Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.Bey alten und neuen Scribenten finden sich auf hohen Bergen sachen/ wel- Von der Wolken Höhe urtheilen diejenigen am sichersten/ welche nus
Bey alten und neuen Scribenten finden ſich auf hohen Bergen ſachen/ wel- Von der Wolken Hoͤhe urtheilen diejenigen am ſicherſten/ welche nus
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Bey alten und neuen Scribenten finden ſich auf hohen Bergen ſachen/ wel-
che ein muͤheſamer/ und den Augenſchein ſelbs einnehmender/ Liebhaber der
Wahrheit denen Fablen zuzehlet. Von dem beruͤhmten Berg Olympo
ſchreibet Solinus, daß auf deſſen Spize ein dem Jupiter geheiligter Altar/ auf
welchem die abgelegte Opfer-Aſche weder von Winden zerſtreuet/ noch von
dem Regen befeuchtet werde/ ſondern das ganze Jahr hindurch ſtill lige/ daß
auch andere dem Jovi geweihete Opfer unverſehrt/ und ohne Faͤulung/ blei-
ben; gleich auch die in Aſche geſchriebene Buchſtaben nach verflieſſung ei-
nes Jahrs annoch zuſehen ſeyen; welche ſeltſame Begebenheit Lucano und
Claudiano anlas gegeben/ diſen heiligen Berg uͤber die Wolken zuſezen/ hie-
mit an ein ſolch hohes Ort/ auf welchem weder Regen/ noch Wind/ zuſpuͤ-
ten; welches auch von dem Berg Atho ankuͤhmet Mela. Von derglei-
chen Wunderen wiſſen wir Schweizer nichts/ obgleich jedermann bekant/
daß unſere Alpgebirge um ſo vil in anſehung der Hoͤhe/ jene Griechiſchen
Berge uͤbertreffen/ als ein Cederbaum eine kleine Staude; Auf unſeren
hoͤchſten Berg Spitzen fallet Schnee/ und Regen/ und iſt nicht nur nicht eine
Windſtille/ ſondern es blaſen die Winde beſtaͤndig; die Wolken ſteigen
uͤber alle Bergfirſten/ wiewol ſie auch die Gipfel der Bergen einhuͤllen/ ja ſich
ſelbs unter dieſelbe herablaſſen/ alſo daß die Reiſende oft durch dieſelbe/ gleich
als durch einen diken Nebel paſſiren muͤſſen/ welches auch begegnet der Mace-
donieren Koͤnig Philippo, auf dem Berg Aemo, nach der Zeugnuß Livii,
der alſo hiervon ſchreibt. Ut verò Jugis appropinquabant, quod ratum in
aliis Iocis eſſet, adeò omni contecta Nebulâ, ut haud ſecús quám nocturno Iti-
nere impedirentur. Es widerfahret diß oft denen Bergreiſenden/ daß die
einfallende ſo genante Nebel/ oder eigentliche Wolken den fortgang der Reiß
verhinderen/ weßwegen die Aelpler denen Reiſenden einrahten/ daß ſie bey
heller Luft die Berg beſteigen/ weilen/ wann ein Nebel wurde einfallen/ ſie
nimmer koͤnten fortkommen/ ſondern in einer Senn-Huͤtte/ oder Gaden/ zu
bleiben gezwungen wurden.
Von der Wolken Hoͤhe urtheilen diejenigen am ſicherſten/ welche
nichts gewiſſes ſezen. Des Sommers ſeyn ſie erhobener/ des Winters
tieffer/ alſo daß ſie ſich auch bis auf die Erde herablaſſen. Und zugleicher
zeit ſchwebet je eine uͤber die andere/ alſo daß oft einer durch verſchiedene
Wolken auf einen Berg ſteigt/ und auf groſſer hoͤhe die Wolken unter ihm
ſehen kan. Es kan deßwegen ſich etwann zutragen/ daß einiche niderige
Wolken ſich in Regen oder Schnee aufloͤſen/ die Obere aber ganz/ und auß-
gedehnt bleiben/ in welchem Fall einer auf einem hohen Berg in ſchoͤn heller
Luft unter ſich ſehen kan einen Regen ins Thal fallen/ welche Begegniß oft
mit eigenen Augen geſehen; und Zabarella de Reg. Aer. cap. 8. auf dem Ve-
nus
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