Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_010.001 Es sind dies: 1. Chorlied; 2. Sprichwort; 3. Märchen. psc_010.009 1. Chorlied ist festlicher Tanz verbunden mit gesungenen psc_010.010 psc_010.001 Es sind dies: 1. Chorlied; 2. Sprichwort; 3. Märchen. psc_010.009 1. Chorlied ist festlicher Tanz verbunden mit gesungenen psc_010.010 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0026" n="10"/><lb n="psc_010.001"/> drei ausheben, welche zugleich kunstmäßig und unzweifelhaft <lb n="psc_010.002"/> poetisch genannt werden müssen, wenn wir bei dem Namen <lb n="psc_010.003"/> „Poesie“ den Sprachgebrauch festhalten wollen. Es sind <lb n="psc_010.004"/> aller Wahrscheinlichkeit nach die ältesten überhaupt vorhandenen: <lb n="psc_010.005"/> auf sie führen die Spuren der Anfänge später hochentwickelter <lb n="psc_010.006"/> Litteraturen, und sie finden wir im Gebrauch der <lb n="psc_010.007"/> heutigen Naturvölker.</p> <lb n="psc_010.008"/> <p> Es sind dies: 1. Chorlied; 2. Sprichwort; 3. Märchen.</p> <lb n="psc_010.009"/> <p> 1. <hi rendition="#g">Chorlied</hi> ist festlicher Tanz verbunden mit gesungenen <lb n="psc_010.010"/> Worten, vielleicht auch mit Jnstrumentalbegleitung. Schon <lb n="psc_010.011"/> Aristoteles (Rhet. 112, 4) weiß, daß Rhapsodie und Schauspielkunst <lb n="psc_010.012"/> mit der Poesie zugleich entstanden; aber von der <lb n="psc_010.013"/> Orchestik sagt er nichts! Auf solche Verbindung von festlichem <lb n="psc_010.014"/> Tanz mit Gesang aber führen die ältesten Nachrichten <lb n="psc_010.015"/> über germanische Poesie, ja arische Poesie überhaupt. Und <lb n="psc_010.016"/> von eben solchen mit Gesang verbundenen Massentänzen sind <lb n="psc_010.017"/> auch bei Naturvölkern merkwürdige Beispiele vorhanden. <lb n="psc_010.018"/> Auf eins, das merkwürdigste mir bekannte, will ich hier hinweisen, <lb n="psc_010.019"/> obwohl es unanständig ist; aber in diesen Dingen <lb n="psc_010.020"/> darf man sich, wie in der Anatomie und Physiologie, nicht <lb n="psc_010.021"/> scheuen, Schmutz zu berühren. Es ist ein australischer <lb n="psc_010.022"/> Tanz, über den Friedrich Müller (Reise der Fregatte Novara, <lb n="psc_010.023"/> Ethnographischer Theil S. 7; Allgemeine Ethnographie S. 213) <lb n="psc_010.024"/> berichtet. Es gab ähnliche Gesänge z. B. auch in Griechenland: <lb n="psc_010.025"/> die phallischen, <foreign xml:lang="grc">τὰ φαλλικὰ</foreign> (Arist. Poet. 1449<hi rendition="#aq">a</hi>, 11 f.). <lb n="psc_010.026"/> Sie waren nach Aristoteles in vielen Städten in Gebrauch, <lb n="psc_010.027"/> und die Vorsänger solcher Lieder legten nach seiner Annahme </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [10/0026]
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drei ausheben, welche zugleich kunstmäßig und unzweifelhaft psc_010.002
poetisch genannt werden müssen, wenn wir bei dem Namen psc_010.003
„Poesie“ den Sprachgebrauch festhalten wollen. Es sind psc_010.004
aller Wahrscheinlichkeit nach die ältesten überhaupt vorhandenen: psc_010.005
auf sie führen die Spuren der Anfänge später hochentwickelter psc_010.006
Litteraturen, und sie finden wir im Gebrauch der psc_010.007
heutigen Naturvölker.
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Es sind dies: 1. Chorlied; 2. Sprichwort; 3. Märchen.
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1. Chorlied ist festlicher Tanz verbunden mit gesungenen psc_010.010
Worten, vielleicht auch mit Jnstrumentalbegleitung. Schon psc_010.011
Aristoteles (Rhet. 112, 4) weiß, daß Rhapsodie und Schauspielkunst psc_010.012
mit der Poesie zugleich entstanden; aber von der psc_010.013
Orchestik sagt er nichts! Auf solche Verbindung von festlichem psc_010.014
Tanz mit Gesang aber führen die ältesten Nachrichten psc_010.015
über germanische Poesie, ja arische Poesie überhaupt. Und psc_010.016
von eben solchen mit Gesang verbundenen Massentänzen sind psc_010.017
auch bei Naturvölkern merkwürdige Beispiele vorhanden. psc_010.018
Auf eins, das merkwürdigste mir bekannte, will ich hier hinweisen, psc_010.019
obwohl es unanständig ist; aber in diesen Dingen psc_010.020
darf man sich, wie in der Anatomie und Physiologie, nicht psc_010.021
scheuen, Schmutz zu berühren. Es ist ein australischer psc_010.022
Tanz, über den Friedrich Müller (Reise der Fregatte Novara, psc_010.023
Ethnographischer Theil S. 7; Allgemeine Ethnographie S. 213) psc_010.024
berichtet. Es gab ähnliche Gesänge z. B. auch in Griechenland: psc_010.025
die phallischen, τὰ φαλλικὰ (Arist. Poet. 1449a, 11 f.). psc_010.026
Sie waren nach Aristoteles in vielen Städten in Gebrauch, psc_010.027
und die Vorsänger solcher Lieder legten nach seiner Annahme
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