Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_240.001 psc_240.010 C. Aus der Lehre von den Zeichen. psc_240.011 Es ist dies eine Lehre, die Lessing in der Fortsetzung psc_240.012 Was sind natürliche Zeichen? Dies sind nach Lessing psc_240.017 Poesie, sofern sie mit Sprache operirt, hat nur willkürliche, psc_240.027 psc_240.001 psc_240.010 C. Aus der Lehre von den Zeichen. psc_240.011 Es ist dies eine Lehre, die Lessing in der Fortsetzung psc_240.012 Was sind natürliche Zeichen? Dies sind nach Lessing psc_240.017 Poesie, sofern sie mit Sprache operirt, hat nur willkürliche, psc_240.027 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0256" n="240"/><lb n="psc_240.001"/> Die Erzählung sucht darin genau zu sein und nichts zu fingiren. <lb n="psc_240.002"/> Dennoch steht im „Wilhelm Meister“ manche bedeutende <lb n="psc_240.003"/> Rede, wie sie nur Goethe auszusprechen vermochte. Jst <lb n="psc_240.004"/> es aber nicht schön, auch auf Kosten der Natürlichkeit den <lb n="psc_240.005"/> Dichter sprechen zu hören? Ebenso herrscht eine gleichmäßig <lb n="psc_240.006"/> gehobene Sprache bei Shakespeare. So ist gerade in Deutschland <lb n="psc_240.007"/> eine Reaction eingetreten gegen allzu große Natürlichkeit; <lb n="psc_240.008"/> es ist ein Vortheil, wenn eine Poesie sich auf eine etwas <lb n="psc_240.009"/> höhere Stufe des Lebens erhebt.</p> </div> <div n="3"> <lb n="psc_240.010"/> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">C</hi>. <hi rendition="#g">Aus der Lehre von den Zeichen.</hi></hi> </head> <lb n="psc_240.011"/> <p> Es ist dies eine Lehre, die Lessing in der Fortsetzung <lb n="psc_240.012"/> seines „Laokoon“ angedeutet hat. Er wollte die Bezeichnungsmittel <lb n="psc_240.013"/> der verschiedenen Künste näher prüfen und eine Scheidung <lb n="psc_240.014"/> zwischen willkürlichen und natürlichen Zeichen (Darstellungsmitteln) <lb n="psc_240.015"/> durchführen.</p> <lb n="psc_240.016"/> <p> Was sind natürliche Zeichen? Dies sind nach Lessing <lb n="psc_240.017"/> Mittel der unmittelbaren Nachbildung; wo Wirklichkeit in <lb n="psc_240.018"/> nachahmende Kunst direct übertragen wird, da liegen natürliche <lb n="psc_240.019"/> Bezeichnungsmittel vor. Die Plastik arbeitet mit natürlichen <lb n="psc_240.020"/> Zeichen nach Form der Dinge, nicht nach Farbe. <lb n="psc_240.021"/> Ebenso die Malerei nach Farbe der Dinge, nicht nach Form <lb n="psc_240.022"/> Bemalte Plastik, bemalte Holzschnitzerei bildet Form und <lb n="psc_240.023"/> Farbe nach; beide aber unbeweglich. Und die Plastik <lb n="psc_240.024"/> ahmt die Farbe, die Malerei die Form nur indirect mit <lb n="psc_240.025"/> willkürlichen Zeichen nach.</p> <lb n="psc_240.026"/> <p> Poesie, sofern sie mit Sprache operirt, hat nur willkürliche, <lb n="psc_240.027"/> nur künstliche Zeichen, denn die Verbindung zwischen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [240/0256]
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Die Erzählung sucht darin genau zu sein und nichts zu fingiren. psc_240.002
Dennoch steht im „Wilhelm Meister“ manche bedeutende psc_240.003
Rede, wie sie nur Goethe auszusprechen vermochte. Jst psc_240.004
es aber nicht schön, auch auf Kosten der Natürlichkeit den psc_240.005
Dichter sprechen zu hören? Ebenso herrscht eine gleichmäßig psc_240.006
gehobene Sprache bei Shakespeare. So ist gerade in Deutschland psc_240.007
eine Reaction eingetreten gegen allzu große Natürlichkeit; psc_240.008
es ist ein Vortheil, wenn eine Poesie sich auf eine etwas psc_240.009
höhere Stufe des Lebens erhebt.
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C. Aus der Lehre von den Zeichen. psc_240.011
Es ist dies eine Lehre, die Lessing in der Fortsetzung psc_240.012
seines „Laokoon“ angedeutet hat. Er wollte die Bezeichnungsmittel psc_240.013
der verschiedenen Künste näher prüfen und eine Scheidung psc_240.014
zwischen willkürlichen und natürlichen Zeichen (Darstellungsmitteln) psc_240.015
durchführen.
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Was sind natürliche Zeichen? Dies sind nach Lessing psc_240.017
Mittel der unmittelbaren Nachbildung; wo Wirklichkeit in psc_240.018
nachahmende Kunst direct übertragen wird, da liegen natürliche psc_240.019
Bezeichnungsmittel vor. Die Plastik arbeitet mit natürlichen psc_240.020
Zeichen nach Form der Dinge, nicht nach Farbe. psc_240.021
Ebenso die Malerei nach Farbe der Dinge, nicht nach Form psc_240.022
Bemalte Plastik, bemalte Holzschnitzerei bildet Form und psc_240.023
Farbe nach; beide aber unbeweglich. Und die Plastik psc_240.024
ahmt die Farbe, die Malerei die Form nur indirect mit psc_240.025
willkürlichen Zeichen nach.
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Poesie, sofern sie mit Sprache operirt, hat nur willkürliche, psc_240.027
nur künstliche Zeichen, denn die Verbindung zwischen
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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