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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

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um den Mittag am strengsten wehet. Die Ursachen diser Begebenheit
fliessen auß gleicher Quelle/ welche oben Tom. I. pag. 26. ist aufgedecket
worden/ bey Anlas der Winden auf dem Wallenstatter-See/ namlich von
der Situation, so zwischen hohen Gebirgen eingeschlossen sich zeuhet von Mor-
gen gegen Abend. Es ist über diß hier/ da wir die Materi der Winden vor
uns haben/ etwas zu melden

Von der Fön/

weilen diser Mittagwind in der ebne von Altorff vor anderen Winden auß
seine Herrschaft außübet; Er blaset in diser Gegend sehr oft/ und bringet die
Baum- und andere Früchte geschwinder zur Zeitigung/ als in dem Lucerner-
Schweizer-Zuger- und Underwaldner Gebiet/ ohngeachtet dise von denen
hohen Gothardischen Schneegebirgen entfehrnter seyn/ als der Canton Uri/
und alle 5. Ohrt an einem See ligen. Ja es wehet allhier die Fön zu wei-
len mit solcher Ungestümme/ daß sich dannzumahl niemand darff auf den
See wagen/ und man in dem Flecken Altorff selbs auß Oberkeitlichem Be-
fehl mit dem Feuer/ welches zu kochung der Speisen sol angezündet werden/
sehr gewahrsamlich zu verfahren/ oder/ wo nicht die Nohtwendigkeit es erfor-
deret/ kein Feuer anzuzünden gewahrnet wird/ damit nicht durch entstehende
Brunst alles verzehret werde: wie die Einwohnere eine traurige Wirkung
dessen erfahren An. 1693. den 16. Aprel/ da 75. Häuser im Rauch aufgan-
gen. Wer die Situation obbenenter Länderen mit Philosophischen Augen
ansihet/ der wird sich nicht verwunderen/ wann die Mittagwinde in einem
kälteren Grad gespürt werden in denen vom Gotthard abgelegeneren Ohr-
ten/ als an dem Fuß desselben/ dann hier wehet die von der Höhe nidsich ge-
trukte/ folglich wärmere/ dort aber/ und durch die übrige Schweiz/ eine mehr
außgedehnte/ über diß auch mit vilen Schnee- und Eistheilchen beschwän-
gerte Fön.

Es kan diser mit den höchsten Alpgebirgen eingeschlossene kleine Winkel
des Schweizerlands/ welcher namlich in sich begreiffet den Urner-Boden/
samt dem Schächenthal/ und Reüßthal/ welches namlich sich der Reuß nach
in die Höhe erstreket bis auf den Gotthard/ mit Recht betitlet werden

Ein Pflanzstatt der Alten/ und neuen Schweizerischen
Dapferkeit.

Die alten Taurisci, oder/ wie sie jezt genennet werden/ Urner/ waren
die ersten unter den Gallieren/ welche zu den Zeiten der Römeren/ unter der
Regierung jenes grossen Helden/ und Schweizerbezwingers/ Julii Caesaris,
die übrigen Helvetier angereitzet/ daß sie mit ihnen über die Alpen in Jtalien
ziehen/ und dises herrliche Wein- und Fruchtvolle Land einnemmen solten.
Sie/ sage ich/ waren die ersten/ welche foecunditate Regionis pellecti, auß

sonder-

um den Mittag am ſtrengſten wehet. Die Urſachen diſer Begebenheit
flieſſen auß gleicher Quelle/ welche oben Tom. I. pag. 26. iſt aufgedecket
worden/ bey Anlas der Winden auf dem Wallenſtatter-See/ namlich von
der Situation, ſo zwiſchen hohen Gebirgen eingeſchloſſen ſich zeuhet von Mor-
gen gegen Abend. Es iſt uͤber diß hier/ da wir die Materi der Winden vor
uns haben/ etwas zu melden

Von der Foͤn/

weilen diſer Mittagwind in der ebne von Altorff vor anderen Winden auß
ſeine Herꝛſchaft außuͤbet; Er blaſet in diſer Gegend ſehr oft/ und bringet die
Baum- und andere Fruͤchte geſchwinder zur Zeitigung/ als in dem Lucerner-
Schweizer-Zuger- und Underwaldner Gebiet/ ohngeachtet diſe von denen
hohen Gothardiſchen Schneegebirgen entfehrnter ſeyn/ als der Canton Uri/
und alle 5. Ohrt an einem See ligen. Ja es wehet allhier die Foͤn zu wei-
len mit ſolcher Ungeſtuͤmme/ daß ſich dannzumahl niemand darff auf den
See wagen/ und man in dem Flecken Altorff ſelbs auß Oberkeitlichem Be-
fehl mit dem Feuer/ welches zu kochung der Speiſen ſol angezuͤndet werden/
ſehr gewahrſamlich zu verfahren/ oder/ wo nicht die Nohtwendigkeit es erfor-
deret/ kein Feuer anzuzuͤnden gewahrnet wird/ damit nicht durch entſtehende
Brunſt alles verzehret werde: wie die Einwohnere eine traurige Wirkung
deſſen erfahren An. 1693. den 16. Aprel/ da 75. Haͤuſer im Rauch aufgan-
gen. Wer die Situation obbenenter Laͤnderen mit Philoſophiſchen Augen
anſihet/ der wird ſich nicht verwunderen/ wann die Mittagwinde in einem
kaͤlteren Grad geſpuͤrt werden in denen vom Gotthard abgelegeneren Ohr-
ten/ als an dem Fuß deſſelben/ dann hier wehet die von der Hoͤhe nidſich ge-
trukte/ folglich waͤrmere/ dort aber/ und durch die uͤbrige Schweiz/ eine mehr
außgedehnte/ uͤber diß auch mit vilen Schnee- und Eistheilchen beſchwaͤn-
gerte Foͤn.

Es kan diſer mit den hoͤchſten Alpgebirgen eingeſchloſſene kleine Winkel
des Schweizerlands/ welcher namlich in ſich begreiffet den Urner-Boden/
ſamt dem Schaͤchenthal/ und Reüßthal/ welches namlich ſich der Reuß nach
in die Hoͤhe erſtreket bis auf den Gotthard/ mit Recht betitlet werden

Ein Pflanzſtatt der Alten/ und neuen Schweizeriſchen
Dapferkeit.

Die alten Tauriſci, oder/ wie ſie jezt genennet werden/ Urner/ waren
die erſten unter den Gallieren/ welche zu den Zeiten der Roͤmeren/ unter der
Regierung jenes groſſen Helden/ und Schweizerbezwingers/ Julii Cæſaris,
die uͤbrigen Helvetier angereitzet/ daß ſie mit ihnen uͤber die Alpen in Jtalien
ziehen/ und diſes herꝛliche Wein- und Fruchtvolle Land einnemmen ſolten.
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ſonder-
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[(38)[38]/0048] um den Mittag am ſtrengſten wehet. Die Urſachen diſer Begebenheit flieſſen auß gleicher Quelle/ welche oben Tom. I. pag. 26. iſt aufgedecket worden/ bey Anlas der Winden auf dem Wallenſtatter-See/ namlich von der Situation, ſo zwiſchen hohen Gebirgen eingeſchloſſen ſich zeuhet von Mor- gen gegen Abend. Es iſt uͤber diß hier/ da wir die Materi der Winden vor uns haben/ etwas zu melden Von der Foͤn/ weilen diſer Mittagwind in der ebne von Altorff vor anderen Winden auß ſeine Herꝛſchaft außuͤbet; Er blaſet in diſer Gegend ſehr oft/ und bringet die Baum- und andere Fruͤchte geſchwinder zur Zeitigung/ als in dem Lucerner- Schweizer-Zuger- und Underwaldner Gebiet/ ohngeachtet diſe von denen hohen Gothardiſchen Schneegebirgen entfehrnter ſeyn/ als der Canton Uri/ und alle 5. Ohrt an einem See ligen. Ja es wehet allhier die Foͤn zu wei- len mit ſolcher Ungeſtuͤmme/ daß ſich dannzumahl niemand darff auf den See wagen/ und man in dem Flecken Altorff ſelbs auß Oberkeitlichem Be- fehl mit dem Feuer/ welches zu kochung der Speiſen ſol angezuͤndet werden/ ſehr gewahrſamlich zu verfahren/ oder/ wo nicht die Nohtwendigkeit es erfor- deret/ kein Feuer anzuzuͤnden gewahrnet wird/ damit nicht durch entſtehende Brunſt alles verzehret werde: wie die Einwohnere eine traurige Wirkung deſſen erfahren An. 1693. den 16. Aprel/ da 75. Haͤuſer im Rauch aufgan- gen. Wer die Situation obbenenter Laͤnderen mit Philoſophiſchen Augen anſihet/ der wird ſich nicht verwunderen/ wann die Mittagwinde in einem kaͤlteren Grad geſpuͤrt werden in denen vom Gotthard abgelegeneren Ohr- ten/ als an dem Fuß deſſelben/ dann hier wehet die von der Hoͤhe nidſich ge- trukte/ folglich waͤrmere/ dort aber/ und durch die uͤbrige Schweiz/ eine mehr außgedehnte/ uͤber diß auch mit vilen Schnee- und Eistheilchen beſchwaͤn- gerte Foͤn. Es kan diſer mit den hoͤchſten Alpgebirgen eingeſchloſſene kleine Winkel des Schweizerlands/ welcher namlich in ſich begreiffet den Urner-Boden/ ſamt dem Schaͤchenthal/ und Reüßthal/ welches namlich ſich der Reuß nach in die Hoͤhe erſtreket bis auf den Gotthard/ mit Recht betitlet werden Ein Pflanzſtatt der Alten/ und neuen Schweizeriſchen Dapferkeit. Die alten Tauriſci, oder/ wie ſie jezt genennet werden/ Urner/ waren die erſten unter den Gallieren/ welche zu den Zeiten der Roͤmeren/ unter der Regierung jenes groſſen Helden/ und Schweizerbezwingers/ Julii Cæſaris, die uͤbrigen Helvetier angereitzet/ daß ſie mit ihnen uͤber die Alpen in Jtalien ziehen/ und diſes herꝛliche Wein- und Fruchtvolle Land einnemmen ſolten. Sie/ ſage ich/ waren die erſten/ welche fœcunditate Regionis pellecti, auß ſonder-

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. (38)[38]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/48>, abgerufen am 24.11.2024.