Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Theresiade
"Das magere Gesicht; die Demuths-volle Mien;
"Der Augen Frömmigkeit; das kraus-behaarte Kinn;
"Der kurze graue Belz, der an den Achseln hienge,
"Erklärten meinem Sinn, ich weiß nicht, was vor Dinge.
385"Noch mehr: als er vor mir sich unversehns verlohr;
"Da kam sein Wesen mir als wie verhimmelt vor:
"Jch wollte mich von ihm, er sich von mir entfernen,
"So blendte mich ein Schein von fünf erleuchten Sternen.
Hier schwieg die Frömmigkeit; so schien die Königinn
390Als läg ihr dieser Schein besonders in dem Sinn.
Gleich fieng sie an das Herz, die Regung zu erwecken,
Und was sie von dem Mann vermeine, zu entdecken.
"Jch weiß, versezte sie, wer es gewesen sey;
"Dem ist die ganze Burg und aller Zutritt frey.
395"Jch offenbare nicht, was mich dazu verbinde;
"Genug: der ists, bey dem ich Trost und Zuflucht finde.
"So viel ich Rath und Hilff von euch allhier geborgt,
"So viel hat er für mich durch Bitten dort gesorgt.
"Dem kann ich nicht genug Verehrungen erstatten;
400"Mein Seegen, Heil und Wohl seynd seine Wunderthaten.
"Was aber diesen Flug, den Adler-Flug belangt,
"So weiß ich nicht was man daraus zu ziehn verlangt;
"Er wohnt ja bey dem Thron seit etlich hundert Jahren;
"Ob ihm gleich manches Mahl die Wetter schrecklich waren.
405 Jezt
Thereſiade
„Das magere Geſicht; die Demuths-volle Mien;
„Der Augen Froͤmmigkeit; das kraus-behaarte Kinn;
„Der kurze graue Belz, der an den Achſeln hienge,
„Erklaͤrten meinem Sinn, ich weiß nicht, was vor Dinge.
385„Noch mehr: als er vor mir ſich unverſehns verlohr;
„Da kam ſein Weſen mir als wie verhimmelt vor:
„Jch wollte mich von ihm, er ſich von mir entfernen,
„So blendte mich ein Schein von fuͤnf erleuchten Sternen.
Hier ſchwieg die Froͤmmigkeit; ſo ſchien die Koͤniginn
390Als laͤg ihr dieſer Schein beſonders in dem Sinn.
Gleich fieng ſie an das Herz, die Regung zu erwecken,
Und was ſie von dem Mann vermeine, zu entdecken.
„Jch weiß, verſezte ſie, wer es geweſen ſey;
„Dem iſt die ganze Burg und aller Zutritt frey.
395„Jch offenbare nicht, was mich dazu verbinde;
„Genug: der iſts, bey dem ich Troſt und Zuflucht finde.
„So viel ich Rath und Hilff von euch allhier geborgt,
„So viel hat er fuͤr mich durch Bitten dort geſorgt.
„Dem kann ich nicht genug Verehrungen erſtatten;
400„Mein Seegen, Heil und Wohl ſeynd ſeine Wunderthaten.
„Was aber dieſen Flug, den Adler-Flug belangt,
„So weiß ich nicht was man daraus zu ziehn verlangt;
„Er wohnt ja bey dem Thron ſeit etlich hundert Jahren;
„Ob ihm gleich manches Mahl die Wetter ſchrecklich waren.
405 Jezt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0134"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw><lb/>
            <l>&#x201E;Das magere Ge&#x017F;icht; die Demuths-volle Mien;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Der Augen Fro&#x0364;mmigkeit; das kraus-behaarte Kinn;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Der kurze graue Belz, der an den Ach&#x017F;eln hienge,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Erkla&#x0364;rten meinem Sinn, ich weiß nicht, was vor Dinge.</l><lb/>
            <l><note place="left">385</note>&#x201E;Noch mehr: als er vor mir &#x017F;ich unver&#x017F;ehns verlohr;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Da kam &#x017F;ein We&#x017F;en mir als wie verhimmelt vor:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Jch wollte mich von ihm, er &#x017F;ich von mir entfernen,</l><lb/>
            <l>&#x201E;So blendte mich ein Schein von fu&#x0364;nf erleuchten Sternen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Hier &#x017F;chwieg die Fro&#x0364;mmigkeit; &#x017F;o &#x017F;chien die Ko&#x0364;niginn</l><lb/>
            <l><note place="left">390</note>Als la&#x0364;g ihr die&#x017F;er Schein be&#x017F;onders in dem Sinn.</l><lb/>
            <l>Gleich fieng &#x017F;ie an das Herz, die Regung zu erwecken,</l><lb/>
            <l>Und was &#x017F;ie von dem Mann vermeine, zu entdecken.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;Jch weiß, ver&#x017F;ezte &#x017F;ie, wer es gewe&#x017F;en &#x017F;ey;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Dem i&#x017F;t die ganze Burg und aller Zutritt frey.</l><lb/>
            <l><note place="left">395</note>&#x201E;Jch offenbare nicht, was mich dazu verbinde;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Genug: der i&#x017F;ts, bey dem ich Tro&#x017F;t und Zuflucht finde.</l><lb/>
            <l>&#x201E;So viel ich Rath und Hilff von euch allhier geborgt,</l><lb/>
            <l>&#x201E;So viel hat er fu&#x0364;r mich durch Bitten dort ge&#x017F;orgt.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Dem kann ich nicht genug Verehrungen er&#x017F;tatten;</l><lb/>
            <l><note place="left">400</note>&#x201E;Mein Seegen, Heil und Wohl &#x017F;eynd &#x017F;eine Wunderthaten.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;Was aber die&#x017F;en Flug, den Adler-Flug belangt,</l><lb/>
            <l>&#x201E;So weiß ich nicht was man daraus zu ziehn verlangt;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Er wohnt ja bey dem Thron &#x017F;eit etlich hundert Jahren;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Ob ihm gleich manches Mahl die Wetter &#x017F;chrecklich waren.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">405 Jezt</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0134] Thereſiade „Das magere Geſicht; die Demuths-volle Mien; „Der Augen Froͤmmigkeit; das kraus-behaarte Kinn; „Der kurze graue Belz, der an den Achſeln hienge, „Erklaͤrten meinem Sinn, ich weiß nicht, was vor Dinge. „Noch mehr: als er vor mir ſich unverſehns verlohr; „Da kam ſein Weſen mir als wie verhimmelt vor: „Jch wollte mich von ihm, er ſich von mir entfernen, „So blendte mich ein Schein von fuͤnf erleuchten Sternen. Hier ſchwieg die Froͤmmigkeit; ſo ſchien die Koͤniginn Als laͤg ihr dieſer Schein beſonders in dem Sinn. Gleich fieng ſie an das Herz, die Regung zu erwecken, Und was ſie von dem Mann vermeine, zu entdecken. „Jch weiß, verſezte ſie, wer es geweſen ſey; „Dem iſt die ganze Burg und aller Zutritt frey. „Jch offenbare nicht, was mich dazu verbinde; „Genug: der iſts, bey dem ich Troſt und Zuflucht finde. „So viel ich Rath und Hilff von euch allhier geborgt, „So viel hat er fuͤr mich durch Bitten dort geſorgt. „Dem kann ich nicht genug Verehrungen erſtatten; „Mein Seegen, Heil und Wohl ſeynd ſeine Wunderthaten. „Was aber dieſen Flug, den Adler-Flug belangt, „So weiß ich nicht was man daraus zu ziehn verlangt; „Er wohnt ja bey dem Thron ſeit etlich hundert Jahren; „Ob ihm gleich manches Mahl die Wetter ſchrecklich waren. 405 Jezt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/134
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/134>, abgerufen am 24.11.2024.