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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

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brunn/ essenthalben Simlerus Valles. p. 9. b. mit Stumpfio/ und uns/ gleiche
Meinung hat/ gezeiget worden vor den wahren Ursprung/ und deß-
wegen auch angedeutet worden in der Tafel vom Ursprung des Rhodans.
Diser Roddanbrunn ist/ gleich einer anderen Bergquell/ lauter/ entspringt
innert einer gevierten Ruthen Begriff an dreyen Orten/ fliesset aber bald in
einen Runß zusamen/ vermischet hernach sein Crystall lauteres Wasser
mit denen Milchweissen Glettscherwasseren/ so die eigentliche Urquell des
Rhodans außmachen. Man hat sich nicht wenig zuverwunderen ab der
grossen Kraft des Vorurtheils/ mit welchen die Ober-Wallisser von vilen
Jahr hunderten her behaftet/ einem der grösten Flüssen von Europa, Flumini
Galliarum multo fertilissimo,
wie ihne Plinius nennet/ Fluvio inter tres Eu-
ropae maximo,
wie ihne Varro betittlet bey A. Gellio, und Solino, eine so klei-
ne Quell zulegen/ von welcher kaum ein Bach entstehen könte. Es wer di-
sen Bergvölckern noch zuverzeihen/ wann diser Roddanbrunn der höchste
wer auf der Furcke/ oder andere seines gleichen neben ihm daher flüssen.
Aber eine kleine Brunnquell sehen nebst einer grossen/ ein kleines Bächlein
nebst einem doppelten/ zwantzigmal grösseren Bach/ welcher herfliesset aus ei-
nem Berggrossen zweyfachen Glettscher/ und doch jene halten vor den wah-
ren Ursprung des Rhodans/ dunket mich ein grosse Schwachheit des Ge-
müths. Es hette denen Anwohneren sollen die Augen aufthun allein die
Milchweisse Farb des Rhodans/ als welche herkommet von denen Gletsche-
ren. Jch finde hier kommlichen Anlaß zuverhandlen die wichtige Materi

Von denen Gletscheren/ Schnee- und Eisbergen
des Schweitzerlands.

Nicht ohnfein hat jener berühmte Jtalienische Poet Tassus vorgestellet den
Berg/ auf welchem gebauet der Pallast Armidae, in gestalt eines haupts/ mit
einem weißgrauen Bart/ grünen Haaren/ und Kieideren/ umstreuet mit
Schnee/ Reiffen/ und vilfarbichte von Blumen

-- -- Di Nevi e di pruine
Sparse ogni strada, ivi ha poi fiori ed herba
Prosso al canuto mento, il verde crine
Frondeggia, e'lghiaccio fede a i gigli serba
Et a le Rose tenere.

Ein schönes Conterfeit unserer Schnee- und Eis-Gebirgen/ bey welchen
man gantz nahe sihet in den grünen Alpweiden blühen die weissen Berg Li-
lien/ und purpurfarbichten Alp-Rosen. Ein Berg Geschicht/ welche nit
weniger belustigung in unseren Augen erweket/ als bewunderung in unseren
Gemütheren. Es hat dises weisse Winterkleid/ mit welchem unsere Gebir-

ge-

brunn/ eſſenthalben Simlerus Valles. p. 9. b. mit Stumpfio/ und uns/ gleiche
Meinung hat/ gezeiget worden vor den wahren Urſprung/ und deß-
wegen auch angedeutet worden in der Tafel vom Urſprung des Rhodans.
Diſer Roddanbrunn iſt/ gleich einer anderen Bergquell/ lauter/ entſpringt
innert einer gevierten Ruthen Begriff an dreyen Orten/ flieſſet aber bald in
einen Runß zuſamen/ vermiſchet hernach ſein Cryſtall lauteres Waſſer
mit denen Milchweiſſen Glettſcherwaſſeren/ ſo die eigentliche Urquell des
Rhodans außmachen. Man hat ſich nicht wenig zuverwunderen ab der
groſſen Kraft des Vorurtheils/ mit welchen die Ober-Walliſſer von vilen
Jahr hunderten her behaftet/ einem der groͤſten Fluͤſſen von Europa, Flumini
Galliarum multò fertiliſſimo,
wie ihne Plinius nennet/ Fluvio inter tres Eu-
ropæ maximo,
wie ihne Varro betittlet bey A. Gellio, und Solino, eine ſo klei-
ne Quell zulegen/ von welcher kaum ein Bach entſtehen koͤnte. Es wer di-
ſen Bergvoͤlckern noch zuverzeihen/ wann diſer Roddanbrunn der hoͤchſte
wer auf der Furcke/ oder andere ſeines gleichen neben ihm daher fluͤſſen.
Aber eine kleine Brunnquell ſehen nebſt einer groſſen/ ein kleines Baͤchlein
nebſt einem doppelten/ zwantzigmal groͤſſeren Bach/ welcher herflieſſet aus ei-
nem Berggroſſen zweyfachen Glettſcher/ und doch jene halten vor den wah-
ren Urſprung des Rhodans/ dunket mich ein groſſe Schwachheit des Ge-
müths. Es hette denen Anwohneren ſollen die Augen aufthun allein die
Milchweiſſe Farb des Rhodans/ als welche herkommet von denen Gletſche-
ren. Jch finde hier kom̃lichen Anlaß zuverhandlen die wichtige Materi

Von denen Gletſcheren/ Schnee- und Eisbergen
des Schweitzerlands.

Nicht ohnfein hat jener berühmte Jtalieniſche Poet Taſſus vorgeſtellet den
Berg/ auf welchem gebauet der Pallaſt Armidæ, in geſtalt eines haupts/ mit
einem weißgrauen Bart/ grünen Haaren/ und Kieideren/ umſtreuet mit
Schnee/ Reiffen/ und vilfarbichte von Blumen

— — Di Nevi e di pruine
Sparſe ogni ſtrada, ivi ha poi fiori ed herba
Proſſo al canuto mento, il verde crine
Frondeggia, e’lghiaccio fede a i gigli ſerba
Et a le Roſe tenere.

Ein ſchoͤnes Conterfeit unſerer Schnee- und Eis-Gebirgen/ bey welchen
man gantz nahe ſihet in den gruͤnen Alpweiden bluͤhen die weiſſen Berg Li-
lien/ und purpurfarbichten Alp-Roſen. Ein Berg Geſchicht/ welche nit
weniger beluſtigung in unſeren Augen erweket/ als bewunderung in unſeren
Gemuͤtheren. Es hat diſes weiſſe Winterkleid/ mit welchem unſere Gebir-

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[102/0130] brunn/ eſſenthalben Simlerus Valles. p. 9. b. mit Stumpfio/ und uns/ gleiche Meinung hat/ gezeiget worden vor den wahren Urſprung/ und deß- wegen auch angedeutet worden in der Tafel vom Urſprung des Rhodans. Diſer Roddanbrunn iſt/ gleich einer anderen Bergquell/ lauter/ entſpringt innert einer gevierten Ruthen Begriff an dreyen Orten/ flieſſet aber bald in einen Runß zuſamen/ vermiſchet hernach ſein Cryſtall lauteres Waſſer mit denen Milchweiſſen Glettſcherwaſſeren/ ſo die eigentliche Urquell des Rhodans außmachen. Man hat ſich nicht wenig zuverwunderen ab der groſſen Kraft des Vorurtheils/ mit welchen die Ober-Walliſſer von vilen Jahr hunderten her behaftet/ einem der groͤſten Fluͤſſen von Europa, Flumini Galliarum multò fertiliſſimo, wie ihne Plinius nennet/ Fluvio inter tres Eu- ropæ maximo, wie ihne Varro betittlet bey A. Gellio, und Solino, eine ſo klei- ne Quell zulegen/ von welcher kaum ein Bach entſtehen koͤnte. Es wer di- ſen Bergvoͤlckern noch zuverzeihen/ wann diſer Roddanbrunn der hoͤchſte wer auf der Furcke/ oder andere ſeines gleichen neben ihm daher fluͤſſen. Aber eine kleine Brunnquell ſehen nebſt einer groſſen/ ein kleines Baͤchlein nebſt einem doppelten/ zwantzigmal groͤſſeren Bach/ welcher herflieſſet aus ei- nem Berggroſſen zweyfachen Glettſcher/ und doch jene halten vor den wah- ren Urſprung des Rhodans/ dunket mich ein groſſe Schwachheit des Ge- müths. Es hette denen Anwohneren ſollen die Augen aufthun allein die Milchweiſſe Farb des Rhodans/ als welche herkommet von denen Gletſche- ren. Jch finde hier kom̃lichen Anlaß zuverhandlen die wichtige Materi Von denen Gletſcheren/ Schnee- und Eisbergen des Schweitzerlands. Nicht ohnfein hat jener berühmte Jtalieniſche Poet Taſſus vorgeſtellet den Berg/ auf welchem gebauet der Pallaſt Armidæ, in geſtalt eines haupts/ mit einem weißgrauen Bart/ grünen Haaren/ und Kieideren/ umſtreuet mit Schnee/ Reiffen/ und vilfarbichte von Blumen — — Di Nevi e di pruine Sparſe ogni ſtrada, ivi ha poi fiori ed herba Proſſo al canuto mento, il verde crine Frondeggia, e’lghiaccio fede a i gigli ſerba Et a le Roſe tenere. Ein ſchoͤnes Conterfeit unſerer Schnee- und Eis-Gebirgen/ bey welchen man gantz nahe ſihet in den gruͤnen Alpweiden bluͤhen die weiſſen Berg Li- lien/ und purpurfarbichten Alp-Roſen. Ein Berg Geſchicht/ welche nit weniger beluſtigung in unſeren Augen erweket/ als bewunderung in unſeren Gemuͤtheren. Es hat diſes weiſſe Winterkleid/ mit welchem unſere Gebir- ge-

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/130>, abgerufen am 22.11.2024.