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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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als Mitleid: Schrecken, wenn Zweifel möglich, ob der Graben psc_223.002
nicht vielmehr ein Abgrund ist. So kann sich unter Umständen psc_223.003
Lachen in Mitleid, Mitleid in Lachen verwandeln. Mitleid psc_223.004
aber ist verschieden nach den Charakteren: grausame können noch psc_223.005
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ist manches heute tragisch, was sonst komisch schien.

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Ein großes Thema älterer Komik waren Unanständigkeiten psc_223.008
und Entblößungen, welche vielfach heute nur Ekel erregen psc_223.009
würden. Auch Prügel gelten nicht mehr für komisch. psc_223.010
Das Komische besteht darin, daß die Betheiligten durchweg psc_223.011
die Sitte vergessen, indem sie sich erst schimpfen und dann psc_223.012
in die Haare greifen u. s. w. Nun ist aber doch in beiden psc_223.013
Fällen die Verfehlung gegen die Sitte und Lebensart heute psc_223.014
noch größer als früher -- eben deshalb, sie ist zu groß! sie psc_223.015
ruft Ärger hervor.

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Mißverständnisse, Dummheiten, Äußerungen, die wie die psc_223.017
Faust aufs Auge passen, sind Verfehlungen. Naivetäten des psc_223.018
Kindes und Erwachsenen desgleichen. Schiller hebt richtig das psc_223.019
Lächerliche als Element des Naiven hervor. Colossale Lügen psc_223.020
und Aufschneidereien, wobei komisch ist, daß dem Lügner geglaubt psc_223.021
wird oder geglaubt werden soll. Geprelltwerden: ein psc_223.022
gefährliches Grenzgebiet! z. B. der geprellte Ehemann bei psc_223.023
Boccaccio u. A. Das kann sehr ernst genommen werden. -- psc_223.024
Enttäuschungen sind unter Umständen komisch: wenn auffallend psc_223.025
und unerwartet auftretend. -- Die auffallende Verfehlung psc_223.026
im Nachahmen, die aber beabsichtigt sein kann: Caricatur; psc_223.027
Parodie -- wo aber vielmehr das Nachgeahmte, psc_223.028
Parodirte als ein auffallend Verfehltes dargestellt wird.

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als Mitleid: Schrecken, wenn Zweifel möglich, ob der Graben psc_223.002
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Kindes und Erwachsenen desgleichen. Schiller hebt richtig das psc_223.019
Lächerliche als Element des Naiven hervor. Colossale Lügen psc_223.020
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[223/0239] psc_223.001 als Mitleid: Schrecken, wenn Zweifel möglich, ob der Graben psc_223.002 nicht vielmehr ein Abgrund ist. So kann sich unter Umständen psc_223.003 Lachen in Mitleid, Mitleid in Lachen verwandeln. Mitleid psc_223.004 aber ist verschieden nach den Charakteren: grausame können noch psc_223.005 lachen, wo normale heutige Menschen Mitleid fühlen. So psc_223.006 ist manches heute tragisch, was sonst komisch schien. psc_223.007   Ein großes Thema älterer Komik waren Unanständigkeiten psc_223.008 und Entblößungen, welche vielfach heute nur Ekel erregen psc_223.009 würden. Auch Prügel gelten nicht mehr für komisch. psc_223.010 Das Komische besteht darin, daß die Betheiligten durchweg psc_223.011 die Sitte vergessen, indem sie sich erst schimpfen und dann psc_223.012 in die Haare greifen u. s. w. Nun ist aber doch in beiden psc_223.013 Fällen die Verfehlung gegen die Sitte und Lebensart heute psc_223.014 noch größer als früher — eben deshalb, sie ist zu groß! sie psc_223.015 ruft Ärger hervor. psc_223.016   Mißverständnisse, Dummheiten, Äußerungen, die wie die psc_223.017 Faust aufs Auge passen, sind Verfehlungen. Naivetäten des psc_223.018 Kindes und Erwachsenen desgleichen. Schiller hebt richtig das psc_223.019 Lächerliche als Element des Naiven hervor. Colossale Lügen psc_223.020 und Aufschneidereien, wobei komisch ist, daß dem Lügner geglaubt psc_223.021 wird oder geglaubt werden soll. Geprelltwerden: ein psc_223.022 gefährliches Grenzgebiet! z. B. der geprellte Ehemann bei psc_223.023 Boccaccio u. A. Das kann sehr ernst genommen werden. — psc_223.024 Enttäuschungen sind unter Umständen komisch: wenn auffallend psc_223.025 und unerwartet auftretend. — Die auffallende Verfehlung psc_223.026 im Nachahmen, die aber beabsichtigt sein kann: Caricatur; psc_223.027 Parodie — wo aber vielmehr das Nachgeahmte, psc_223.028 Parodirte als ein auffallend Verfehltes dargestellt wird.

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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/239>, abgerufen am 24.11.2024.