Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite
psc_242.001
D. Die Arten der Rede.
psc_242.002

Die Poesie ist lebendig zu denken, wie schon im 1. Kap. psc_242.003
verlangt, also als lebendige Rede. Wir fragen, wie die psc_242.004
Rede sich darstellt:

psc_242.005

Erster Eintheilungsgrund. Die Rede -- im wirklichen psc_242.006
Leben oder in poetischer Fiction -- ist entweder einsame psc_242.007
Rede, in der Poesie zuweilen fictive Vertretung einsamen psc_242.008
Denkens; oder Rede zu Andern oder zu einem Andern: sofern psc_242.009
der oder die Andern bloß Zuhörer sind und selbst psc_242.010
schweigen, ist es Vortrag; sofern Antwort erfolgt, ist es Gespräch, psc_242.011
Dialog. Danach:

psc_242.012

1. Monolog;

psc_242.013

2. Vortrag;

psc_242.014

3. Dialog.

psc_242.015

Die Poesie darf auch mehrere Personen zugleich sprechen psc_242.016
lassen, fingiren, daß mehrere Personen gleichzeitig dasselbe psc_242.017
sagen: Chorrede.

psc_242.018

Monolog und Vortrag sind natürlich nahe verwandt, psc_242.019
sofern nur Einer redet. Aber ob der Eine für sich oder für psc_242.020
Andere redet, ist doch ein tiefer Unterschied. Jch wies oft psc_242.021
darauf hin: der Andere genirt; er fordert Rücksichten, Überlegung, psc_242.022
wie man es am besten macht, um zu überreden, zu psc_242.023
überzeugen, zu unterhalten. Mit dem Andern ist ein Publicum psc_242.024
vorhanden, und hier treten alle Forderungen des Publicums psc_242.025
ein.

psc_242.026

Für den Dialog ist die Anzahl der Zuhörer gleichgiltig: psc_242.027
complicirtere Formen sind eben zurückzuführen auf den psc_242.028
Dialog zu Zweien.

psc_242.001
D. Die Arten der Rede.
psc_242.002

  Die Poesie ist lebendig zu denken, wie schon im 1. Kap. psc_242.003
verlangt, also als lebendige Rede. Wir fragen, wie die psc_242.004
Rede sich darstellt:

psc_242.005

  Erster Eintheilungsgrund. Die Rede — im wirklichen psc_242.006
Leben oder in poetischer Fiction — ist entweder einsame psc_242.007
Rede, in der Poesie zuweilen fictive Vertretung einsamen psc_242.008
Denkens; oder Rede zu Andern oder zu einem Andern: sofern psc_242.009
der oder die Andern bloß Zuhörer sind und selbst psc_242.010
schweigen, ist es Vortrag; sofern Antwort erfolgt, ist es Gespräch, psc_242.011
Dialog. Danach:

psc_242.012

1. Monolog;

psc_242.013

2. Vortrag;

psc_242.014

3. Dialog.

psc_242.015

  Die Poesie darf auch mehrere Personen zugleich sprechen psc_242.016
lassen, fingiren, daß mehrere Personen gleichzeitig dasselbe psc_242.017
sagen: Chorrede.

psc_242.018

  Monolog und Vortrag sind natürlich nahe verwandt, psc_242.019
sofern nur Einer redet. Aber ob der Eine für sich oder für psc_242.020
Andere redet, ist doch ein tiefer Unterschied. Jch wies oft psc_242.021
darauf hin: der Andere genirt; er fordert Rücksichten, Überlegung, psc_242.022
wie man es am besten macht, um zu überreden, zu psc_242.023
überzeugen, zu unterhalten. Mit dem Andern ist ein Publicum psc_242.024
vorhanden, und hier treten alle Forderungen des Publicums psc_242.025
ein.

psc_242.026

  Für den Dialog ist die Anzahl der Zuhörer gleichgiltig: psc_242.027
complicirtere Formen sind eben zurückzuführen auf den psc_242.028
Dialog zu Zweien.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0258" n="242"/>
          </div>
          <div n="3">
            <lb n="psc_242.001"/>
            <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">D</hi>. <hi rendition="#g">Die Arten der Rede.</hi></hi> </head>
            <lb n="psc_242.002"/>
            <p>  Die Poesie ist lebendig zu denken, wie schon im 1. Kap. <lb n="psc_242.003"/>
verlangt, also als lebendige Rede. Wir fragen, wie die <lb n="psc_242.004"/>
Rede sich darstellt:</p>
            <lb n="psc_242.005"/>
            <p>  <hi rendition="#g">Erster Eintheilungsgrund.</hi> Die Rede &#x2014; im wirklichen <lb n="psc_242.006"/>
Leben oder in poetischer Fiction &#x2014; ist entweder einsame <lb n="psc_242.007"/>
Rede, in der Poesie zuweilen fictive Vertretung einsamen <lb n="psc_242.008"/>
Denkens; oder Rede zu Andern oder zu einem Andern: sofern <lb n="psc_242.009"/>
der oder die Andern bloß Zuhörer sind und selbst <lb n="psc_242.010"/>
schweigen, ist es Vortrag; sofern Antwort erfolgt, ist es Gespräch, <lb n="psc_242.011"/>
Dialog. Danach:</p>
            <lb n="psc_242.012"/>
            <p> <hi rendition="#et">1. Monolog;</hi> </p>
            <lb n="psc_242.013"/>
            <p> <hi rendition="#et">2. Vortrag;</hi> </p>
            <lb n="psc_242.014"/>
            <p> <hi rendition="#et">3. Dialog.</hi> </p>
            <lb n="psc_242.015"/>
            <p>  Die Poesie darf auch mehrere Personen zugleich sprechen <lb n="psc_242.016"/>
lassen, fingiren, daß mehrere Personen gleichzeitig dasselbe <lb n="psc_242.017"/>
sagen: Chorrede.</p>
            <lb n="psc_242.018"/>
            <p>  Monolog und Vortrag sind natürlich nahe verwandt, <lb n="psc_242.019"/>
sofern nur Einer redet. Aber ob der Eine für sich oder für <lb n="psc_242.020"/>
Andere redet, ist doch ein tiefer Unterschied. Jch wies oft <lb n="psc_242.021"/>
darauf hin: der Andere genirt; er fordert Rücksichten, Überlegung, <lb n="psc_242.022"/>
wie man es am besten macht, um zu überreden, zu <lb n="psc_242.023"/>
überzeugen, zu unterhalten. Mit dem Andern ist ein Publicum <lb n="psc_242.024"/>
vorhanden, und hier treten alle Forderungen des Publicums <lb n="psc_242.025"/>
ein.</p>
            <lb n="psc_242.026"/>
            <p>  Für den Dialog ist die Anzahl der Zuhörer gleichgiltig: <lb n="psc_242.027"/>
complicirtere Formen sind eben zurückzuführen auf den <lb n="psc_242.028"/>
Dialog zu Zweien.</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0258] psc_242.001 D. Die Arten der Rede. psc_242.002   Die Poesie ist lebendig zu denken, wie schon im 1. Kap. psc_242.003 verlangt, also als lebendige Rede. Wir fragen, wie die psc_242.004 Rede sich darstellt: psc_242.005   Erster Eintheilungsgrund. Die Rede — im wirklichen psc_242.006 Leben oder in poetischer Fiction — ist entweder einsame psc_242.007 Rede, in der Poesie zuweilen fictive Vertretung einsamen psc_242.008 Denkens; oder Rede zu Andern oder zu einem Andern: sofern psc_242.009 der oder die Andern bloß Zuhörer sind und selbst psc_242.010 schweigen, ist es Vortrag; sofern Antwort erfolgt, ist es Gespräch, psc_242.011 Dialog. Danach: psc_242.012 1. Monolog; psc_242.013 2. Vortrag; psc_242.014 3. Dialog. psc_242.015   Die Poesie darf auch mehrere Personen zugleich sprechen psc_242.016 lassen, fingiren, daß mehrere Personen gleichzeitig dasselbe psc_242.017 sagen: Chorrede. psc_242.018   Monolog und Vortrag sind natürlich nahe verwandt, psc_242.019 sofern nur Einer redet. Aber ob der Eine für sich oder für psc_242.020 Andere redet, ist doch ein tiefer Unterschied. Jch wies oft psc_242.021 darauf hin: der Andere genirt; er fordert Rücksichten, Überlegung, psc_242.022 wie man es am besten macht, um zu überreden, zu psc_242.023 überzeugen, zu unterhalten. Mit dem Andern ist ein Publicum psc_242.024 vorhanden, und hier treten alle Forderungen des Publicums psc_242.025 ein. psc_242.026   Für den Dialog ist die Anzahl der Zuhörer gleichgiltig: psc_242.027 complicirtere Formen sind eben zurückzuführen auf den psc_242.028 Dialog zu Zweien.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/258
Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/258>, abgerufen am 22.11.2024.