Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

psc_266.001
das sachbezeichnende Substantiv. Dies kann aber aufgefrischt psc_266.002
werden durch ein Epitheton ornans, welches eine Eigenschaft psc_266.003
hervorhebt und dadurch analytisch oder synthetisch individualisirt. psc_266.004
Ebenso wirkt die Apposition. Ähnliches bieten Composita, psc_266.005
besonders wenn sie neu sind; die altgermanische Poefie psc_266.006
hat vielfach solche Composita, welche ganz wie Epitheta psc_266.007
ornantia
wirken. Ähnlichen Eindruck machen auch Relativsätze, psc_266.008
aber sie sind verhältnißmäßig weniger poetisch, schon psc_266.009
wegen des Relativums.

psc_266.010

3) Jn 2) bleibt das Substantiv; es kann aber ersetzt psc_266.011
werden durch ein synonymes umschreibendes Compositum oder psc_266.012
durch einen umschreibenden Relativsatz mit Substantiv.

psc_266.013

4) Wie in 2) eine Einzelheit hervorgehoben wird, so psc_266.014
kann auch Folgendes geschehen: eine Eigenschaft kann als psc_266.015
Substantiv (Abstractum) hingestellt und personificirt werden, psc_266.016
der Träger dieser Eigenschaft im Genitiv dabei: "des Alkinoos psc_266.017
heilige Kraft", "Ew. Majestät" u. s. w. -- Periphrasis.

psc_266.018

5) Dasselbe istes, wenn auf das Substantiv zurückgegriffen psc_266.019
wird in folgendem Satz: "ihre Tugend ließ einen solchen psc_266.020
Schritt nicht zu". Die Eigenschaft ist wie ein selbständiges psc_266.021
Wesen behandelt. So oft in mittelhochdeutscher Poesie; freilich psc_266.022
zum Theil so gewöhnlich und dadurch abgeschwächt, daß nur noch psc_266.023
geringe poetische Wirkung damit verbunden ist. Jmmerhin wird psc_266.024
dadurch ein starker Verbrauch von Abstractis veranlaßt, der psc_266.025
nicht wünschenswerth ist.

psc_266.026

6) Hierher gehören alle Erscheinungen der Metonymie psc_266.027
und Synekdoche, so weit sie poetisch wirken; denn unsere landläufigen psc_266.028
Lehren, Brosamen vom Tische der Alten, sind darin

psc_266.001
das sachbezeichnende Substantiv. Dies kann aber aufgefrischt psc_266.002
werden durch ein Epitheton ornans, welches eine Eigenschaft psc_266.003
hervorhebt und dadurch analytisch oder synthetisch individualisirt. psc_266.004
Ebenso wirkt die Apposition. Ähnliches bieten Composita, psc_266.005
besonders wenn sie neu sind; die altgermanische Poefie psc_266.006
hat vielfach solche Composita, welche ganz wie Epitheta psc_266.007
ornantia
wirken. Ähnlichen Eindruck machen auch Relativsätze, psc_266.008
aber sie sind verhältnißmäßig weniger poetisch, schon psc_266.009
wegen des Relativums.

psc_266.010

  3) Jn 2) bleibt das Substantiv; es kann aber ersetzt psc_266.011
werden durch ein synonymes umschreibendes Compositum oder psc_266.012
durch einen umschreibenden Relativsatz mit Substantiv.

psc_266.013

  4) Wie in 2) eine Einzelheit hervorgehoben wird, so psc_266.014
kann auch Folgendes geschehen: eine Eigenschaft kann als psc_266.015
Substantiv (Abstractum) hingestellt und personificirt werden, psc_266.016
der Träger dieser Eigenschaft im Genitiv dabei: „des Alkinoos psc_266.017
heilige Kraft“, „Ew. Majestät“ u. s. w. — Periphrasis.

psc_266.018

  5) Dasselbe istes, wenn auf das Substantiv zurückgegriffen psc_266.019
wird in folgendem Satz: „ihre Tugend ließ einen solchen psc_266.020
Schritt nicht zu“. Die Eigenschaft ist wie ein selbständiges psc_266.021
Wesen behandelt. So oft in mittelhochdeutscher Poesie; freilich psc_266.022
zum Theil so gewöhnlich und dadurch abgeschwächt, daß nur noch psc_266.023
geringe poetische Wirkung damit verbunden ist. Jmmerhin wird psc_266.024
dadurch ein starker Verbrauch von Abstractis veranlaßt, der psc_266.025
nicht wünschenswerth ist.

psc_266.026

  6) Hierher gehören alle Erscheinungen der Metonymie psc_266.027
und Synekdoche, so weit sie poetisch wirken; denn unsere landläufigen psc_266.028
Lehren, Brosamen vom Tische der Alten, sind darin

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0282" n="266"/><lb n="psc_266.001"/>
das sachbezeichnende Substantiv. Dies kann aber aufgefrischt <lb n="psc_266.002"/>
werden durch ein <hi rendition="#aq">Epitheton ornans</hi>, welches eine Eigenschaft <lb n="psc_266.003"/>
hervorhebt und dadurch analytisch oder synthetisch individualisirt. <lb n="psc_266.004"/>
Ebenso wirkt die Apposition. Ähnliches bieten Composita, <lb n="psc_266.005"/>
besonders wenn sie neu sind; die altgermanische Poefie <lb n="psc_266.006"/>
hat vielfach solche Composita, welche ganz wie <hi rendition="#aq">Epitheta <lb n="psc_266.007"/>
ornantia</hi> wirken. Ähnlichen Eindruck machen auch Relativsätze, <lb n="psc_266.008"/>
aber sie sind verhältnißmäßig weniger poetisch, schon <lb n="psc_266.009"/>
wegen des Relativums.</p>
          <lb n="psc_266.010"/>
          <p>  3) Jn 2) bleibt das Substantiv; es kann aber ersetzt <lb n="psc_266.011"/>
werden durch ein synonymes umschreibendes Compositum oder <lb n="psc_266.012"/>
durch einen umschreibenden Relativsatz mit Substantiv.</p>
          <lb n="psc_266.013"/>
          <p>  4) Wie in 2) eine Einzelheit hervorgehoben wird, so <lb n="psc_266.014"/>
kann auch Folgendes geschehen: eine Eigenschaft kann als <lb n="psc_266.015"/>
Substantiv (Abstractum) hingestellt und personificirt werden, <lb n="psc_266.016"/>
der Träger dieser Eigenschaft im Genitiv dabei: &#x201E;des Alkinoos <lb n="psc_266.017"/>
heilige Kraft&#x201C;, &#x201E;Ew. Majestät&#x201C; u. s. w. &#x2014; Periphrasis.</p>
          <lb n="psc_266.018"/>
          <p>  5) Dasselbe istes, wenn auf das Substantiv zurückgegriffen <lb n="psc_266.019"/>
wird in folgendem Satz: &#x201E;ihre Tugend ließ einen solchen <lb n="psc_266.020"/>
Schritt nicht zu&#x201C;. Die Eigenschaft ist wie ein selbständiges <lb n="psc_266.021"/>
Wesen behandelt. So oft in mittelhochdeutscher Poesie; freilich <lb n="psc_266.022"/>
zum Theil so gewöhnlich und dadurch abgeschwächt, daß nur noch <lb n="psc_266.023"/>
geringe poetische Wirkung damit verbunden ist. Jmmerhin wird <lb n="psc_266.024"/>
dadurch ein starker Verbrauch von Abstractis veranlaßt, der <lb n="psc_266.025"/>
nicht wünschenswerth ist.</p>
          <lb n="psc_266.026"/>
          <p>  6) Hierher gehören alle Erscheinungen der Metonymie <lb n="psc_266.027"/>
und Synekdoche, so weit sie poetisch wirken; denn unsere landläufigen <lb n="psc_266.028"/>
Lehren, Brosamen vom Tische der Alten, sind darin
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0282] psc_266.001 das sachbezeichnende Substantiv. Dies kann aber aufgefrischt psc_266.002 werden durch ein Epitheton ornans, welches eine Eigenschaft psc_266.003 hervorhebt und dadurch analytisch oder synthetisch individualisirt. psc_266.004 Ebenso wirkt die Apposition. Ähnliches bieten Composita, psc_266.005 besonders wenn sie neu sind; die altgermanische Poefie psc_266.006 hat vielfach solche Composita, welche ganz wie Epitheta psc_266.007 ornantia wirken. Ähnlichen Eindruck machen auch Relativsätze, psc_266.008 aber sie sind verhältnißmäßig weniger poetisch, schon psc_266.009 wegen des Relativums. psc_266.010   3) Jn 2) bleibt das Substantiv; es kann aber ersetzt psc_266.011 werden durch ein synonymes umschreibendes Compositum oder psc_266.012 durch einen umschreibenden Relativsatz mit Substantiv. psc_266.013   4) Wie in 2) eine Einzelheit hervorgehoben wird, so psc_266.014 kann auch Folgendes geschehen: eine Eigenschaft kann als psc_266.015 Substantiv (Abstractum) hingestellt und personificirt werden, psc_266.016 der Träger dieser Eigenschaft im Genitiv dabei: „des Alkinoos psc_266.017 heilige Kraft“, „Ew. Majestät“ u. s. w. — Periphrasis. psc_266.018   5) Dasselbe istes, wenn auf das Substantiv zurückgegriffen psc_266.019 wird in folgendem Satz: „ihre Tugend ließ einen solchen psc_266.020 Schritt nicht zu“. Die Eigenschaft ist wie ein selbständiges psc_266.021 Wesen behandelt. So oft in mittelhochdeutscher Poesie; freilich psc_266.022 zum Theil so gewöhnlich und dadurch abgeschwächt, daß nur noch psc_266.023 geringe poetische Wirkung damit verbunden ist. Jmmerhin wird psc_266.024 dadurch ein starker Verbrauch von Abstractis veranlaßt, der psc_266.025 nicht wünschenswerth ist. psc_266.026   6) Hierher gehören alle Erscheinungen der Metonymie psc_266.027 und Synekdoche, so weit sie poetisch wirken; denn unsere landläufigen psc_266.028 Lehren, Brosamen vom Tische der Alten, sind darin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/282
Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/282>, abgerufen am 25.11.2024.