Ein wichtiger Theil der Composition ist die Exposition, psc_254.002 und sie spielt keineswegs bloß für das Drama, sondern fast psc_254.003 in aller Poesie eine Rolle. Es müßte wenigstens besonders psc_254.004 untersucht werden, in welchen Fällen Exposition nicht nöthig. psc_254.005 Jm Gelegenheitsgedicht ist sie überflüssig: diese Gelegenheit psc_254.006 ist jedermann gegenwärtig. Jn vielen Epigrammen kann psc_254.007 die Exposition entbehrt werden, wenn sie wirklich auf dem psc_254.008 Gegenstand stehen, dem sie gelten; aber wenn sie im Buch psc_254.009 erscheinen, muß dies durch Überschrift hinzugefügt werden. Und psc_254.010 so vertreten häufig die Überschriften, zuweilen schon die psc_254.011 Büchertitel die Exposition.
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Eine allgemeine Regel ist, daß Steigerung günstig psc_254.013 wirkt. Diese Empfehlung der Steigerung ergiebt sich aus psc_254.014 der Lehre vom Publicum, speciell von der Aufmerksamkeit. psc_254.015 Das Theaterpublicum ist im Anfang williger Thatsachen psc_254.016 hinzunehmen, gegen Ende hin schwieriger zu fesseln: und psc_254.017 gegen Ende hin herrscht auch mehr Ungeduld, fertig zu psc_254.018 werden; deßhalb muß die Handlung rascher verlaufen.
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Jn der Lyrik ist es ein wesentlicher Unterschied, ob der psc_254.020 Eingang ausgebildet wird, wie im deutschen Volkslied des psc_254.021 14. und 15. Jahrhunderts; oder ob eine Schlußpointe gesucht psc_254.022 wird, wie in der galanten Lyrik des 17. Jahrhunderts. psc_254.023 Dort ist die Meinung: vor allem gewinnen! hier ist Steigerung psc_254.024 erwünscht, Spannung auf den Schluß; dort auf Melodie psc_254.025 gerechnet, hier im allgemeinen eine Lesepoesie gemeint.
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Hier schlägt die Betrachtung von Goethe zur Lehre von psc_254.027 der Composition im Aufsatz über epische und dramatische psc_254.028 Dichtung (Hempel 29, 224) ein:
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Ein wichtiger Theil der Composition ist die Exposition, psc_254.002 und sie spielt keineswegs bloß für das Drama, sondern fast psc_254.003 in aller Poesie eine Rolle. Es müßte wenigstens besonders psc_254.004 untersucht werden, in welchen Fällen Exposition nicht nöthig. psc_254.005 Jm Gelegenheitsgedicht ist sie überflüssig: diese Gelegenheit psc_254.006 ist jedermann gegenwärtig. Jn vielen Epigrammen kann psc_254.007 die Exposition entbehrt werden, wenn sie wirklich auf dem psc_254.008 Gegenstand stehen, dem sie gelten; aber wenn sie im Buch psc_254.009 erscheinen, muß dies durch Überschrift hinzugefügt werden. Und psc_254.010 so vertreten häufig die Überschriften, zuweilen schon die psc_254.011 Büchertitel die Exposition.
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Eine allgemeine Regel ist, daß Steigerung günstig psc_254.013 wirkt. Diese Empfehlung der Steigerung ergiebt sich aus psc_254.014 der Lehre vom Publicum, speciell von der Aufmerksamkeit. psc_254.015 Das Theaterpublicum ist im Anfang williger Thatsachen psc_254.016 hinzunehmen, gegen Ende hin schwieriger zu fesseln: und psc_254.017 gegen Ende hin herrscht auch mehr Ungeduld, fertig zu psc_254.018 werden; deßhalb muß die Handlung rascher verlaufen.
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Jn der Lyrik ist es ein wesentlicher Unterschied, ob der psc_254.020 Eingang ausgebildet wird, wie im deutschen Volkslied des psc_254.021 14. und 15. Jahrhunderts; oder ob eine Schlußpointe gesucht psc_254.022 wird, wie in der galanten Lyrik des 17. Jahrhunderts. psc_254.023 Dort ist die Meinung: vor allem gewinnen! hier ist Steigerung psc_254.024 erwünscht, Spannung auf den Schluß; dort auf Melodie psc_254.025 gerechnet, hier im allgemeinen eine Lesepoesie gemeint.
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Hier schlägt die Betrachtung von Goethe zur Lehre von psc_254.027 der Composition im Aufsatz über epische und dramatische psc_254.028 Dichtung (Hempel 29, 224) ein:
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Eine allgemeine Regel ist, daß Steigerung günstig psc_254.013
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Das Theaterpublicum ist im Anfang williger Thatsachen psc_254.016
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Jn der Lyrik ist es ein wesentlicher Unterschied, ob der psc_254.020
Eingang ausgebildet wird, wie im deutschen Volkslied des psc_254.021
14. und 15. Jahrhunderts; oder ob eine Schlußpointe gesucht psc_254.022
wird, wie in der galanten Lyrik des 17. Jahrhunderts. psc_254.023
Dort ist die Meinung: vor allem gewinnen! hier ist Steigerung psc_254.024
erwünscht, Spannung auf den Schluß; dort auf Melodie psc_254.025
gerechnet, hier im allgemeinen eine Lesepoesie gemeint.
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Hier schlägt die Betrachtung von Goethe zur Lehre von psc_254.027
der Composition im Aufsatz über epische und dramatische psc_254.028
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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/270>, abgerufen am 16.02.2025.
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