Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.
"O zarte Leidenschafft! sie war so sehr gerührt, "Daß sich darüber fast das Ritter-Spiel verwirrt. "Das Weinen hieß nicht viel; doch war ihr Herz getroffen; "Wie konnte meine Macht hier was zu wircken hoffen? 585"Was? fiel mir ein, so gar in einem Ritter-Spiel "Erreicht Barmherzigkeit das ihr beliebte Ziel? "Wann ihre Majestät in solchem Staat begriffen, "Kann eines Kinds Geschrey sich in ihr Herz vertieffen? "So muß der Tugend Macht unüberwindlich seyn, 590"Hier gibt sie dessen uns wahrhaften Augenschein. "So schliesset nun, wer sich mit mir vergleichen könne; "Ob man nicht billig mich des Frieses würdig nenne. Thalia fieng hier an "Barmherzigkeit, Geduld "Und Sanftmuth eines Haupts seynd in des Himmels Huld; 595"Der läßt sich nicht durch Muth und Tapferkeit bewegen, "Fast keine Tugend hat das treffliche Vermögen. 578. "Er- 578. [Spaltenumbruch]
Dieser Zufall begab sich bey
der Tags vorhero mit grosser Pracht [Spaltenumbruch] gehaltenen Haupt-Probe dieses Rit- terspiels.
„O zarte Leidenſchafft! ſie war ſo ſehr geruͤhrt, „Daß ſich daruͤber faſt das Ritter-Spiel verwirꝛt. „Das Weinen hieß nicht viel; doch war ihr Herz getroffen; „Wie konnte meine Macht hier was zu wircken hoffen? 585„Was? fiel mir ein, ſo gar in einem Ritter-Spiel „Erreicht Barmherzigkeit das ihr beliebte Ziel? „Wann ihre Majeſtaͤt in ſolchem Staat begriffen, „Kann eines Kinds Geſchrey ſich in ihr Herz vertieffen? „So muß der Tugend Macht unuͤberwindlich ſeyn, 590„Hier gibt ſie deſſen uns wahrhaften Augenſchein. „So ſchlieſſet nun, wer ſich mit mir vergleichen koͤnne; „Ob man nicht billig mich des Frieſes wuͤrdig nenne. Thalia fieng hier an „Barmherzigkeit, Geduld „Und Sanftmuth eines Haupts ſeynd in des Himmels Huld; 595„Der laͤßt ſich nicht durch Muth und Tapferkeit bewegen, „Faſt keine Tugend hat das treffliche Vermoͤgen. 578. „Er- 578. [Spaltenumbruch]
Dieſer Zufall begab ſich bey
der Tags vorhero mit groſſer Pracht [Spaltenumbruch] gehaltenen Haupt-Probe dieſes Rit- terſpiels. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg> <l><pb facs="#f0173"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Thereſiade</hi></fw><lb/><note place="left">575</note>„Zum Zeichen des Triumpfs ihn aufgeſpißt getragen,</l><lb/> <l>„Als zeigte ſie, wie man ſich ſoll zum kaͤmpfen wagen.</l><lb/> <l>„Sie ſprengte noch herum und wies den Ritter-Preiß,</l><lb/> <l>„Sieh da! ſo ſchreyt ein Kind: gleich ritt ſie von dem Kreiß,</l><lb/> <l>„Warff dieſen Kopf hinweg, und ſorgte nicht um Ehren,<lb/><note place="left">580</note>„Nur um das arme Kind und um deſſelben Zaͤhren.</l> </lg><lb/> <lg> <l>„O zarte Leidenſchafft! ſie war ſo ſehr geruͤhrt,</l><lb/> <l>„Daß ſich daruͤber faſt das Ritter-Spiel verwirꝛt.</l><lb/> <l>„Das Weinen hieß nicht viel; doch war ihr Herz getroffen;</l><lb/> <l>„Wie konnte meine Macht hier was zu wircken hoffen?<lb/><note place="left">585</note>„Was? fiel mir ein, ſo gar in einem Ritter-Spiel</l><lb/> <l>„Erreicht Barmherzigkeit das ihr beliebte Ziel?</l><lb/> <l>„Wann ihre Majeſtaͤt in ſolchem Staat begriffen,</l><lb/> <l>„Kann eines Kinds Geſchrey ſich in ihr Herz vertieffen?</l><lb/> <l>„So muß der Tugend Macht unuͤberwindlich ſeyn,<lb/><note place="left">590</note>„Hier gibt ſie deſſen uns wahrhaften Augenſchein.</l><lb/> <l>„So ſchlieſſet nun, wer ſich mit mir vergleichen koͤnne;</l><lb/> <l>„Ob man nicht billig mich des Frieſes wuͤrdig nenne.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Thalia fieng hier an „Barmherzigkeit, Geduld</l><lb/> <l>„Und Sanftmuth eines Haupts ſeynd in des Himmels Huld;<lb/><note place="left">595</note>„Der laͤßt ſich nicht durch Muth und Tapferkeit bewegen,</l><lb/> <l>„Faſt keine Tugend hat das treffliche Vermoͤgen.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">„Er-</fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><note place="foot" n="578."><cb/> Dieſer Zufall begab ſich bey<lb/> der Tags vorhero mit groſſer Pracht<lb/><cb/> gehaltenen Haupt-Probe dieſes Rit-<lb/> terſpiels.</note><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0173]
Thereſiade
„Zum Zeichen des Triumpfs ihn aufgeſpißt getragen,
„Als zeigte ſie, wie man ſich ſoll zum kaͤmpfen wagen.
„Sie ſprengte noch herum und wies den Ritter-Preiß,
„Sieh da! ſo ſchreyt ein Kind: gleich ritt ſie von dem Kreiß,
„Warff dieſen Kopf hinweg, und ſorgte nicht um Ehren,
„Nur um das arme Kind und um deſſelben Zaͤhren.
„O zarte Leidenſchafft! ſie war ſo ſehr geruͤhrt,
„Daß ſich daruͤber faſt das Ritter-Spiel verwirꝛt.
„Das Weinen hieß nicht viel; doch war ihr Herz getroffen;
„Wie konnte meine Macht hier was zu wircken hoffen?
„Was? fiel mir ein, ſo gar in einem Ritter-Spiel
„Erreicht Barmherzigkeit das ihr beliebte Ziel?
„Wann ihre Majeſtaͤt in ſolchem Staat begriffen,
„Kann eines Kinds Geſchrey ſich in ihr Herz vertieffen?
„So muß der Tugend Macht unuͤberwindlich ſeyn,
„Hier gibt ſie deſſen uns wahrhaften Augenſchein.
„So ſchlieſſet nun, wer ſich mit mir vergleichen koͤnne;
„Ob man nicht billig mich des Frieſes wuͤrdig nenne.
Thalia fieng hier an „Barmherzigkeit, Geduld
„Und Sanftmuth eines Haupts ſeynd in des Himmels Huld;
„Der laͤßt ſich nicht durch Muth und Tapferkeit bewegen,
„Faſt keine Tugend hat das treffliche Vermoͤgen.
„Er-
578.
578.
Dieſer Zufall begab ſich bey
der Tags vorhero mit groſſer Pracht
gehaltenen Haupt-Probe dieſes Rit-
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Zitationshilfe: | Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/173>, abgerufen am 22.07.2024. |