Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweytes Buch.
Nachdem auch jedes Aug im Saal und in dem Kreiß,
Auf ihn gerichtet war, sprach er auf diese Weiß:
"Freundinnen! euch ist ja der Vorsatz unverborgen,
85"Mit dem wir diese Nacht zur Absicht unsrer Sorgen
"Gemeinsam auserwählt? Jndem er also sprach,
Warf er den Augenwinck fast allen Reihen nach,
Blieb still, wie wann er sich erst noch besinnen wollte,
Was ihm zu reden wär; ob er nicht schweigen sollte:
90Doch fuhr er endlich fort: "Ja schreiten wir zum Werck!
"Die grosse Königinn ist unser Augenmerck;
"Jhr Wort ist unser Schluß und unser Spruch ihr Wollen,
"Was sie befielt, das ist, was wir ihr rathen sollen:
"Wir folgen ihr, sie uns; sie stimmt in allem ein,
95"Was je von uns für sie mag ausgesonnen seyn.
"Man weiß, was sie durch uns, und wir durch sie vollzogen;
"Es ist mit ihrem Ruhm die Welt schon durchgeflogen.

Hier regte sich die Frau, so dort mit uns geschwebt,
Und sprach: "Ja zweifelt nicht! Was auf der Erde lebt
100"Jst von derselben Ruhm und Grösse so belehret,
"Daß auch die Mißgunst sie, doch heimlich zürnend, ehret.
"So lang ich flieg' hab ich die Mühe nicht gehabt
"Als seit der Himmel sie mit Kronen hat begabt.
"So", fuhr der Jüngling fort, So wirst du mir gestehen,
105"Daß es die gantze Welt gehöret und gesehen?
"Man
G

Zweytes Buch.
Nachdem auch jedes Aug im Saal und in dem Kreiß,
Auf ihn gerichtet war, ſprach er auf dieſe Weiß:
„Freundinnen! euch iſt ja der Vorſatz unverborgen,
85„Mit dem wir dieſe Nacht zur Abſicht unſrer Sorgen
„Gemeinſam auserwaͤhlt? Jndem er alſo ſprach,
Warf er den Augenwinck faſt allen Reihen nach,
Blieb ſtill, wie wann er ſich erſt noch beſinnen wollte,
Was ihm zu reden waͤr; ob er nicht ſchweigen ſollte:
90Doch fuhr er endlich fort: „Ja ſchreiten wir zum Werck!
„Die groſſe Koͤniginn iſt unſer Augenmerck;
„Jhr Wort iſt unſer Schluß und unſer Spruch ihr Wollen,
„Was ſie befielt, das iſt, was wir ihr rathen ſollen:
„Wir folgen ihr, ſie uns; ſie ſtimmt in allem ein,
95„Was je von uns fuͤr ſie mag ausgeſonnen ſeyn.
„Man weiß, was ſie durch uns, und wir durch ſie vollzogen;
„Es iſt mit ihrem Ruhm die Welt ſchon durchgeflogen.

Hier regte ſich die Frau, ſo dort mit uns geſchwebt,
Und ſprach: „Ja zweifelt nicht! Was auf der Erde lebt
100„Jſt von derſelben Ruhm und Groͤſſe ſo belehret,
„Daß auch die Mißgunſt ſie, doch heimlich zuͤrnend, ehret.
„So lang ich flieg’ hab ich die Muͤhe nicht gehabt
„Als ſeit der Himmel ſie mit Kronen hat begabt.
„So„, fuhr der Juͤngling fort, So wirſt du mir geſtehen,
105„Daß es die gantze Welt gehoͤret und geſehen?
„Man
G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg>
              <pb facs="#f0056"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweytes Buch.</hi> </fw><lb/>
              <l>Nachdem auch jedes Aug im Saal und in dem Kreiß,</l><lb/>
              <l>Auf ihn gerichtet war, &#x017F;prach er auf die&#x017F;e Weiß:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Freundinnen! euch i&#x017F;t ja der Vor&#x017F;atz unverborgen,</l><lb/>
              <l><note place="left">85</note>&#x201E;Mit dem wir die&#x017F;e Nacht zur Ab&#x017F;icht un&#x017F;rer Sorgen</l><lb/>
              <l>&#x201E;Gemein&#x017F;am auserwa&#x0364;hlt? Jndem er al&#x017F;o &#x017F;prach,</l><lb/>
              <l>Warf er den Augenwinck fa&#x017F;t allen Reihen nach,</l><lb/>
              <l>Blieb &#x017F;till, wie wann er &#x017F;ich er&#x017F;t noch be&#x017F;innen wollte,</l><lb/>
              <l>Was ihm zu reden wa&#x0364;r; ob er nicht &#x017F;chweigen &#x017F;ollte:</l><lb/>
              <l><note place="left">90</note>Doch fuhr er endlich fort: &#x201E;Ja &#x017F;chreiten wir zum Werck!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Die gro&#x017F;&#x017F;e Ko&#x0364;niginn i&#x017F;t un&#x017F;er Augenmerck;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Jhr Wort i&#x017F;t un&#x017F;er Schluß und un&#x017F;er Spruch ihr Wollen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Was &#x017F;ie befielt, das i&#x017F;t, was wir ihr rathen &#x017F;ollen:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wir folgen ihr, &#x017F;ie uns; &#x017F;ie &#x017F;timmt in allem ein,</l><lb/>
              <l><note place="left">95</note>&#x201E;Was je von uns fu&#x0364;r &#x017F;ie mag ausge&#x017F;onnen &#x017F;eyn.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Man weiß, was &#x017F;ie durch uns, und wir durch &#x017F;ie vollzogen;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Es i&#x017F;t mit ihrem Ruhm die Welt &#x017F;chon durchgeflogen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Hier regte &#x017F;ich die Frau, &#x017F;o dort mit uns ge&#x017F;chwebt,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;prach: &#x201E;Ja zweifelt nicht! Was auf der Erde lebt</l><lb/>
              <l><note place="left">100</note>&#x201E;J&#x017F;t von der&#x017F;elben Ruhm und Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;o belehret,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Daß auch die Mißgun&#x017F;t &#x017F;ie, doch heimlich zu&#x0364;rnend, ehret.</l><lb/>
              <l>&#x201E;So lang ich flieg&#x2019; hab ich die Mu&#x0364;he nicht gehabt</l><lb/>
              <l>&#x201E;Als &#x017F;eit der Himmel &#x017F;ie mit Kronen hat begabt.</l><lb/>
              <l>&#x201E;So&#x201E;, fuhr der Ju&#x0364;ngling fort, So wir&#x017F;t du mir ge&#x017F;tehen,</l><lb/>
              <l><note place="left">105</note>&#x201E;Daß es die gantze Welt geho&#x0364;ret und ge&#x017F;ehen?</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">G</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Man</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0056] Zweytes Buch. Nachdem auch jedes Aug im Saal und in dem Kreiß, Auf ihn gerichtet war, ſprach er auf dieſe Weiß: „Freundinnen! euch iſt ja der Vorſatz unverborgen, „Mit dem wir dieſe Nacht zur Abſicht unſrer Sorgen „Gemeinſam auserwaͤhlt? Jndem er alſo ſprach, Warf er den Augenwinck faſt allen Reihen nach, Blieb ſtill, wie wann er ſich erſt noch beſinnen wollte, Was ihm zu reden waͤr; ob er nicht ſchweigen ſollte: Doch fuhr er endlich fort: „Ja ſchreiten wir zum Werck! „Die groſſe Koͤniginn iſt unſer Augenmerck; „Jhr Wort iſt unſer Schluß und unſer Spruch ihr Wollen, „Was ſie befielt, das iſt, was wir ihr rathen ſollen: „Wir folgen ihr, ſie uns; ſie ſtimmt in allem ein, „Was je von uns fuͤr ſie mag ausgeſonnen ſeyn. „Man weiß, was ſie durch uns, und wir durch ſie vollzogen; „Es iſt mit ihrem Ruhm die Welt ſchon durchgeflogen. Hier regte ſich die Frau, ſo dort mit uns geſchwebt, Und ſprach: „Ja zweifelt nicht! Was auf der Erde lebt „Jſt von derſelben Ruhm und Groͤſſe ſo belehret, „Daß auch die Mißgunſt ſie, doch heimlich zuͤrnend, ehret. „So lang ich flieg’ hab ich die Muͤhe nicht gehabt „Als ſeit der Himmel ſie mit Kronen hat begabt. „So„, fuhr der Juͤngling fort, So wirſt du mir geſtehen, „Daß es die gantze Welt gehoͤret und geſehen? „Man G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/56
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/56>, abgerufen am 22.11.2024.