Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Theresiade

"Als hören, wie man ihn mit goldnem Ruf gelockt?
250"Was hat dem tapfern Mann Ohr, Aug und Herz verstockt?

"Jst nicht Leutsäligkeit das Treibwerck solcher Sinnen;
"So weiß ich nicht, wie sie die Herzen kann gewinnen.

"So gar die Feinde seynd der Wirckung überzeugt;
"Auch ihnen ist bekannt, wie weit mein Wesen steigt;
255"Nachdem sie Schaaren-weis aus ihrem Heer entrissen

"Das Kriegs-Gewehr, von uns besieget, strecken müssen.
"Die Kriegs-Gefangenschaft, die sie dadurch verschuldt,
"Wird ihnen angenehm, sie leben in Geduld,
"Und andre sähnen sich, daß sie gefangen wären,
260"Auch selber anzusehn, was sie nur mußten hören.

"Die, welche Sorgen-frey, mit Gnaden überhäuft,
"Ja durch der Königinn mildreichen Schuz gesteift,
"Den sie mit Fried und Ruh, vom Unheil fern, geniessen,
"Bereden andre mehr, dergleichen zu beschliessen:
265"Was? sprechen sie, die Frau? ist sie der grosse Feind,

"Zu dessen Thrones Sturz wir angerucket seynd?
"Theresia? die Frau? die Welt und Himmel liebet?-
"Die war durch unser Heer, durch unser Schwert betrübet?
"Das, schreyen sie, das ist Verblendung, Ubermuth,
270"Wann unser Vorsaz nicht auf besserm Recht beruht!

"Es wundert ihr Gemüth, wie sich ihr Haupt vergangen,
"Von einer solchen Frau den Zepter zu verlangen.
"Die

Thereſiade

„Als hoͤren, wie man ihn mit goldnem Ruf gelockt?
250„Was hat dem tapfern Mann Ohr, Aug und Herz verſtockt?

„Jſt nicht Leutſaͤligkeit das Treibwerck ſolcher Sinnen;
„So weiß ich nicht, wie ſie die Herzen kann gewinnen.

„So gar die Feinde ſeynd der Wirckung uͤberzeugt;
„Auch ihnen iſt bekannt, wie weit mein Weſen ſteigt;
255„Nachdem ſie Schaaren-weis aus ihrem Heer entriſſen

„Das Kriegs-Gewehr, von uns beſieget, ſtrecken muͤſſen.
„Die Kriegs-Gefangenſchaft, die ſie dadurch verſchuldt,
„Wird ihnen angenehm, ſie leben in Geduld,
„Und andre ſaͤhnen ſich, daß ſie gefangen waͤren,
260„Auch ſelber anzuſehn, was ſie nur mußten hoͤren.

„Die, welche Sorgen-frey, mit Gnaden uͤberhaͤuft,
„Ja durch der Koͤniginn mildreichen Schuz geſteift,
„Den ſie mit Fried und Ruh, vom Unheil fern, genieſſen,
„Bereden andre mehr, dergleichen zu beſchlieſſen:
265„Was? ſprechen ſie, die Frau? iſt ſie der groſſe Feind,

„Zu deſſen Thrones Sturz wir angerucket ſeynd?
Thereſia? die Frau? die Welt und Himmel liebet?-
„Die war durch unſer Heer, durch unſer Schwert betruͤbet?
„Das, ſchreyen ſie, das iſt Verblendung, Ubermuth,
270„Wann unſer Vorſaz nicht auf beſſerm Recht beruht!

„Es wundert ihr Gemuͤth, wie ſich ihr Haupt vergangen,
„Von einer ſolchen Frau den Zepter zu verlangen.
„Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg>
              <l>
                <pb facs="#f0159"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>&#x201E;Als ho&#x0364;ren, wie man ihn mit goldnem Ruf gelockt?<lb/><note place="left">250</note>&#x201E;Was hat dem tapfern Mann Ohr, Aug und Herz ver&#x017F;tockt?</l><lb/>
              <l>&#x201E;J&#x017F;t nicht Leut&#x017F;a&#x0364;ligkeit das Treibwerck &#x017F;olcher Sinnen;</l><lb/>
              <l>&#x201E;So weiß ich nicht, wie &#x017F;ie die Herzen kann gewinnen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>&#x201E;So gar die Feinde &#x017F;eynd der Wirckung u&#x0364;berzeugt;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Auch ihnen i&#x017F;t bekannt, wie weit mein We&#x017F;en &#x017F;teigt;<lb/><note place="left">255</note>&#x201E;Nachdem &#x017F;ie Schaaren-weis aus ihrem Heer entri&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
              <l>&#x201E;Das Kriegs-Gewehr, von uns be&#x017F;ieget, &#x017F;trecken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Die Kriegs-Gefangen&#x017F;chaft, die &#x017F;ie dadurch ver&#x017F;chuldt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wird ihnen angenehm, &#x017F;ie leben in Geduld,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Und andre &#x017F;a&#x0364;hnen &#x017F;ich, daß &#x017F;ie gefangen wa&#x0364;ren,<lb/><note place="left">260</note>&#x201E;Auch &#x017F;elber anzu&#x017F;ehn, was &#x017F;ie nur mußten ho&#x0364;ren.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Die, welche Sorgen-frey, mit Gnaden u&#x0364;berha&#x0364;uft,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ja durch der Ko&#x0364;niginn mildreichen Schuz ge&#x017F;teift,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Den &#x017F;ie mit Fried und Ruh, vom Unheil fern, genie&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Bereden andre mehr, dergleichen zu be&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en:<lb/><note place="left">265</note>&#x201E;Was? &#x017F;prechen &#x017F;ie, die Frau? i&#x017F;t &#x017F;ie der gro&#x017F;&#x017F;e Feind,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Zu de&#x017F;&#x017F;en Thrones Sturz wir angerucket &#x017F;eynd?</l><lb/>
              <l>&#x201E;<hi rendition="#fr">There&#x017F;ia?</hi> die Frau? die Welt und Himmel liebet?-</l><lb/>
              <l>&#x201E;Die war durch un&#x017F;er Heer, durch un&#x017F;er Schwert betru&#x0364;bet?</l><lb/>
              <l>&#x201E;Das, &#x017F;chreyen &#x017F;ie, das i&#x017F;t Verblendung, Ubermuth,<lb/><note place="left">270</note>&#x201E;Wann un&#x017F;er Vor&#x017F;az nicht auf be&#x017F;&#x017F;erm Recht beruht!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Es wundert ihr Gemu&#x0364;th, wie &#x017F;ich ihr Haupt vergangen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Von einer &#x017F;olchen Frau den Zepter zu verlangen.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Die</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0159] Thereſiade „Als hoͤren, wie man ihn mit goldnem Ruf gelockt? „Was hat dem tapfern Mann Ohr, Aug und Herz verſtockt? „Jſt nicht Leutſaͤligkeit das Treibwerck ſolcher Sinnen; „So weiß ich nicht, wie ſie die Herzen kann gewinnen. „So gar die Feinde ſeynd der Wirckung uͤberzeugt; „Auch ihnen iſt bekannt, wie weit mein Weſen ſteigt; „Nachdem ſie Schaaren-weis aus ihrem Heer entriſſen „Das Kriegs-Gewehr, von uns beſieget, ſtrecken muͤſſen. „Die Kriegs-Gefangenſchaft, die ſie dadurch verſchuldt, „Wird ihnen angenehm, ſie leben in Geduld, „Und andre ſaͤhnen ſich, daß ſie gefangen waͤren, „Auch ſelber anzuſehn, was ſie nur mußten hoͤren. „Die, welche Sorgen-frey, mit Gnaden uͤberhaͤuft, „Ja durch der Koͤniginn mildreichen Schuz geſteift, „Den ſie mit Fried und Ruh, vom Unheil fern, genieſſen, „Bereden andre mehr, dergleichen zu beſchlieſſen: „Was? ſprechen ſie, die Frau? iſt ſie der groſſe Feind, „Zu deſſen Thrones Sturz wir angerucket ſeynd? „Thereſia? die Frau? die Welt und Himmel liebet?- „Die war durch unſer Heer, durch unſer Schwert betruͤbet? „Das, ſchreyen ſie, das iſt Verblendung, Ubermuth, „Wann unſer Vorſaz nicht auf beſſerm Recht beruht! „Es wundert ihr Gemuͤth, wie ſich ihr Haupt vergangen, „Von einer ſolchen Frau den Zepter zu verlangen. „Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/159
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/159>, abgerufen am 27.11.2024.