jhr blau-geſticktes Kleid ſchien alles auszukunden,
Weil auf deſſelben Stoff viel hundert Ohren ſtunden.
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Zitationshilfe: | Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/7>, abgerufen am 16.02.2025. |