Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.N. 10.) 15. Apr. 1705. Seltsamer Naturgeschichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung. Von den Bergneblen und Wolken. ES zerzanken sich unter einander die Naturlehrer wegen der Wolken/ ge-
N. 10.) 15. Apr. 1705. Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung. Von den Bergneblen und Wolken. ES zerzanken ſich unter einander die Naturlehrer wegen der Wolken/ ge-
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0052" n="37"/> <fw place="top" type="header">N. 10.)</fw> <div n="1"> <dateline> <hi rendition="#et">15. <hi rendition="#aq">Apr.</hi> 1705.</hi> </dateline><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <head> <hi rendition="#b">Seltſamer Naturgeſchichten</hi><lb/> <hi rendition="#fr">Des Schweizer-Lands</hi><lb/> <hi rendition="#b">Wochentliche Erzehlung.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Von den Bergneblen und Wolken.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>S zerzanken ſich unter einander die Naturlehrer wegen der Wolken/<lb/> woher ſie kom̃en? worauß ſie beſtehen? wie ſie in freyer Luft koͤñen ſchwe-<lb/> ben? Das meiſte aber/ das ſie hieruͤber der Welt vortragen/ ſeyn in<lb/> dem Hirn geſponnene Grillen. Jch bitte/ ſie ſpatzieren ſelbs auf die hohen Ge-<lb/> birge/ oder begeben ſich in die Schul der Aelpleren/ wann es ihrem hohen An-<lb/> ſehen nicht zuwider/ ſo werden ſie eins und anders erfahren/ ja mit Augen ſe-<lb/> hen/ was zum Fundament der ſach dienet. Diſe einfaltige Leuthe werden<lb/> ihnen mit den Fingeren zeigen/ wie die Wolken anders nichts ſeyen/ als Ne-<lb/> bel/ wie ſie nicht ſo vaſt von dem Meer her durch die Luft getragen an die<lb/> Berge anſtoſſen/ als aber auß den Bergen ſelbs aufſteigen in form kleiner<lb/> zertheilter Neblen/ welche hernach ſich weiter auf- und in wolken zuſamen zeu-<lb/> hen. Jch habe mich in meinen Reiſen hieruͤber zum oͤfteren verwundert/ und<lb/> mit luſt zugeſehen/ wie diſe außdempfungen etwan den ganzen Berg/ auf de-<lb/> me domals gereiſet/ uͤberzogen/ und mich ſelbs eingewicklet haben/ daß kaum<lb/> 20. oder 30. Schritt weit vor mir ſehen koͤnnen/ da ich doch kurz vorher bey<lb/> 30.40. und mehr kleine duͤnne Nebelein bey klarem Wetter habe geſehen<lb/> aufſteigen/ bald auch/ nach deme die Wolken durchreiſet hab/ widerum einen<lb/> hellen Proſpect/ oder weite außſicht vor mir gehabt. Es hat mich diſere<lb/> wolkichte außdaͤmpfung erinneret an die ſichtbare außrauchungen unſerer<lb/> Fluͤſſen/ und auch Felderen/ welche gewahret werden zu anfang des Winters/<lb/> wann nam̃lich die aufſteigenden Duͤnſte durch die kalte Luft verdickeret/ gleich<lb/> unſerem eigenen Athem/ ſichtbar werden/ welche in Sommerlichen und an-<lb/> deren warmen Tagen ſich zertheilen/ und auß unſeren augen ſich verlieren.<lb/> Jn mehrerem nachdenken habe mir ſelbs die Fragen vorgeleget/ welche auch<lb/> andern zueroͤrteren uͤberlaſſe/ ob nicht bey diſen unſeren Bergwolken koͤnne<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ge-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0052]
N. 10.)
15. Apr. 1705.
Seltſamer Naturgeſchichten
Des Schweizer-Lands
Wochentliche Erzehlung.
Von den Bergneblen und Wolken.
ES zerzanken ſich unter einander die Naturlehrer wegen der Wolken/
woher ſie kom̃en? worauß ſie beſtehen? wie ſie in freyer Luft koͤñen ſchwe-
ben? Das meiſte aber/ das ſie hieruͤber der Welt vortragen/ ſeyn in
dem Hirn geſponnene Grillen. Jch bitte/ ſie ſpatzieren ſelbs auf die hohen Ge-
birge/ oder begeben ſich in die Schul der Aelpleren/ wann es ihrem hohen An-
ſehen nicht zuwider/ ſo werden ſie eins und anders erfahren/ ja mit Augen ſe-
hen/ was zum Fundament der ſach dienet. Diſe einfaltige Leuthe werden
ihnen mit den Fingeren zeigen/ wie die Wolken anders nichts ſeyen/ als Ne-
bel/ wie ſie nicht ſo vaſt von dem Meer her durch die Luft getragen an die
Berge anſtoſſen/ als aber auß den Bergen ſelbs aufſteigen in form kleiner
zertheilter Neblen/ welche hernach ſich weiter auf- und in wolken zuſamen zeu-
hen. Jch habe mich in meinen Reiſen hieruͤber zum oͤfteren verwundert/ und
mit luſt zugeſehen/ wie diſe außdempfungen etwan den ganzen Berg/ auf de-
me domals gereiſet/ uͤberzogen/ und mich ſelbs eingewicklet haben/ daß kaum
20. oder 30. Schritt weit vor mir ſehen koͤnnen/ da ich doch kurz vorher bey
30.40. und mehr kleine duͤnne Nebelein bey klarem Wetter habe geſehen
aufſteigen/ bald auch/ nach deme die Wolken durchreiſet hab/ widerum einen
hellen Proſpect/ oder weite außſicht vor mir gehabt. Es hat mich diſere
wolkichte außdaͤmpfung erinneret an die ſichtbare außrauchungen unſerer
Fluͤſſen/ und auch Felderen/ welche gewahret werden zu anfang des Winters/
wann nam̃lich die aufſteigenden Duͤnſte durch die kalte Luft verdickeret/ gleich
unſerem eigenen Athem/ ſichtbar werden/ welche in Sommerlichen und an-
deren warmen Tagen ſich zertheilen/ und auß unſeren augen ſich verlieren.
Jn mehrerem nachdenken habe mir ſelbs die Fragen vorgeleget/ welche auch
andern zueroͤrteren uͤberlaſſe/ ob nicht bey diſen unſeren Bergwolken koͤnne
ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |