psc_257.001 Schicksal überschlägt; eine schickliche Abwechselung zwischen Handlung psc_257.002 und Reden; nicht zu viel von Einer Art; und namentlich psc_257.003 nicht zu viel Reden. Der Handlung kann fast nicht zu viel psc_257.004 werden; es müßte denn ein Übermaß von Buntheit eintreten psc_257.005 und das Aufregende gar zu sehr gehäuft sein, zu viel athemloses psc_257.006 Fortstürmen ohne Momente des Ausruhens, so daß man ermüdet psc_257.007 und die Effecte sich gegenseitig todtschlagen.
psc_257.008
So viel über die Frage der Abwechselung. Ferner muß psc_257.009 die Frage der Einheit und Folge hier wieder behandelt psc_257.010 werden, weil es sich jetzt um die Mittel handelt, dieselbe herzustellen. psc_257.011 Hauptsächlich wichtig ist ein schickliches Verhältniß psc_257.012 zwischen Haupt- und Nebenmotiven. Aber wie immer giebt psc_257.013 es auch hier keine allein seligmachende Form. Auch hier psc_257.014 verschiedene Möglichkeiten: straffere Einheit, losere Einheit. psc_257.015 Jene in Tragödien von französischem Bau, diese bei Shakespeare: psc_257.016 Doppelhandlung wie im "König Lear."
psc_257.017
Losere Einheit also z. B., wo Episoden sich verhältnißmäßig psc_257.018 stark ausbreiten, wo Nebenfiguren große Bedeutung psc_257.019 gewinnen; so Gawan in Wolframs "Parzival" absichtlich, dagegen psc_257.020 Rudolf in Grillparzers "Ottokar" vielleicht nicht absichtlich: psc_257.021 verfehlt, daß der Gegenspieler eine gute Sache zu psc_257.022 vertreten scheint. Die Schwierigkeit der Einheit ist eben psc_257.023 dann recht groß, wenn die Hauptfigur einen bedeutenden psc_257.024 Gegenspieler hat, wie in "Maria Stuart": Schiller mußte psc_257.025 Elisabeth so drücken, daß sie Nebenperson bleibt.
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Losere Einheit ist auch dann vorhanden, wenn mehrere psc_257.027 Handlungen, die nach einander folgen, nur durch die Einheit psc_257.028 des Trägers zusammengehalten werden: eine Art biographischer
psc_257.001 Schicksal überschlägt; eine schickliche Abwechselung zwischen Handlung psc_257.002 und Reden; nicht zu viel von Einer Art; und namentlich psc_257.003 nicht zu viel Reden. Der Handlung kann fast nicht zu viel psc_257.004 werden; es müßte denn ein Übermaß von Buntheit eintreten psc_257.005 und das Aufregende gar zu sehr gehäuft sein, zu viel athemloses psc_257.006 Fortstürmen ohne Momente des Ausruhens, so daß man ermüdet psc_257.007 und die Effecte sich gegenseitig todtschlagen.
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So viel über die Frage der Abwechselung. Ferner muß psc_257.009 die Frage der Einheit und Folge hier wieder behandelt psc_257.010 werden, weil es sich jetzt um die Mittel handelt, dieselbe herzustellen. psc_257.011 Hauptsächlich wichtig ist ein schickliches Verhältniß psc_257.012 zwischen Haupt- und Nebenmotiven. Aber wie immer giebt psc_257.013 es auch hier keine allein seligmachende Form. Auch hier psc_257.014 verschiedene Möglichkeiten: straffere Einheit, losere Einheit. psc_257.015 Jene in Tragödien von französischem Bau, diese bei Shakespeare: psc_257.016 Doppelhandlung wie im „König Lear.“
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Losere Einheit also z. B., wo Episoden sich verhältnißmäßig psc_257.018 stark ausbreiten, wo Nebenfiguren große Bedeutung psc_257.019 gewinnen; so Gawan in Wolframs „Parzival“ absichtlich, dagegen psc_257.020 Rudolf in Grillparzers „Ottokar“ vielleicht nicht absichtlich: psc_257.021 verfehlt, daß der Gegenspieler eine gute Sache zu psc_257.022 vertreten scheint. Die Schwierigkeit der Einheit ist eben psc_257.023 dann recht groß, wenn die Hauptfigur einen bedeutenden psc_257.024 Gegenspieler hat, wie in „Maria Stuart“: Schiller mußte psc_257.025 Elisabeth so drücken, daß sie Nebenperson bleibt.
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Schicksal überschlägt; eine schickliche Abwechselung zwischen Handlung psc_257.002
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Rudolf in Grillparzers „Ottokar“ vielleicht nicht absichtlich: psc_257.021
verfehlt, daß der Gegenspieler eine gute Sache zu psc_257.022
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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/273>, abgerufen am 16.02.2025.
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