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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.

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wärme immer etwas auflöset/ und die Winde selbs wegtragen. Wer die
Wahrheit dessen noch nicht fassen kan/ der verfüge sich hin zu den Goldschmi-
den/ und sehe mit Augen/ wie in der so genanten AEolipila, einer Art küpfer-
nen Blaßbalgs/ das blosse in Dünst aufgelößte/ und durch ein enges Röhr-
lein getribene Wasser einen starken Wind erwecke. Wer hieran noch nicht
kommen wil/ der frage die Schiff- und Akerleuhte/ und lehrne von ihnen/ daß
die dicken Wolken gemeinlich den Winden vorgehen/ und deren auflösung
bald die Winde nach sich zeuhe. Hierauß ist bald/ und zu mehrer bekräftigung
dessen/ was bereits von denen Ursachen der Winden geredt worden/ zuer-
sehen/ warum auf unseren hohen Gebirgen allezeit Winde blasen/ und mit
besserem Fug/ als bey den Alchymisten/ hier/ in vergleichung des Meers mit
den Alpgebirgen/ kan gesagt werden/ superius est sicut inferius. Wo die
Materi der Winden häuffig verhanden/ da findet sich auch bald eyn die
Form/ alles nach denen von Gott verordneten Naturgesätzen. Warum
auch die sonst warmen Sudwinde in unsern Landen kälter seyen/ als anderst-
wo? welches auch angemerket Gessn. Hort. German. pag. 238. b. ist leicht zu er-
achten/ es mischen sich namlich mit denen wärmeren Wafferdünsten/ auch vil
kleine Eis- und Schneetheilchen/ welche/ wo sie hinkommen/ eine mehrere Kälte
verursachen. Von denen an dem Bloks- und Harz-Bergen gelegenen Ohr-
ten bezeuget auch Frider. Hoffman. Observ. Barometr. Meteorol. An. 1700.
pag.
20. daß sie eine kältere Luft haben/ als andere entlegene Lande; und
Verulamius in Histor. Ventor. pag. 474. merket an/ daß die in Hundstagen
aufgelößte Schneetheilchen des Eismeers Jtalien und Griechenland scharffe
Nordwinde zu ziehen/ welche auch uns begrüssen in unseren Helvetischen
Landen. So wissen auch die Sachsen/ und Brandenburger zu klagen ab der
kälte der Ostwinden im Monat April/ in welchem der Schnee auf denen
Mährischen/ Böhmischen/ und Meißnischen Gebirgen anfangt aufgelößt
zu werden. Hoffm. lib. cit. pag. 8. Diß ist auch zum theil die Ursach/ warum
wir gemeinlich zu Frühlings- und Herbstzeiten gar starke Winde haben/
weilen dannzumahl die Dünste näher beysamen halten/ und sich mehr in die
Tieffe senken/ da sie hingegen im Winter an Anzahl gering/ und wegen mang-
lender Sonnenwärme träg/ in dem Sommer aber allzusehr/ und weit in
der Luft Spher zerstreut werden/ daß sie sich nicht leicht samlen können. Hat
der Winden Urvatter AEolus auf denen hoben Alpen seinen Sitz/ so ist sich
nicht zu verwunderen/ wann auf denenselben/ und in der nähe/ die Winde am
hoftigsten wüten. Von dergleichen ungestümen Bergwitterungen wissen
unsere Aelpler/ und auch die Reisende vil zu sagen/ welche oft in grosse Lebens-
gefahr sich stürzen/ wo sie sich auf die Reise begeben/ welches dann die Ursach/
daß sie etwann zwey/ drey/ oder mehr Tag in dem Quartier zu bleiben ge-

nöhti-

waͤrme immer etwas aufloͤſet/ und die Winde ſelbs wegtragen. Wer die
Wahrheit deſſen noch nicht faſſen kan/ der verfuͤge ſich hin zu den Goldſchmi-
den/ und ſehe mit Augen/ wie in der ſo genanten Æolipila, einer Art küpfer-
nen Blaßbalgs/ das bloſſe in Dünſt aufgeloͤßte/ und durch ein enges Roͤhr-
lein getribene Waſſer einen ſtarken Wind erwecke. Wer hieran noch nicht
kommen wil/ der frage die Schiff- und Akerleuhte/ und lehrne von ihnen/ daß
die dicken Wolken gemeinlich den Winden vorgehen/ und deren aufloͤſung
bald die Winde nach ſich zeuhe. Hierauß iſt bald/ und zu mehrer bekraͤftigung
deſſen/ was bereits von denen Urſachen der Winden geredt worden/ zuer-
ſehen/ warum auf unſeren hohen Gebirgen allezeit Winde blaſen/ und mit
beſſerem Fug/ als bey den Alchymiſten/ hier/ in vergleichung des Meers mit
den Alpgebirgen/ kan geſagt werden/ ſuperius eſt ſicut inferius. Wo die
Materi der Winden haͤuffig verhanden/ da findet ſich auch bald eyn die
Form/ alles nach denen von Gott verordneten Naturgeſaͤtzen. Warum
auch die ſonſt warmen Sudwinde in unſern Landen kaͤlter ſeyen/ als anderſt-
wo? welches auch angemerket Geſſn. Hort. German. pag. 238. b. iſt leicht zu er-
achten/ es miſchen ſich namlich mit denen waͤrmeren Wafferdünſten/ auch vil
kleine Eis- und Schneetheilchen/ welche/ wo ſie hinkom̃en/ eine mehrere Kaͤlte
verurſachen. Von denen an dem Bloks- und Harz-Bergen gelegenen Ohr-
ten bezeuget auch Frider. Hoffman. Obſerv. Barometr. Meteorol. An. 1700.
pag.
20. daß ſie eine kaͤltere Luft haben/ als andere entlegene Lande; und
Verulamius in Hiſtor. Ventor. pag. 474. merket an/ daß die in Hundstagen
aufgeloͤßte Schneetheilchen des Eismeers Jtalien und Griechenland ſcharffe
Nordwinde zu ziehen/ welche auch uns begruͤſſen in unſeren Helvetiſchen
Landen. So wiſſen auch die Sachſen/ und Brandenburger zu klagen ab der
kaͤlte der Oſtwinden im Monat April/ in welchem der Schnee auf denen
Maͤhriſchen/ Boͤhmiſchen/ und Meißniſchen Gebirgen anfangt aufgeloͤßt
zu werden. Hoffm. lib. cit. pag. 8. Diß iſt auch zum theil die Urſach/ warum
wir gemeinlich zu Fruͤhlings- und Herbſtzeiten gar ſtarke Winde haben/
weilen dannzumahl die Dünſte naͤher beyſamen halten/ und ſich mehr in die
Tieffe ſenken/ da ſie hingegen im Winter an Anzahl gering/ und wegen mang-
lender Sonnenwaͤrme traͤg/ in dem Sommer aber allzuſehr/ und weit in
der Luft Spher zerſtreut werden/ daß ſie ſich nicht leicht ſamlen koͤnnen. Hat
der Winden Urvatter Æolus auf denen hoben Alpen ſeinen Sitz/ ſo iſt ſich
nicht zu verwunderen/ wann auf denenſelben/ und in der naͤhe/ die Winde am
hoftigſten wuͤten. Von dergleichen ungeſtuͤmen Bergwitterungen wiſſen
unſere Aelpler/ und auch die Reiſende vil zu ſagen/ welche oft in groſſe Lebens-
gefahr ſich ſtuͤrzen/ wo ſie ſich auf die Reiſe begeben/ welches dann die Urſach/
daß ſie etwann zwey/ drey/ oder mehr Tag in dem Quartier zu bleiben ge-

noͤhti-
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[130/0143] waͤrme immer etwas aufloͤſet/ und die Winde ſelbs wegtragen. Wer die Wahrheit deſſen noch nicht faſſen kan/ der verfuͤge ſich hin zu den Goldſchmi- den/ und ſehe mit Augen/ wie in der ſo genanten Æolipila, einer Art küpfer- nen Blaßbalgs/ das bloſſe in Dünſt aufgeloͤßte/ und durch ein enges Roͤhr- lein getribene Waſſer einen ſtarken Wind erwecke. Wer hieran noch nicht kommen wil/ der frage die Schiff- und Akerleuhte/ und lehrne von ihnen/ daß die dicken Wolken gemeinlich den Winden vorgehen/ und deren aufloͤſung bald die Winde nach ſich zeuhe. Hierauß iſt bald/ und zu mehrer bekraͤftigung deſſen/ was bereits von denen Urſachen der Winden geredt worden/ zuer- ſehen/ warum auf unſeren hohen Gebirgen allezeit Winde blaſen/ und mit beſſerem Fug/ als bey den Alchymiſten/ hier/ in vergleichung des Meers mit den Alpgebirgen/ kan geſagt werden/ ſuperius eſt ſicut inferius. Wo die Materi der Winden haͤuffig verhanden/ da findet ſich auch bald eyn die Form/ alles nach denen von Gott verordneten Naturgeſaͤtzen. Warum auch die ſonſt warmen Sudwinde in unſern Landen kaͤlter ſeyen/ als anderſt- wo? welches auch angemerket Geſſn. Hort. German. pag. 238. b. iſt leicht zu er- achten/ es miſchen ſich namlich mit denen waͤrmeren Wafferdünſten/ auch vil kleine Eis- und Schneetheilchen/ welche/ wo ſie hinkom̃en/ eine mehrere Kaͤlte verurſachen. Von denen an dem Bloks- und Harz-Bergen gelegenen Ohr- ten bezeuget auch Frider. Hoffman. Obſerv. Barometr. Meteorol. An. 1700. pag. 20. daß ſie eine kaͤltere Luft haben/ als andere entlegene Lande; und Verulamius in Hiſtor. Ventor. pag. 474. merket an/ daß die in Hundstagen aufgeloͤßte Schneetheilchen des Eismeers Jtalien und Griechenland ſcharffe Nordwinde zu ziehen/ welche auch uns begruͤſſen in unſeren Helvetiſchen Landen. So wiſſen auch die Sachſen/ und Brandenburger zu klagen ab der kaͤlte der Oſtwinden im Monat April/ in welchem der Schnee auf denen Maͤhriſchen/ Boͤhmiſchen/ und Meißniſchen Gebirgen anfangt aufgeloͤßt zu werden. Hoffm. lib. cit. pag. 8. Diß iſt auch zum theil die Urſach/ warum wir gemeinlich zu Fruͤhlings- und Herbſtzeiten gar ſtarke Winde haben/ weilen dannzumahl die Dünſte naͤher beyſamen halten/ und ſich mehr in die Tieffe ſenken/ da ſie hingegen im Winter an Anzahl gering/ und wegen mang- lender Sonnenwaͤrme traͤg/ in dem Sommer aber allzuſehr/ und weit in der Luft Spher zerſtreut werden/ daß ſie ſich nicht leicht ſamlen koͤnnen. Hat der Winden Urvatter Æolus auf denen hoben Alpen ſeinen Sitz/ ſo iſt ſich nicht zu verwunderen/ wann auf denenſelben/ und in der naͤhe/ die Winde am hoftigſten wuͤten. Von dergleichen ungeſtuͤmen Bergwitterungen wiſſen unſere Aelpler/ und auch die Reiſende vil zu ſagen/ welche oft in groſſe Lebens- gefahr ſich ſtuͤrzen/ wo ſie ſich auf die Reiſe begeben/ welches dann die Urſach/ daß ſie etwann zwey/ drey/ oder mehr Tag in dem Quartier zu bleiben ge- noͤhti-

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/143>, abgerufen am 22.11.2024.