"So bauet, mahlt und schnizt! hört aber auch mein Wort, "Hernach rühmt was ihr wollt, schnizt, mahlt und bauet fort! "Was ist vom Anbeginn der Kunst in Schutt begraben, "Wovon wir doch biß jezt bewährte Nachricht haben? "Wie drang es aus dem Rost des Alterthums hervor, "Jn dessen Staub es fast den Nahmen selbst verlohr? "Wie wißt ihr was es war? ich! ich hab es gefüget, "Daß, was zu selber Zeit gefiel, noch heut vergnüget. "Wie schwebte die Geschicht von mancher Helden That "Jn Unvergessenheit? was sag' ich? manche Stadt, "Was wüßtet ihr davon, wann meiner Sayten Klingen "Sich nicht beflissen hätt euch solche vorzusingen? "Wer wußte von dem Krieg, von der und jener Schlacht? "Von jener Völcker Preiß, Verrichtung, Staat und Macht "Die bey dem Urbeginn der Helden-Zeit gewesen? "Sehr wenig wird davon in Farb' und Stein gelesen. "Die Dicht-Kunst, ich allein besize jene Kraft, "Die dieser Sachen Ruhm aus dem Vergessen rafft.
"Die Wercke meiner Kunst seynd mahlen, schnizen, bauen, "Die Nachwelt kann darinn der Vorwelt Thaten schauen; "Da meine Schwester nur Red-lose Blätter schreibt, "Wodurch der Nachwelt nichts zu lernen überbleibt; "Weil an dem Jnnhalt nichts als stumme Farben kleben, "Die durch das bunte Licht ein Schatten-Spiel erheben.
"Wie
Thereſiade
„So bauet, mahlt und ſchnizt! hoͤrt aber auch mein Wort, „Hernach ruͤhmt was ihr wollt, ſchnizt, mahlt und bauet fort! „Was iſt vom Anbeginn der Kunſt in Schutt begraben, „Wovon wir doch biß jezt bewaͤhrte Nachricht haben? „Wie drang es aus dem Roſt des Alterthums hervor, „Jn deſſen Staub es faſt den Nahmen ſelbſt verlohr? „Wie wißt ihr was es war? ich! ich hab es gefuͤget, „Daß, was zu ſelber Zeit gefiel, noch heut vergnuͤget. „Wie ſchwebte die Geſchicht von mancher Helden That „Jn Unvergeſſenheit? was ſag’ ich? manche Stadt, „Was wuͤßtet ihr davon, wann meiner Sayten Klingen „Sich nicht befliſſen haͤtt euch ſolche vorzuſingen? „Wer wußte von dem Krieg, von der und jener Schlacht? „Von jener Voͤlcker Preiß, Verrichtung, Staat und Macht „Die bey dem Urbeginn der Helden-Zeit geweſen? „Sehr wenig wird davon in Farb’ und Stein geleſen. „Die Dicht-Kunſt, ich allein beſize jene Kraft, „Die dieſer Sachen Ruhm aus dem Vergeſſen rafft.
„Die Wercke meiner Kunſt ſeynd mahlen, ſchnizen, bauen, „Die Nachwelt kann darinn der Vorwelt Thaten ſchauen; „Da meine Schweſter nur Red-loſe Blaͤtter ſchreibt, „Wodurch der Nachwelt nichts zu lernen uͤberbleibt; „Weil an dem Jnnhalt nichts als ſtumme Farben kleben, „Die durch das bunte Licht ein Schatten-Spiel erheben.
„Wie
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Thereſiade
„So bauet, mahlt und ſchnizt! hoͤrt aber auch mein Wort,
„Hernach ruͤhmt was ihr wollt, ſchnizt, mahlt und bauet fort!
„Was iſt vom Anbeginn der Kunſt in Schutt begraben,
„Wovon wir doch biß jezt bewaͤhrte Nachricht haben?
„Wie drang es aus dem Roſt des Alterthums hervor,
„Jn deſſen Staub es faſt den Nahmen ſelbſt verlohr?
„Wie wißt ihr was es war? ich! ich hab es gefuͤget,
„Daß, was zu ſelber Zeit gefiel, noch heut vergnuͤget.
„Wie ſchwebte die Geſchicht von mancher Helden That
„Jn Unvergeſſenheit? was ſag’ ich? manche Stadt,
„Was wuͤßtet ihr davon, wann meiner Sayten Klingen
„Sich nicht befliſſen haͤtt euch ſolche vorzuſingen?
„Wer wußte von dem Krieg, von der und jener Schlacht?
„Von jener Voͤlcker Preiß, Verrichtung, Staat und Macht
„Die bey dem Urbeginn der Helden-Zeit geweſen?
„Sehr wenig wird davon in Farb’ und Stein geleſen.
„Die Dicht-Kunſt, ich allein beſize jene Kraft,
„Die dieſer Sachen Ruhm aus dem Vergeſſen rafft.
„Die Wercke meiner Kunſt ſeynd mahlen, ſchnizen, bauen,
„Die Nachwelt kann darinn der Vorwelt Thaten ſchauen;
„Da meine Schweſter nur Red-loſe Blaͤtter ſchreibt,
„Wodurch der Nachwelt nichts zu lernen uͤberbleibt;
„Weil an dem Jnnhalt nichts als ſtumme Farben kleben,
„Die durch das bunte Licht ein Schatten-Spiel erheben.
„Wie
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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/46>, abgerufen am 21.02.2025.
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