Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Theresiade
Man wußt nicht was es sey, biß endlich eine Thür
Alldort sich öffnete; mithin erfuhren wir
Warum man sich erregt'. Es kamen zwey Personen,
Vielleicht, wie gleich geschah, dem Kreise beyzuwohnen.
205Dadurch fiel einigen die Meinung in den Sinn:
Es komme selber auch vielleicht die Königinn;
Man habe schon gehört derselben Stimme klingen;
Die Beyden werden uns gewiß die Nachricht bringen.
Jnzwischen nahte sich ein Ehren-werther Mann,
210Der Zweifel, der den Saal verließ, war sein Gespan.
Er kam mit Langsamkeit und mit bedachtem Schritte;
Kaum war er bey dem Kreiß, auch fast in dessen Mitte,
So ward des ganzen Saals Verwunderung erweckt,
Dann keine Tugend wußt was in der Ankunft steckt.
215Er neigte sich und gieng zum Thron, blieb an den Treppen;
Jm Gehn schwung er das Kleid, um es nicht nachzuschleppen,
Bequemlich um den Leib. Es hieng vor seiner Brust
Ein schimmernd goldnes Herz; so war uns fast bewußt,
Wer dieser Alte sey. Er wies gelassne Güte;
220Der sittsame Betrag entdeckte sein Gemüthe.
Jch hatte nach und nach Zufriedenheit gespührt,
Mit welcher dieser Greiß den ganzen Saal gerührt.
Auf einmahl ward es still; indem er angefangen
Den Kreiß in Freundlichkeit und Zärte zu belangen:
225 Wa-
Thereſiade
Man wußt nicht was es ſey, biß endlich eine Thuͤr
Alldort ſich oͤffnete; mithin erfuhren wir
Warum man ſich erregt’. Es kamen zwey Perſonen,
Vielleicht, wie gleich geſchah, dem Kreiſe beyzuwohnen.
205Dadurch fiel einigen die Meinung in den Sinn:
Es komme ſelber auch vielleicht die Koͤniginn;
Man habe ſchon gehoͤrt derſelben Stimme klingen;
Die Beyden werden uns gewiß die Nachricht bringen.
Jnzwiſchen nahte ſich ein Ehren-werther Mann,
210Der Zweifel, der den Saal verließ, war ſein Geſpan.
Er kam mit Langſamkeit und mit bedachtem Schritte;
Kaum war er bey dem Kreiß, auch faſt in deſſen Mitte,
So ward des ganzen Saals Verwunderung erweckt,
Dann keine Tugend wußt was in der Ankunft ſteckt.
215Er neigte ſich und gieng zum Thron, blieb an den Treppen;
Jm Gehn ſchwung er das Kleid, um es nicht nachzuſchleppen,
Bequemlich um den Leib. Es hieng vor ſeiner Bruſt
Ein ſchimmernd goldnes Herz; ſo war uns faſt bewußt,
Wer dieſer Alte ſey. Er wies gelaſſne Guͤte;
220Der ſittſame Betrag entdeckte ſein Gemuͤthe.
Jch hatte nach und nach Zufriedenheit geſpuͤhrt,
Mit welcher dieſer Greiß den ganzen Saal geruͤhrt.
Auf einmahl ward es ſtill; indem er angefangen
Den Kreiß in Freundlichkeit und Zaͤrte zu belangen:
225 Wa-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0012"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw><lb/>
            <l>Man wußt nicht was es &#x017F;ey, biß endlich eine Thu&#x0364;r</l><lb/>
            <l>Alldort &#x017F;ich o&#x0364;ffnete; mithin erfuhren wir</l><lb/>
            <l>Warum man &#x017F;ich erregt&#x2019;. Es kamen zwey Per&#x017F;onen,</l><lb/>
            <l>Vielleicht, wie gleich ge&#x017F;chah, dem Krei&#x017F;e beyzuwohnen.</l><lb/>
            <l><note place="left">205</note>Dadurch fiel einigen die Meinung in den Sinn:</l><lb/>
            <l>Es komme &#x017F;elber auch vielleicht die Ko&#x0364;niginn;</l><lb/>
            <l>Man habe &#x017F;chon geho&#x0364;rt der&#x017F;elben Stimme klingen;</l><lb/>
            <l>Die Beyden werden uns gewiß die Nachricht bringen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Jnzwi&#x017F;chen nahte &#x017F;ich ein Ehren-werther Mann,</l><lb/>
            <l><note place="left">210</note>Der Zweifel, der den Saal verließ, war &#x017F;ein Ge&#x017F;pan.</l><lb/>
            <l>Er kam mit Lang&#x017F;amkeit und mit bedachtem Schritte;</l><lb/>
            <l>Kaum war er bey dem Kreiß, auch fa&#x017F;t in de&#x017F;&#x017F;en Mitte,</l><lb/>
            <l>So ward des ganzen Saals Verwunderung erweckt,</l><lb/>
            <l>Dann keine Tugend wußt was in der Ankunft &#x017F;teckt.</l><lb/>
            <l><note place="left">215</note>Er neigte &#x017F;ich und gieng zum Thron, blieb an den Treppen;</l><lb/>
            <l>Jm Gehn &#x017F;chwung er das Kleid, um es nicht nachzu&#x017F;chleppen,</l><lb/>
            <l>Bequemlich um den Leib. Es hieng vor &#x017F;einer Bru&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Ein &#x017F;chimmernd goldnes Herz; &#x017F;o war uns fa&#x017F;t bewußt,</l><lb/>
            <l>Wer die&#x017F;er Alte &#x017F;ey. Er wies gela&#x017F;&#x017F;ne Gu&#x0364;te;</l><lb/>
            <l><note place="left">220</note>Der &#x017F;itt&#x017F;ame Betrag entdeckte &#x017F;ein Gemu&#x0364;the.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Jch hatte nach und nach Zufriedenheit ge&#x017F;pu&#x0364;hrt,</l><lb/>
            <l>Mit welcher die&#x017F;er Greiß den ganzen Saal geru&#x0364;hrt.</l><lb/>
            <l>Auf einmahl ward es &#x017F;till; indem er angefangen</l><lb/>
            <l>Den Kreiß in Freundlichkeit und Za&#x0364;rte zu belangen:</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">225 Wa-</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0012] Thereſiade Man wußt nicht was es ſey, biß endlich eine Thuͤr Alldort ſich oͤffnete; mithin erfuhren wir Warum man ſich erregt’. Es kamen zwey Perſonen, Vielleicht, wie gleich geſchah, dem Kreiſe beyzuwohnen. Dadurch fiel einigen die Meinung in den Sinn: Es komme ſelber auch vielleicht die Koͤniginn; Man habe ſchon gehoͤrt derſelben Stimme klingen; Die Beyden werden uns gewiß die Nachricht bringen. Jnzwiſchen nahte ſich ein Ehren-werther Mann, Der Zweifel, der den Saal verließ, war ſein Geſpan. Er kam mit Langſamkeit und mit bedachtem Schritte; Kaum war er bey dem Kreiß, auch faſt in deſſen Mitte, So ward des ganzen Saals Verwunderung erweckt, Dann keine Tugend wußt was in der Ankunft ſteckt. Er neigte ſich und gieng zum Thron, blieb an den Treppen; Jm Gehn ſchwung er das Kleid, um es nicht nachzuſchleppen, Bequemlich um den Leib. Es hieng vor ſeiner Bruſt Ein ſchimmernd goldnes Herz; ſo war uns faſt bewußt, Wer dieſer Alte ſey. Er wies gelaſſne Guͤte; Der ſittſame Betrag entdeckte ſein Gemuͤthe. Jch hatte nach und nach Zufriedenheit geſpuͤhrt, Mit welcher dieſer Greiß den ganzen Saal geruͤhrt. Auf einmahl ward es ſtill; indem er angefangen Den Kreiß in Freundlichkeit und Zaͤrte zu belangen: 225 Wa-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/12
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/12>, abgerufen am 24.11.2024.