Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.gelländischer Capitain. Jch wil aber dise beyde Meinungen dem Urtheil Gleichwie aber alle Abgötterey bey dem einfaltigen/ unwüssenden/ Pö- Von der Glettscheren Weite/ Grösse/ Höhe/ Länge/ Gestalt/ lasset sich gellaͤndiſcher Capitain. Jch wil aber diſe beyde Meinungen dem Urtheil Gleichwie aber alle Abgoͤtterey bey dem einfaltigen/ unwuͤſſenden/ Poͤ- Von der Glettſcheren Weite/ Groͤſſe/ Hoͤhe/ Laͤnge/ Geſtalt/ laſſet ſich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0136" n="108"/> gellaͤndiſcher Capitain. Jch wil aber diſe beyde Meinungen dem Urtheil<lb/> des Leſers unterwerffen/ gleichwol meine erſte behalten/ und alſo die Nor-<lb/> diſchen Eisberge ſelbs in unſerem Schweitzerland zeigen/ welches dann die<lb/> vile und groͤſſe der Natur-Wunderen unſers Lands bekraͤftiget.</p><lb/> <p>Gleichwie aber alle Abgoͤtterey bey dem einfaltigen/ unwuͤſſenden/ Poͤ-<lb/> bel eher platz findet/ als bey den Gelehrten/ alſo gehet es auch hier. Die<lb/> Bewunderung/ ſo anzuſehen als ein in unſerer Einbildung aufgerichtetes<lb/> Goͤtzenbild/ verlieret ihr Anſehen nit wenig bey denen/ welche mit offenen/<lb/> das iſt/ von dem Glantz der Natur-Wiſſenſchaft beleuchteten Augen unſere<lb/> Gletſcher/ oder Eisberge anſehen. Diſe ligen alſo zwiſchen hohen Bergen<lb/> eingeſchloſſen/ das ſie von der Sonne gar nicht/ oder wenig/ koͤnnen beleuch-<lb/> tet werden/ oder ſo hoch/ daß ſie die Sonnenwaͤrme/ auß oben gegebenen<lb/> Urſachen/ nicht kan aufloͤſen. Gemeinlich ſihet man die Firn-Stoͤcke an<lb/> der jenigen Bergſeite/ welche gegen Mitternacht ſihet/ und die Mittaͤgige<lb/> Sonne niemalen genieſſet. Es ſol uns dann nicht frembd vorkommen/<lb/> wann die Mittaͤgige Seiten/ ſo von der Sonnen mag beſtralet werden/ von<lb/> Schnee und Eis befreyet/ ſchoͤn gruͤn/ und fruchtbar/ außſihet/ alſo zu einer<lb/> Zeit einem/ der durch ein mit ſolchen Glettſcheren beſeztes Thal reiſet/ einer-<lb/> ſeits vorkomt der angenehme Som̃er/ anderſeits aber ein trauriger Winter.</p><lb/> <p>Von der Glettſcheren Weite/ Groͤſſe/ Hoͤhe/ Laͤnge/ Geſtalt/ laſſet ſich<lb/> nichts gewiſſes ſchreiben/ weilen ſie verſchieden ſein/ je nach Beſchaffenheit<lb/> des Ohrts. An etwelchen Ohrten kleben ſie an den Bergwaͤnden hier und<lb/> da in Geſtalt groſſer Felſen/ anderſtwo aber ſtellen ſie vor gantze etlich 100.<lb/> Schuhe hohe/ lange/ und breite/ Berge. Merkwuͤrdig iſt ihr Zu- und Ab-<lb/> nehmen/ weßhalben die Aelpler ſich bereden/ daß ſie 7. Jahr zu- und gleich ſo<lb/> vil widerum abnehmen/ welches ſo es ſolte ſein/ an die Hand koͤnte geben eine<lb/> Vorzeig der Jahrs-Witterungen/ wie ſie beſchaffen/ weilen das Zunehmen<lb/> der Gletſcheren zu ſeiner Urſach hat ein mehrere Jahrs-Kaͤlte/ das Abnemen<lb/> hingegen ein groͤſſere Waͤrme. Hiervon aber habe ich noch keine Gewißheit.<lb/> Das iſt gewiß/ daß die Gletſcher in die Hoͤhe wachſen <hi rendition="#aq">informa ſtratorum,</hi> la-<lb/> gerweiſe/ alſo daß der den Winter uͤber auf den Gletſcher gefallene Schnee<lb/> bey ankommender Fruͤhlings- und Sommerswaͤrme erſtlich verſchmilzet/<lb/> bald darauf aber in Eis verwandelt wird/ da dann die untermiſchte Jrꝛdi-<lb/> ſche Theil an den Boden des neuen <hi rendition="#aq">Strati</hi> ſich ſenken/ und einen ſchwartzlech-<lb/> ten Strich formieren/ welche Strich <hi rendition="#aq">parallel</hi> uͤber einander alſo ſtehen/ daß<lb/> man darauß/ gleich als auß denen ſo genanten Jahren der Baͤumen/ von<lb/> dem Alter urtheilen kan.</p> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [108/0136]
gellaͤndiſcher Capitain. Jch wil aber diſe beyde Meinungen dem Urtheil
des Leſers unterwerffen/ gleichwol meine erſte behalten/ und alſo die Nor-
diſchen Eisberge ſelbs in unſerem Schweitzerland zeigen/ welches dann die
vile und groͤſſe der Natur-Wunderen unſers Lands bekraͤftiget.
Gleichwie aber alle Abgoͤtterey bey dem einfaltigen/ unwuͤſſenden/ Poͤ-
bel eher platz findet/ als bey den Gelehrten/ alſo gehet es auch hier. Die
Bewunderung/ ſo anzuſehen als ein in unſerer Einbildung aufgerichtetes
Goͤtzenbild/ verlieret ihr Anſehen nit wenig bey denen/ welche mit offenen/
das iſt/ von dem Glantz der Natur-Wiſſenſchaft beleuchteten Augen unſere
Gletſcher/ oder Eisberge anſehen. Diſe ligen alſo zwiſchen hohen Bergen
eingeſchloſſen/ das ſie von der Sonne gar nicht/ oder wenig/ koͤnnen beleuch-
tet werden/ oder ſo hoch/ daß ſie die Sonnenwaͤrme/ auß oben gegebenen
Urſachen/ nicht kan aufloͤſen. Gemeinlich ſihet man die Firn-Stoͤcke an
der jenigen Bergſeite/ welche gegen Mitternacht ſihet/ und die Mittaͤgige
Sonne niemalen genieſſet. Es ſol uns dann nicht frembd vorkommen/
wann die Mittaͤgige Seiten/ ſo von der Sonnen mag beſtralet werden/ von
Schnee und Eis befreyet/ ſchoͤn gruͤn/ und fruchtbar/ außſihet/ alſo zu einer
Zeit einem/ der durch ein mit ſolchen Glettſcheren beſeztes Thal reiſet/ einer-
ſeits vorkomt der angenehme Som̃er/ anderſeits aber ein trauriger Winter.
Von der Glettſcheren Weite/ Groͤſſe/ Hoͤhe/ Laͤnge/ Geſtalt/ laſſet ſich
nichts gewiſſes ſchreiben/ weilen ſie verſchieden ſein/ je nach Beſchaffenheit
des Ohrts. An etwelchen Ohrten kleben ſie an den Bergwaͤnden hier und
da in Geſtalt groſſer Felſen/ anderſtwo aber ſtellen ſie vor gantze etlich 100.
Schuhe hohe/ lange/ und breite/ Berge. Merkwuͤrdig iſt ihr Zu- und Ab-
nehmen/ weßhalben die Aelpler ſich bereden/ daß ſie 7. Jahr zu- und gleich ſo
vil widerum abnehmen/ welches ſo es ſolte ſein/ an die Hand koͤnte geben eine
Vorzeig der Jahrs-Witterungen/ wie ſie beſchaffen/ weilen das Zunehmen
der Gletſcheren zu ſeiner Urſach hat ein mehrere Jahrs-Kaͤlte/ das Abnemen
hingegen ein groͤſſere Waͤrme. Hiervon aber habe ich noch keine Gewißheit.
Das iſt gewiß/ daß die Gletſcher in die Hoͤhe wachſen informa ſtratorum, la-
gerweiſe/ alſo daß der den Winter uͤber auf den Gletſcher gefallene Schnee
bey ankommender Fruͤhlings- und Sommerswaͤrme erſtlich verſchmilzet/
bald darauf aber in Eis verwandelt wird/ da dann die untermiſchte Jrꝛdi-
ſche Theil an den Boden des neuen Strati ſich ſenken/ und einen ſchwartzlech-
ten Strich formieren/ welche Strich parallel uͤber einander alſo ſtehen/ daß
man darauß/ gleich als auß denen ſo genanten Jahren der Baͤumen/ von
dem Alter urtheilen kan.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |