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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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muß geleitet werden nicht nur die kleinheit der Berg-Pflanzen/ sondern auch
dero scharffer/ gleichsam gewürzter Geruch und Geschmack. Ja auß eben
diserem Grunddarff ich behaubten den unterscheid der Berg- und Thal-
Kräuteren/ das nammlich dise weit geringer seyen an Kräften/ als jene/ und
ins gemein unsere Schweizerische Pflanzen vil kräftiger/ als die Teutschen/
Jtalienischen/ Französischen/ Niderländischen gleiches Geschlechts/ welches
in der that scheinen zu erkennen die Holl- und Engelländer/ denen vil Wund-
und andere heilsame/ bey ihnen oft auch wachsende/ Kräuter auß unseren Ge-
birgen jährlich zugeführet werden. Das ists/ was auß blosser betrachtung
der auf unseren Landen/ und Gebirgen stehenden Luft von der Helvetischen
Pflanzen kleinheit und vortrefflichkeit urtheilen wollen. Jch bleibe aber da-
bey nicht/ sondern gewahre/ das zu oberzehlten Wirkungen nicht wenig bey-
tragen können die rauhe/ kalte Lufte/ und beständig durch die höhenen blasen-
de Winde/ von welchen die röhr- und löchlein der Kräuteren/ Stauden/ und
Bäumen eingezogen/ die Zäserlein enger zusamen getriben/ des Nehrsafts
aufsteigen verhinderet/ und nur die flüchtigen/ geistreichen theil in die Stäm-
me/ Stengel/ Aeste/ Blätter/ Blumen und Früchte außgespendet werden/
ja wegen diser umstehenden kälte nicht so leicht/ wie in nidrigen Orten/ auß-
fliegen können. Jn betrachtung dessen ist sich nicht zuverwunderen/ daß die
Berg Bäume gemeinlich ein weit daurhafter/ und milter Holz haben/ als
andere/ so in den Thäleren/ oder sonst nidrigen Landen/ wachsen. Diß ge-
wahren unsere Handwerks-leuthe/ welche mit dem Holz umgehen. Jm
Glarnerland underscheidet man alles Bauholz in das Hoch- und Nie-
derwälder/
und wird jenes als das daurhaftere mehrentheils zu hölzer-
nen Häuseren gebraucht. Unsere Schreiner zeuhen dem gemeinen bey uns
wachsenden roht-thanninem Holz vor das so genante Hochwälder-Holz/
so ihnen auß denen hohen Wälden des Glarnerlands zukomt/ weilen diß
leichter/ luftiger/ von engeren Jahren/ folglich zu allerhand/ sonderlich reso-
nanz-
Böden/ und anderer der Music dienender/ Schreiner-arbeit beque-
mer. So spüret man auch einen merklichen unterscheid zwüschen unserem
und dem Glarnerischen Nußbäuminem Holz/ das dises daurhafter/
geschlachter/ milter/ leichter/ jenes aber schwerer/ gröber und härter. Ge-
hen wir von dem Glarnerland hinüber in die Sarganser Grafschaft/ so
finden wir ein nicht nur gemein hartes/ sondern wahrhaftig gestächletes
Holtz/ etc.

muß geleitet werden nicht nur die kleinheit der Berg-Pflanzen/ ſondern auch
dero ſcharffer/ gleichſam gewuͤrzter Geruch und Geſchmack. Ja auß eben
diſerem Grunddarff ich behaubten den unterſcheid der Berg- und Thal-
Kraͤuteren/ das nam̃lich diſe weit geringer ſeyen an Kraͤften/ als jene/ und
ins gemein unſere Schweizeriſche Pflanzen vil kraͤftiger/ als die Teutſchen/
Jtalieniſchen/ Franzoͤſiſchen/ Niderlaͤndiſchen gleiches Geſchlechts/ welches
in der that ſcheinen zu erkennen die Holl- und Engellaͤnder/ denen vil Wund-
und andere heilſame/ bey ihnen oft auch wachſende/ Kraͤuter auß unſeren Ge-
birgen jaͤhrlich zugefuͤhret werden. Das iſts/ was auß bloſſer betrachtung
der auf unſeren Landen/ und Gebirgen ſtehenden Luft von der Helvetiſchen
Pflanzen kleinheit und vortrefflichkeit urtheilen wollen. Jch bleibe aber da-
bey nicht/ ſondern gewahre/ das zu oberzehlten Wirkungen nicht wenig bey-
tragen koͤnnen die rauhe/ kalte Lufte/ und beſtaͤndig durch die hoͤhenen blaſen-
de Winde/ von welchen die roͤhr- und loͤchlein der Kraͤuteren/ Stauden/ und
Baͤumen eingezogen/ die Zaͤſerlein enger zuſamen getriben/ des Nehrſafts
aufſteigen verhinderet/ und nur die fluͤchtigen/ geiſtreichen theil in die Staͤm-
me/ Stengel/ Aeſte/ Blaͤtter/ Blumen und Fruͤchte außgeſpendet werden/
ja wegen diſer umſtehenden kaͤlte nicht ſo leicht/ wie in nidrigen Orten/ auß-
fliegen koͤnnen. Jn betrachtung deſſen iſt ſich nicht zuverwunderen/ daß die
Berg Baͤume gemeinlich ein weit daurhafter/ und milter Holz haben/ als
andere/ ſo in den Thaͤleren/ oder ſonſt nidrigen Landen/ wachſen. Diß ge-
wahren unſere Handwerks-leuthe/ welche mit dem Holz umgehen. Jm
Glarnerland underſcheidet man alles Bauholz in das Hoch- und Nie-
derwaͤlder/
und wird jenes als das daurhaftere mehrentheils zu hoͤlzer-
nen Haͤuſeren gebraucht. Unſere Schreiner zeuhen dem gemeinen bey uns
wachſenden roht-thañinem Holz vor das ſo genante Hochwaͤlder-Holz/
ſo ihnen auß denen hohen Waͤlden des Glarnerlands zukomt/ weilen diß
leichter/ luftiger/ von engeren Jahren/ folglich zu allerhand/ ſonderlich reſo-
nanz-
Boͤden/ und anderer der Muſic dienender/ Schreiner-arbeit beque-
mer. So ſpuͤret man auch einen merklichen unterſcheid zwuͤſchen unſerem
und dem Glarneriſchen Nußbaͤuminem Holz/ das diſes daurhafter/
geſchlachter/ milter/ leichter/ jenes aber ſchwerer/ groͤber und haͤrter. Ge-
hen wir von dem Glarnerland hinuͤber in die Sarganſer Grafſchaft/ ſo
finden wir ein nicht nur gemein hartes/ ſondern wahrhaftig geſtaͤchletes
Holtz/ ꝛc.

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[(64)[64]/0087] muß geleitet werden nicht nur die kleinheit der Berg-Pflanzen/ ſondern auch dero ſcharffer/ gleichſam gewuͤrzter Geruch und Geſchmack. Ja auß eben diſerem Grunddarff ich behaubten den unterſcheid der Berg- und Thal- Kraͤuteren/ das nam̃lich diſe weit geringer ſeyen an Kraͤften/ als jene/ und ins gemein unſere Schweizeriſche Pflanzen vil kraͤftiger/ als die Teutſchen/ Jtalieniſchen/ Franzoͤſiſchen/ Niderlaͤndiſchen gleiches Geſchlechts/ welches in der that ſcheinen zu erkennen die Holl- und Engellaͤnder/ denen vil Wund- und andere heilſame/ bey ihnen oft auch wachſende/ Kraͤuter auß unſeren Ge- birgen jaͤhrlich zugefuͤhret werden. Das iſts/ was auß bloſſer betrachtung der auf unſeren Landen/ und Gebirgen ſtehenden Luft von der Helvetiſchen Pflanzen kleinheit und vortrefflichkeit urtheilen wollen. Jch bleibe aber da- bey nicht/ ſondern gewahre/ das zu oberzehlten Wirkungen nicht wenig bey- tragen koͤnnen die rauhe/ kalte Lufte/ und beſtaͤndig durch die hoͤhenen blaſen- de Winde/ von welchen die roͤhr- und loͤchlein der Kraͤuteren/ Stauden/ und Baͤumen eingezogen/ die Zaͤſerlein enger zuſamen getriben/ des Nehrſafts aufſteigen verhinderet/ und nur die fluͤchtigen/ geiſtreichen theil in die Staͤm- me/ Stengel/ Aeſte/ Blaͤtter/ Blumen und Fruͤchte außgeſpendet werden/ ja wegen diſer umſtehenden kaͤlte nicht ſo leicht/ wie in nidrigen Orten/ auß- fliegen koͤnnen. Jn betrachtung deſſen iſt ſich nicht zuverwunderen/ daß die Berg Baͤume gemeinlich ein weit daurhafter/ und milter Holz haben/ als andere/ ſo in den Thaͤleren/ oder ſonſt nidrigen Landen/ wachſen. Diß ge- wahren unſere Handwerks-leuthe/ welche mit dem Holz umgehen. Jm Glarnerland underſcheidet man alles Bauholz in das Hoch- und Nie- derwaͤlder/ und wird jenes als das daurhaftere mehrentheils zu hoͤlzer- nen Haͤuſeren gebraucht. Unſere Schreiner zeuhen dem gemeinen bey uns wachſenden roht-thañinem Holz vor das ſo genante Hochwaͤlder-Holz/ ſo ihnen auß denen hohen Waͤlden des Glarnerlands zukomt/ weilen diß leichter/ luftiger/ von engeren Jahren/ folglich zu allerhand/ ſonderlich reſo- nanz-Boͤden/ und anderer der Muſic dienender/ Schreiner-arbeit beque- mer. So ſpuͤret man auch einen merklichen unterſcheid zwuͤſchen unſerem und dem Glarneriſchen Nußbaͤuminem Holz/ das diſes daurhafter/ geſchlachter/ milter/ leichter/ jenes aber ſchwerer/ groͤber und haͤrter. Ge- hen wir von dem Glarnerland hinuͤber in die Sarganſer Grafſchaft/ ſo finden wir ein nicht nur gemein hartes/ ſondern wahrhaftig geſtaͤchletes Holtz/ ꝛc.

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. (64)[64]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/87>, abgerufen am 24.11.2024.