Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.Von Lust Nuzbarkeit/ und Kommlichkeit der Berg-Reisen. ES ist jedermann bekant durch die Erfahrung/ daß bey gähem auf- und ben/
Von Luſt Nuzbarkeit/ und Kom̃lichkeit der Berg-Reiſen. ES iſt jedermañ bekant durch die Erfahrung/ daß bey gaͤhem auf- und ben/
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Von Luſt Nuzbarkeit/ und Kom̃lichkeit der
Berg-Reiſen.
ES iſt jedermañ bekant durch die Erfahrung/ daß bey gaͤhem auf- und
abſteigen der Bergen groſſe muͤhe und beſchwerde. Wer die wahr-
haften/ auß Anatomiſchen und Mathematiſchen Grundſaͤtzen gezo-
genen urſachen ſolcher Muͤheſamkeit zu weſſen verlanget/ findet ſie in dem
herꝛlichen Werk Joh. Alphonſi Borelli de Motu Animal. Part. l. Prop.
160. p. 193. 194. Hierauß ſcheinet/ die Berg-Reiſen ſeyen ſo muheſam/ und
beſchwerlich/ das darvon ſich jederman ſolte abſchrecken laſſen. Jch wil
aber zum troſt der Reiſenden beweiſen/ daß ihre durch die Schweizeriſchen/
oder andere hohe Gebirge vorzunehmende Reiſen mit mehr luſt/ und weni-
ger arbeit zugehen/ als auf der Ebene. Es hat diſen widerſinnigen Vor-
trag ſchon laͤngſten gethan der groſſe Ariſtoteles in ſeinen ſo genanten
Problematibus. Die eigentliche urſach diſer Begebenheit beſtehet kurz
darinn/ weilen bey abwechslender auf- und abſteigung alle Glieder des Leibs
in bewegung kommen/ nicht aber zugleich/ ſondern alſo/ das/ wann die ein-
ten Maͤuslein arbeiten/ andere/ ſo kurz zuvor ſich abgemattet haben/ ru-
hen koͤnnen/ und in der zeit/ da diſe an danz muͤſſen/ jene hergegen durch die
ruh ſich widerum erholen. Nebſt deme iſt in betrachtung zu zeuhen/ das
durch fortgeſezte bewegung aller Leibszaͤſeren der Lauff des Gebluͤts/ und
der Geiſteren Einfluß merklich befoͤrderet wird. welches nicht wenig bey-
tragt zur geſundheit der fremden Reiſenden/ ſowol als Einwohneren ſelbs/
deren ſtarke/ anſehenliche und geſunde Leiber der ganzen Welt bekant ſeyn.
Betrachtet man uͤber diß die außdehnung der inneren/ in denen Aderen des
Leibs enthaltenen Luft/ die geringere ſchwere und rauhe kaͤlte der auſſeren/ ſo
wird ſichs finden/ daß der Kreißlauff aller Saͤften befoͤrderet/ und die auß-
daͤmpfung des Leibs verhinderet wird/ welches beides vil zu unterhaltung
der Leibes Kraͤften/ ſo zu fortſetzung einer Reiſe noͤthig ſind/ beytragt. Halte
man das muͤheſame Leben der Bauren/ ja das beweglich beſchwerliche Leben
unſer Aelpleren/ welche bald alle tage ein hohes Gebirge von der Wurtzel an
unter fortwaͤhrender Geſundheit/ mit beſtaͤndiger Leibeskraͤften beſteigen/
gegen die weiche Lebensart zarter Hoͤflingen/ oder der Gelehrten bald immer-
waͤhrendes ſtillſitzen in ihren Studierſtuben/ ſo wird ſich bald zeigen/ wie jene
durch allerhand unordenlichkeiten ihr wolluͤſtiges Leben bald abkuͤrzen/ und
diſe nicht nur ihre Geiſter durch oft unmaͤſſiges ſtudieren verzehren/ ſondern
uͤber diß zu allerhand verſtopfungen/ ſo ſich in ihrem Leib ſamlen/ anlas ge-
ben/
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