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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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den. Der Schrecken ware so groß/ daß die Leuthe nicht allein auß den Mülli-
nen/ so doch noch unbeschädiget geblieben/ sonder zu oberst im Flecken auß
den Häuseren ihre Sachen anderwerts in sicherheit getragen. Jn summa/
es hat uns der Gerechte Gott mit schrecken/ und schaden heimgesucht/ der auf
etlich 1000. Gulden/ so das gemein Wesen/ und besondere Personen leiden/
gerechnet wird. Um den Gotthart sind die Wasser auch sehr streng ange-
wachsen/ so daß disseits die Reuß/ und jenseits der Tesin mit wegführung der
Brucken/ abreissung des wegs/ grossen schaden verursachet. An der Schöl-
linen/ einem engen Paß zwischen der so genanten Teufelsbrugk/ und Gesti-
nen/ sol ein stuck vom weg wol in die 20. klafter lang eingefallen sein/ wel-
ches mit grosser mühe und unkösten widerum hat müssen ersetzet werden/ da-
mit der Paß auß dem Schweizerland in Jtalien offen bleibe. Jm Glar-
nerland sind die Waldwasser so angeloffen/ daß neben anderm auch 7. ge-
wölbte Brucken verderbt worden. Zu anfang des Novembris ist durch
anhaltende Regen die Linth so hoch angewachsen/ daß sich keine alte Leuthe
um gegenwertige Jahrszeit zuentsinnen wüssen. Absonderlich müssen die
Bergwasser angeloffen seyn jenseits der hohen Gebirgen auf seiten Jtalien/
weilen die Zeitungen uns nicht genugsam beschreiben können den elenden
Zustand/ in welchen vil Länder/ Güter/ und Völker gesetzet worden. Auf
dem platz zu Luggarus/ einem unter der XII. Ohrten Regierung stehenden
schönen Flecken/ fuhre man mit Schiffen. Vil andere am Langensee (Lacus
Verbanus, Lago Maggiore
) ligende Orte/ waren in grosser gefahr der
überschwemmung. Jn Jtalien war von Pavia bis Voghera anders
nichts zusehen als lauter Wasser/ so gar ist der Tesin überloffen. So hat
auch der Po Fluß vil Land unter Wasser gesezt/ und die Menschen genöhti-
get/ sich auf die Bäume/ und Tächer zu flüchten. Das Ferrarische/ Man-
tuanische/ Polesinische/ und Modenesische/ stuhnden allerdings unter Was-
ser. Und sollen dem Bericht nach nicht nur vil Häuser weggeschwemt/ son-
der über 1000. Personen ertränkt worden seyn. Ja es sollen hin und wider in
Jtalischen Landen die Wasser innert wenig wochen mehr schaden gethan haben/
als beyde Armeen den ganzen dißjährigen Feldzug hindurch. Es ist aber mein
Vorhaben nicht/ das Papeir anzufüllen mit vilen besonderen auß Jtalien
herzuholenden Zeitungen; Jch halte mich allein an der Schweiz/ und gehe
gleichwol/ meinem Vatterland zugefallen/ nicht nur in die Nachbarschaft
Jtaliens/ sondern gar über das Mittelländische Meer in Asien. Wie ist
das zuverstehen? Es beliebe der geehrte Leser in antwort folgendes zubemer-

ken/

den. Der Schrecken ware ſo groß/ daß die Leuthe nicht allein auß den Muͤlli-
nen/ ſo doch noch unbeſchaͤdiget geblieben/ ſonder zu oberſt im Flecken auß
den Haͤuſeren ihre Sachen anderwerts in ſicherheit getragen. Jn ſumma/
es hat uns der Gerechte Gott mit ſchrecken/ und ſchaden heimgeſucht/ der auf
etlich 1000. Gulden/ ſo das gemein Weſen/ und beſondere Perſonen leiden/
gerechnet wird. Um den Gotthart ſind die Waſſer auch ſehr ſtreng ange-
wachſen/ ſo daß diſſeits die Reuß/ und jenſeits der Teſin mit wegfuͤhrung der
Brucken/ abreiſſung des wegs/ groſſen ſchaden verurſachet. An der Schoͤl-
linen/ einem engen Paß zwiſchen der ſo genanten Teufelsbrugk/ und Geſti-
nen/ ſol ein ſtuck vom weg wol in die 20. klafter lang eingefallen ſein/ wel-
ches mit groſſer muͤhe und unkoͤſten widerum hat muͤſſen erſetzet werden/ da-
mit der Paß auß dem Schweizerland in Jtalien offen bleibe. Jm Glar-
nerland ſind die Waldwaſſer ſo angeloffen/ daß neben anderm auch 7. ge-
woͤlbte Brucken verderbt worden. Zu anfang des Novembris iſt durch
anhaltende Regen die Linth ſo hoch angewachſen/ daß ſich keine alte Leuthe
um gegenwertige Jahrszeit zuentſinnen wuͤſſen. Abſonderlich muͤſſen die
Bergwaſſer angeloffen ſeyn jenſeits der hohen Gebirgen auf ſeiten Jtalien/
weilen die Zeitungen uns nicht genugſam beſchreiben koͤnnen den elenden
Zuſtand/ in welchen vil Laͤnder/ Guͤter/ und Voͤlker geſetzet worden. Auf
dem platz zu Luggarus/ einem unter der XII. Ohrten Regierung ſtehenden
ſchoͤnen Flecken/ fuhre man mit Schiffen. Vil andere am Langenſee (Lacus
Verbanus, Lago Maggiore
) ligende Orte/ waren in groſſer gefahr der
uͤberſchwemmung. Jn Jtalien war von Pavia bis Voghera anders
nichts zuſehen als lauter Waſſer/ ſo gar iſt der Teſin uͤberloffen. So hat
auch der Po Fluß vil Land unter Waſſer geſezt/ und die Menſchen genoͤhti-
get/ ſich auf die Baͤume/ und Taͤcher zu fluͤchten. Das Ferꝛariſche/ Man-
tuaniſche/ Poleſiniſche/ und Modeneſiſche/ ſtuhnden allerdings unter Waſ-
ſer. Und ſollen dem Bericht nach nicht nur vil Haͤuſer weggeſchwemt/ ſon-
der uͤber 1000. Perſonen ertraͤnkt worden ſeyn. Ja es ſollen hin und wider in
Jtaliſchen Landen die Waſſer iñert wenig wochen mehr ſchaden gethan habẽ/
als beyde Armeen den ganzen dißjaͤhrigen Feldzug hindurch. Es iſt aber mein
Vorhaben nicht/ das Papeir anzufuͤllen mit vilen beſonderen auß Jtalien
herzuholenden Zeitungen; Jch halte mich allein an der Schweiz/ und gehe
gleichwol/ meinem Vatterland zugefallen/ nicht nur in die Nachbarſchaft
Jtaliens/ ſondern gar uͤber das Mittellaͤndiſche Meer in Aſien. Wie iſt
das zuverſtehen? Es beliebe der geehrte Leſer in antwort folgendes zubemer-

ken/
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[(183)[183]/0220] den. Der Schrecken ware ſo groß/ daß die Leuthe nicht allein auß den Muͤlli- nen/ ſo doch noch unbeſchaͤdiget geblieben/ ſonder zu oberſt im Flecken auß den Haͤuſeren ihre Sachen anderwerts in ſicherheit getragen. Jn ſumma/ es hat uns der Gerechte Gott mit ſchrecken/ und ſchaden heimgeſucht/ der auf etlich 1000. Gulden/ ſo das gemein Weſen/ und beſondere Perſonen leiden/ gerechnet wird. Um den Gotthart ſind die Waſſer auch ſehr ſtreng ange- wachſen/ ſo daß diſſeits die Reuß/ und jenſeits der Teſin mit wegfuͤhrung der Brucken/ abreiſſung des wegs/ groſſen ſchaden verurſachet. An der Schoͤl- linen/ einem engen Paß zwiſchen der ſo genanten Teufelsbrugk/ und Geſti- nen/ ſol ein ſtuck vom weg wol in die 20. klafter lang eingefallen ſein/ wel- ches mit groſſer muͤhe und unkoͤſten widerum hat muͤſſen erſetzet werden/ da- mit der Paß auß dem Schweizerland in Jtalien offen bleibe. Jm Glar- nerland ſind die Waldwaſſer ſo angeloffen/ daß neben anderm auch 7. ge- woͤlbte Brucken verderbt worden. Zu anfang des Novembris iſt durch anhaltende Regen die Linth ſo hoch angewachſen/ daß ſich keine alte Leuthe um gegenwertige Jahrszeit zuentſinnen wuͤſſen. Abſonderlich muͤſſen die Bergwaſſer angeloffen ſeyn jenſeits der hohen Gebirgen auf ſeiten Jtalien/ weilen die Zeitungen uns nicht genugſam beſchreiben koͤnnen den elenden Zuſtand/ in welchen vil Laͤnder/ Guͤter/ und Voͤlker geſetzet worden. Auf dem platz zu Luggarus/ einem unter der XII. Ohrten Regierung ſtehenden ſchoͤnen Flecken/ fuhre man mit Schiffen. Vil andere am Langenſee (Lacus Verbanus, Lago Maggiore) ligende Orte/ waren in groſſer gefahr der uͤberſchwemmung. Jn Jtalien war von Pavia bis Voghera anders nichts zuſehen als lauter Waſſer/ ſo gar iſt der Teſin uͤberloffen. So hat auch der Po Fluß vil Land unter Waſſer geſezt/ und die Menſchen genoͤhti- get/ ſich auf die Baͤume/ und Taͤcher zu fluͤchten. Das Ferꝛariſche/ Man- tuaniſche/ Poleſiniſche/ und Modeneſiſche/ ſtuhnden allerdings unter Waſ- ſer. Und ſollen dem Bericht nach nicht nur vil Haͤuſer weggeſchwemt/ ſon- der uͤber 1000. Perſonen ertraͤnkt worden ſeyn. Ja es ſollen hin und wider in Jtaliſchen Landen die Waſſer iñert wenig wochen mehr ſchaden gethan habẽ/ als beyde Armeen den ganzen dißjaͤhrigen Feldzug hindurch. Es iſt aber mein Vorhaben nicht/ das Papeir anzufuͤllen mit vilen beſonderen auß Jtalien herzuholenden Zeitungen; Jch halte mich allein an der Schweiz/ und gehe gleichwol/ meinem Vatterland zugefallen/ nicht nur in die Nachbarſchaft Jtaliens/ ſondern gar uͤber das Mittellaͤndiſche Meer in Aſien. Wie iſt das zuverſtehen? Es beliebe der geehrte Leſer in antwort folgendes zubemer- ken/

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. (183)[183]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/220>, abgerufen am 24.11.2024.