Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Zehndes Buch.
"So starck der Feinde Macht, so groß war eure Treu;
270"So sagt! was euch zum Lohn das angenehmste sey.
"Selbst die Verwunderung der Welt kann Zeugnis geben,
"Daß eure Kräfte nur nach meiner Wohlfart streben.
"Jhr stimmt zwar über eins, und sagt mir insgesamt:
"Jch herrsche; dieß sey mein, das Rathen euer Amt.
275"Dieß ists, weßwegen ich bin in den Saal gekommen,
"Weßwegen ich der Frag Entscheidung vorgenommen.
"Wie konnt' ich sonder euch den Feinden wiederstehn?
"Es mußten Kron und Thron und Zepter untergehn.
"Der Gegner war am Thor; was konnt' ich da befehlen?
280"Was hatt ich sonder euch zu lassen und zu wählen?
"Die Rettung gründte sich in nichts, als in dem Rath
"Den jede Tugend mir damahls gegeben hat.
"Durch euch hab ich des Feinds Maß-nehmungen zernichtet;
"Mithin seyd ihr nicht mir, nein: ich bin euch verpflichtet.
285
Nachdem sie dieses sprach, und hier zu schliessen schien,
So sah man ihren Blick nach beiden Seiten ziehn;
Als hörte sie, was ihr der Tugenden Gemüthe
Auch etwa selbst der Thron bey dieser Frage riethe.
Man stellte sich nicht vor, waß ihr Beginnen sey;
290Biß endlich sie den Plaz der zarten Kinder Reih,
Absonderlich das Paar der theuren Söhne wiese,
Und sagte: "Tugenden! werfft euern Blick auf diese,
"Auf
O o 3
Zehndes Buch.
„So ſtarck der Feinde Macht, ſo groß war eure Treu;
270„So ſagt! was euch zum Lohn das angenehmſte ſey.
„Selbſt die Verwunderung der Welt kann Zeugnis geben,
„Daß eure Kraͤfte nur nach meiner Wohlfart ſtreben.
„Jhr ſtimmt zwar uͤber eins, und ſagt mir insgeſamt:
„Jch herꝛſche; dieß ſey mein, das Rathen euer Amt.
275„Dieß iſts, weßwegen ich bin in den Saal gekommen,
„Weßwegen ich der Frag Entſcheidung vorgenommen.
„Wie konnt’ ich ſonder euch den Feinden wiederſtehn?
„Es mußten Kron und Thron und Zepter untergehn.
„Der Gegner war am Thor; was konnt’ ich da befehlen?
280„Was hatt ich ſonder euch zu laſſen und zu waͤhlen?
„Die Rettung gruͤndte ſich in nichts, als in dem Rath
„Den jede Tugend mir damahls gegeben hat.
„Durch euch hab ich des Feinds Maß-nehmungen zernichtet;
„Mithin ſeyd ihr nicht mir, nein: ich bin euch verpflichtet.
285
Nachdem ſie dieſes ſprach, und hier zu ſchlieſſen ſchien,
So ſah man ihren Blick nach beiden Seiten ziehn;
Als hoͤrte ſie, was ihr der Tugenden Gemuͤthe
Auch etwa ſelbſt der Thron bey dieſer Frage riethe.
Man ſtellte ſich nicht vor, waß ihr Beginnen ſey;
290Biß endlich ſie den Plaz der zarten Kinder Reih,
Abſonderlich das Paar der theuren Soͤhne wieſe,
Und ſagte: „Tugenden! werfft euern Blick auf dieſe,
„Auf
O o 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0103"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zehndes Buch.</hi> </fw><lb/>
            <l>&#x201E;So &#x017F;tarck der Feinde Macht, &#x017F;o groß war eure Treu;</l><lb/>
            <l><note place="left">270</note>&#x201E;So &#x017F;agt! was euch zum Lohn das angenehm&#x017F;te &#x017F;ey.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Selb&#x017F;t die Verwunderung der Welt kann Zeugnis geben,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Daß eure Kra&#x0364;fte nur nach meiner Wohlfart &#x017F;treben.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;Jhr &#x017F;timmt zwar u&#x0364;ber eins, und &#x017F;agt mir insge&#x017F;amt:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Jch her&#xA75B;&#x017F;che; dieß &#x017F;ey mein, das Rathen euer Amt.</l><lb/>
            <l><note place="left">275</note>&#x201E;Dieß i&#x017F;ts, weßwegen ich bin in den Saal gekommen,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Weßwegen ich der Frag Ent&#x017F;cheidung vorgenommen.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Wie konnt&#x2019; ich &#x017F;onder euch den Feinden wieder&#x017F;tehn?</l><lb/>
            <l>&#x201E;Es mußten Kron und Thron und Zepter untergehn.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Der Gegner war am Thor; was konnt&#x2019; ich da befehlen?</l><lb/>
            <l><note place="left">280</note>&#x201E;Was hatt ich &#x017F;onder euch zu la&#x017F;&#x017F;en und zu wa&#x0364;hlen?</l><lb/>
            <l>&#x201E;Die Rettung gru&#x0364;ndte &#x017F;ich in nichts, als in dem Rath</l><lb/>
            <l>&#x201E;Den jede Tugend mir damahls gegeben hat.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Durch euch hab ich des Feinds Maß-nehmungen zernichtet;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Mithin &#x017F;eyd ihr nicht mir, nein: ich bin euch verpflichtet.</l>
          </lg><lb/>
          <note place="left">285</note>
          <lg type="poem">
            <l>Nachdem &#x017F;ie die&#x017F;es &#x017F;prach, und hier zu &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chien,</l><lb/>
            <l>So &#x017F;ah man ihren Blick nach beiden Seiten ziehn;</l><lb/>
            <l>Als ho&#x0364;rte &#x017F;ie, was ihr der Tugenden Gemu&#x0364;the</l><lb/>
            <l>Auch etwa &#x017F;elb&#x017F;t der Thron bey die&#x017F;er Frage riethe.</l><lb/>
            <l>Man &#x017F;tellte &#x017F;ich nicht vor, waß ihr Beginnen &#x017F;ey;</l><lb/>
            <l><note place="left">290</note>Biß endlich &#x017F;ie den Plaz der zarten Kinder Reih,</l><lb/>
            <l>Ab&#x017F;onderlich das Paar der theuren So&#x0364;hne wie&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;agte: &#x201E;Tugenden! werfft euern Blick auf die&#x017F;e,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">O o 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Auf</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0103] Zehndes Buch. „So ſtarck der Feinde Macht, ſo groß war eure Treu; „So ſagt! was euch zum Lohn das angenehmſte ſey. „Selbſt die Verwunderung der Welt kann Zeugnis geben, „Daß eure Kraͤfte nur nach meiner Wohlfart ſtreben. „Jhr ſtimmt zwar uͤber eins, und ſagt mir insgeſamt: „Jch herꝛſche; dieß ſey mein, das Rathen euer Amt. „Dieß iſts, weßwegen ich bin in den Saal gekommen, „Weßwegen ich der Frag Entſcheidung vorgenommen. „Wie konnt’ ich ſonder euch den Feinden wiederſtehn? „Es mußten Kron und Thron und Zepter untergehn. „Der Gegner war am Thor; was konnt’ ich da befehlen? „Was hatt ich ſonder euch zu laſſen und zu waͤhlen? „Die Rettung gruͤndte ſich in nichts, als in dem Rath „Den jede Tugend mir damahls gegeben hat. „Durch euch hab ich des Feinds Maß-nehmungen zernichtet; „Mithin ſeyd ihr nicht mir, nein: ich bin euch verpflichtet. Nachdem ſie dieſes ſprach, und hier zu ſchlieſſen ſchien, So ſah man ihren Blick nach beiden Seiten ziehn; Als hoͤrte ſie, was ihr der Tugenden Gemuͤthe Auch etwa ſelbſt der Thron bey dieſer Frage riethe. Man ſtellte ſich nicht vor, waß ihr Beginnen ſey; Biß endlich ſie den Plaz der zarten Kinder Reih, Abſonderlich das Paar der theuren Soͤhne wieſe, Und ſagte: „Tugenden! werfft euern Blick auf dieſe, „Auf O o 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/103
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/103>, abgerufen am 24.11.2024.