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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

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nus Berg im Paduanischen: Piccolomineus de Meteor. cap. 11. auf den A-
pennini
schen Gebirgen.

Wann eine anzeig hoher Gebirgen auch unter anderem ist die frühe
aufsteigende/ und später nidergehende Sonne/ wie deßwegen der Casius und
Ida bey den Alten berühmt seyn/ daß man auf disen Bergen die Sonn gar
frühe/ gleich als aus der Nacht aufsteigen sehe/ so können auch wir daher von
unseren Schweizerischen Alpgebirgen schliessen/ daß sie sehr hoch seyen/ wei-
len in der Sömmerlichen Sonnenwende die Nächte sehr kurz seyn/ und die
Sonn eine kleine zeit unter dem Horizont bleibet/ wie diß ins besonder ange-
rühmt wird von dem hohen Säntis in der Graffschaft Toggenburg.
Endtlich auch lasset sich urtheilen von ungemeiner Höhe unserer Berg-Fir-
sten/ weilen sie von den angränzenden Ohrten Jtaliens/ Frankreichs/ und
Teutschlands gesehen werden; welcher anmuthigen Außsicht sich zu seinem
Vortheil zubedienen gewüßt der gewaltige Heerführer Hannibal, als er auf
denen hohen Alpen seinen abgematteten Soldaten gezeiget das Lust- und
Fruchtvolle Jtalien/ und sie dardurch zu fernerer Außführung seines Vorha-
bens angefrischet.

Auß bisherigem ersehen wir/ daß unsere Schweizer-Gebirge sehr hoch/
ja über alle andere Europeische sich in und über die Wolken erheben. Mit
disem aber ist ein curioses Gemüth noch nicht zufriden; es verdienen dise
Berghöhen in Ruthen/ und Schuhen abgemessen zu werden/ welches ich nun
also ins Werk zurichten gesinnet/ daß der Manier halben eine grundlich ein-
fältige Unterweisung gegeben werde/ und jedermann sich dises Unterrichts
selbs bedienen könne zu abmessung derjenigen Bergen/ welche er zubesteigen
anlas/ oder lust/ hat.

Die Arten/ oder Manieren/ mit welchen man die Berg Höhenen ab-
messen/ oder in Erfahrung bringen kan/ seyn sonderlich zweyfach: die einten
Geometrisch/ die anderen Physicalisch. Jene geschehen durch hilff Mathe-
mati
scher Jnstrumenten/ als da sind Quadranten/ halbe Zirkel/ Tischlein/
mit welchen man aus denen Grundsäzen der Trigonometrie, oder Wissen-
senschaft/ und Außmessung der Trianglen/ oder auf Mechanische Weise/ oh-
ne Rechnung/ die Höhen der Bäumen/ Thürnen/ Bergen kan erforschen.
Disere Meßart ist gebraucht worden von allen Alten/ und neuen Mathema-
ti
schen Naturforscheren; und habe auch ich in meinen/ sonderlich ersteren/
Berg-Reisen nebst anderen zu meinem Vorhaben dienlichen Jnstrumenten
allezeit mit geführt einen in Grad und Minuten abgetheilten Messingen hal-
ben Zirckel/ und darmit hier und da allerhand Proben gemacht.

nus Berg im Paduaniſchen: Piccolomineus de Meteor. cap. 11. auf den A-
pennini
ſchen Gebirgen.

Wann eine anzeig hoher Gebirgen auch unter anderem iſt die frühe
aufſteigende/ und ſpaͤter nidergehende Sonne/ wie deßwegen der Caſius und
Ida bey den Alten beruͤhmt ſeyn/ daß man auf diſen Bergen die Sonn gar
frühe/ gleich als aus der Nacht aufſteigen ſehe/ ſo koͤnnen auch wir daher von
unſeren Schweizeriſchen Alpgebirgen ſchlieſſen/ daß ſie ſehr hoch ſeyen/ wei-
len in der Soͤmmerlichen Sonnenwende die Naͤchte ſehr kurz ſeyn/ und die
Sonn eine kleine zeit unter dem Horizont bleibet/ wie diß ins beſonder ange-
ruͤhmt wird von dem hohen Saͤntis in der Graffſchaft Toggenburg.
Endtlich auch laſſet ſich urtheilen von ungemeiner Hoͤhe unſerer Berg-Fir-
ſten/ weilen ſie von den angraͤnzenden Ohrten Jtaliens/ Frankreichs/ und
Teutſchlands geſehen werden; welcher anmuthigen Außſicht ſich zu ſeinem
Vortheil zubedienen gewuͤßt der gewaltige Heerfuͤhrer Hannibal, als er auf
denen hohen Alpen ſeinen abgematteten Soldaten gezeiget das Luſt- und
Fruchtvolle Jtalien/ und ſie dardurch zu fernerer Außfuͤhrung ſeines Vorha-
bens angefriſchet.

Auß bisherigem erſehen wir/ daß unſere Schweizer-Gebirge ſehr hoch/
ja uͤber alle andere Europeiſche ſich in und uͤber die Wolken erheben. Mit
diſem aber iſt ein curioſes Gemuͤth noch nicht zufriden; es verdienen diſe
Berghoͤhen in Ruthen/ und Schuhen abgemeſſen zu werden/ welches ich nun
alſo ins Werk zurichten geſinnet/ daß der Manier halben eine grundlich ein-
faͤltige Unterweiſung gegeben werde/ und jedermann ſich diſes Unterꝛichts
ſelbs bedienen koͤnne zu abmeſſung derjenigen Bergen/ welche er zubeſteigen
anlas/ oder luſt/ hat.

Die Arten/ oder Manieren/ mit welchen man die Berg Hoͤhenen ab-
meſſen/ oder in Erfahrung bringen kan/ ſeyn ſonderlich zweyfach: die einten
Geometriſch/ die anderen Phyſicaliſch. Jene geſchehen durch hilff Mathe-
mati
ſcher Jnſtrumenten/ als da ſind Quadranten/ halbe Zirkel/ Tiſchlein/
mit welchen man aus denen Grundſaͤzen der Trigonometrie, oder Wiſſen-
ſenſchaft/ und Außmeſſung der Trianglen/ oder auf Mechaniſche Weiſe/ oh-
ne Rechnung/ die Hoͤhen der Baͤumen/ Thuͤrnen/ Bergen kan erforſchen.
Diſere Meßart iſt gebraucht worden von allen Alten/ und neuen Mathema-
ti
ſchen Naturforſcheren; und habe auch ich in meinen/ ſonderlich erſteren/
Berg-Reiſen nebſt anderen zu meinem Vorhaben dienlichen Jnſtrumenten
allezeit mit gefuͤhrt einen in Grad und Minuten abgetheilten Meſſingen hal-
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[156/0187] nus Berg im Paduaniſchen: Piccolomineus de Meteor. cap. 11. auf den A- penniniſchen Gebirgen. Wann eine anzeig hoher Gebirgen auch unter anderem iſt die frühe aufſteigende/ und ſpaͤter nidergehende Sonne/ wie deßwegen der Caſius und Ida bey den Alten beruͤhmt ſeyn/ daß man auf diſen Bergen die Sonn gar frühe/ gleich als aus der Nacht aufſteigen ſehe/ ſo koͤnnen auch wir daher von unſeren Schweizeriſchen Alpgebirgen ſchlieſſen/ daß ſie ſehr hoch ſeyen/ wei- len in der Soͤmmerlichen Sonnenwende die Naͤchte ſehr kurz ſeyn/ und die Sonn eine kleine zeit unter dem Horizont bleibet/ wie diß ins beſonder ange- ruͤhmt wird von dem hohen Saͤntis in der Graffſchaft Toggenburg. Endtlich auch laſſet ſich urtheilen von ungemeiner Hoͤhe unſerer Berg-Fir- ſten/ weilen ſie von den angraͤnzenden Ohrten Jtaliens/ Frankreichs/ und Teutſchlands geſehen werden; welcher anmuthigen Außſicht ſich zu ſeinem Vortheil zubedienen gewuͤßt der gewaltige Heerfuͤhrer Hannibal, als er auf denen hohen Alpen ſeinen abgematteten Soldaten gezeiget das Luſt- und Fruchtvolle Jtalien/ und ſie dardurch zu fernerer Außfuͤhrung ſeines Vorha- bens angefriſchet. Auß bisherigem erſehen wir/ daß unſere Schweizer-Gebirge ſehr hoch/ ja uͤber alle andere Europeiſche ſich in und uͤber die Wolken erheben. Mit diſem aber iſt ein curioſes Gemuͤth noch nicht zufriden; es verdienen diſe Berghoͤhen in Ruthen/ und Schuhen abgemeſſen zu werden/ welches ich nun alſo ins Werk zurichten geſinnet/ daß der Manier halben eine grundlich ein- faͤltige Unterweiſung gegeben werde/ und jedermann ſich diſes Unterꝛichts ſelbs bedienen koͤnne zu abmeſſung derjenigen Bergen/ welche er zubeſteigen anlas/ oder luſt/ hat. Die Arten/ oder Manieren/ mit welchen man die Berg Hoͤhenen ab- meſſen/ oder in Erfahrung bringen kan/ ſeyn ſonderlich zweyfach: die einten Geometriſch/ die anderen Phyſicaliſch. Jene geſchehen durch hilff Mathe- matiſcher Jnſtrumenten/ als da ſind Quadranten/ halbe Zirkel/ Tiſchlein/ mit welchen man aus denen Grundſaͤzen der Trigonometrie, oder Wiſſen- ſenſchaft/ und Außmeſſung der Trianglen/ oder auf Mechaniſche Weiſe/ oh- ne Rechnung/ die Hoͤhen der Baͤumen/ Thuͤrnen/ Bergen kan erforſchen. Diſere Meßart iſt gebraucht worden von allen Alten/ und neuen Mathema- tiſchen Naturforſcheren; und habe auch ich in meinen/ ſonderlich erſteren/ Berg-Reiſen nebſt anderen zu meinem Vorhaben dienlichen Jnſtrumenten allezeit mit gefuͤhrt einen in Grad und Minuten abgetheilten Meſſingen hal- ben Zirckel/ und darmit hier und da allerhand Proben gemacht.

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/187>, abgerufen am 24.11.2024.