psc_202.001 der fürs Vaterland verbundenen Herzen ausdrückt, psc_202.002 ergreift diejenigen anders, die es in der Schlacht singen, als psc_202.003 die, welche es bei der Heimkehr singen. Die "Wacht am psc_202.004 Rhein" blieb unbeachtet bis 1870 -- und seitdem, wenn das psc_202.005 Lied gesungen wird, wirkt es gar nicht durch directe Schönheit, psc_202.006 sondern durch Erinnerung an jene große Zeit.
psc_202.007
So kommt also zum directen Eindruck ein associirter.
psc_202.008
Gustav Freytags "Soll und Haben" hat unter Kaufleuten psc_202.009 noch mehr gewirkt als unter anderem Publicum; die psc_202.010 "Verlorene Handschrift" unter Gelehrten noch mehr, weil psc_202.011 eine besondere Resonanz hinzukam.
psc_202.012
Meine Erfahrung mit Reisebeschreibungen bestätigt dies. psc_202.013 Jch lese italienische Reiseschilderungen gern, seit ich dort gewesen; psc_202.014 ein erlebter Eindruck tritt als Association hinzu.
psc_202.015
Studentenlieder, von Studenten gesungen, haben in den psc_202.016 Gemüthern der Singenden eine stärkere Resonanz, als wenn psc_202.017 Andere sie vortragen.
psc_202.018
Darauf beruht es, daß so oft Dinge, die in bestimmten psc_202.019 Kreisen gefallen, nicht in andere verpflanzbar sind. Man psc_202.020 meint z. B., daß die österreichischen, d. h. der österreichischen psc_202.021 Geschichte entlehnten Dramen Grillparzers im übrigen psc_202.022 Deutschland keine hinreichende Resonanz finden würden. psc_202.023 Ja der begründete Ruf des Dichters, der Eindruck der persönlichen psc_202.024 Verehrung ist ein associirtes Element: "Weh dem psc_202.025 der lügt" ward erst nach Grillparzers Tod gut aufgenommen, psc_202.026 weil man eine alte Schuld abtragen wollte.
psc_202.027
Richard Wagners Sache wurde als deutsche Sache propagirt
psc_202.001 der fürs Vaterland verbundenen Herzen ausdrückt, psc_202.002 ergreift diejenigen anders, die es in der Schlacht singen, als psc_202.003 die, welche es bei der Heimkehr singen. Die „Wacht am psc_202.004 Rhein“ blieb unbeachtet bis 1870 — und seitdem, wenn das psc_202.005 Lied gesungen wird, wirkt es gar nicht durch directe Schönheit, psc_202.006 sondern durch Erinnerung an jene große Zeit.
psc_202.007
So kommt also zum directen Eindruck ein associirter.
psc_202.008
Gustav Freytags „Soll und Haben“ hat unter Kaufleuten psc_202.009 noch mehr gewirkt als unter anderem Publicum; die psc_202.010 „Verlorene Handschrift“ unter Gelehrten noch mehr, weil psc_202.011 eine besondere Resonanz hinzukam.
psc_202.012
Meine Erfahrung mit Reisebeschreibungen bestätigt dies. psc_202.013 Jch lese italienische Reiseschilderungen gern, seit ich dort gewesen; psc_202.014 ein erlebter Eindruck tritt als Association hinzu.
psc_202.015
Studentenlieder, von Studenten gesungen, haben in den psc_202.016 Gemüthern der Singenden eine stärkere Resonanz, als wenn psc_202.017 Andere sie vortragen.
psc_202.018
Darauf beruht es, daß so oft Dinge, die in bestimmten psc_202.019 Kreisen gefallen, nicht in andere verpflanzbar sind. Man psc_202.020 meint z. B., daß die österreichischen, d. h. der österreichischen psc_202.021 Geschichte entlehnten Dramen Grillparzers im übrigen psc_202.022 Deutschland keine hinreichende Resonanz finden würden. psc_202.023 Ja der begründete Ruf des Dichters, der Eindruck der persönlichen psc_202.024 Verehrung ist ein associirtes Element: „Weh dem psc_202.025 der lügt“ ward erst nach Grillparzers Tod gut aufgenommen, psc_202.026 weil man eine alte Schuld abtragen wollte.
psc_202.027
Richard Wagners Sache wurde als deutsche Sache propagirt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0218"n="202"/><lbn="psc_202.001"/>
der fürs Vaterland verbundenen Herzen ausdrückt, <lbn="psc_202.002"/>
ergreift diejenigen anders, die es in der Schlacht singen, als <lbn="psc_202.003"/>
die, welche es bei der Heimkehr singen. Die „Wacht am <lbn="psc_202.004"/>
Rhein“ blieb unbeachtet bis 1870 — und seitdem, wenn das <lbn="psc_202.005"/>
Lied gesungen wird, wirkt es gar nicht durch directe Schönheit, <lbn="psc_202.006"/>
sondern durch Erinnerung an jene große Zeit.</p><lbn="psc_202.007"/><p> So kommt also zum directen Eindruck ein associirter.</p><lbn="psc_202.008"/><p> Gustav Freytags „Soll und Haben“ hat unter Kaufleuten <lbn="psc_202.009"/>
noch mehr gewirkt als unter anderem Publicum; die <lbn="psc_202.010"/>„Verlorene Handschrift“ unter Gelehrten noch mehr, weil <lbn="psc_202.011"/>
eine besondere Resonanz hinzukam.</p><lbn="psc_202.012"/><p> Meine Erfahrung mit Reisebeschreibungen bestätigt dies. <lbn="psc_202.013"/>
Jch lese italienische Reiseschilderungen gern, seit ich dort gewesen; <lbn="psc_202.014"/>
ein erlebter Eindruck tritt als Association hinzu.</p><lbn="psc_202.015"/><p> Studentenlieder, von Studenten gesungen, haben in den <lbn="psc_202.016"/>
Gemüthern der Singenden eine stärkere Resonanz, als wenn <lbn="psc_202.017"/>
Andere sie vortragen.</p><lbn="psc_202.018"/><p> Darauf beruht es, daß so oft Dinge, die in bestimmten <lbn="psc_202.019"/>
Kreisen gefallen, nicht in andere verpflanzbar sind. Man <lbn="psc_202.020"/>
meint z. B., daß die österreichischen, d. h. der österreichischen <lbn="psc_202.021"/>
Geschichte entlehnten Dramen Grillparzers im übrigen <lbn="psc_202.022"/>
Deutschland keine hinreichende Resonanz finden würden. <lbn="psc_202.023"/>
Ja der begründete Ruf des Dichters, der Eindruck der persönlichen <lbn="psc_202.024"/>
Verehrung ist ein associirtes Element: „Weh dem <lbn="psc_202.025"/>
der lügt“ ward erst nach Grillparzers Tod gut aufgenommen, <lbn="psc_202.026"/>
weil man eine alte Schuld abtragen wollte.</p><lbn="psc_202.027"/><p> Richard Wagners Sache wurde als deutsche Sache propagirt
</p></div></div></div></body></text></TEI>
[202/0218]
psc_202.001
der fürs Vaterland verbundenen Herzen ausdrückt, psc_202.002
ergreift diejenigen anders, die es in der Schlacht singen, als psc_202.003
die, welche es bei der Heimkehr singen. Die „Wacht am psc_202.004
Rhein“ blieb unbeachtet bis 1870 — und seitdem, wenn das psc_202.005
Lied gesungen wird, wirkt es gar nicht durch directe Schönheit, psc_202.006
sondern durch Erinnerung an jene große Zeit.
psc_202.007
So kommt also zum directen Eindruck ein associirter.
psc_202.008
Gustav Freytags „Soll und Haben“ hat unter Kaufleuten psc_202.009
noch mehr gewirkt als unter anderem Publicum; die psc_202.010
„Verlorene Handschrift“ unter Gelehrten noch mehr, weil psc_202.011
eine besondere Resonanz hinzukam.
psc_202.012
Meine Erfahrung mit Reisebeschreibungen bestätigt dies. psc_202.013
Jch lese italienische Reiseschilderungen gern, seit ich dort gewesen; psc_202.014
ein erlebter Eindruck tritt als Association hinzu.
psc_202.015
Studentenlieder, von Studenten gesungen, haben in den psc_202.016
Gemüthern der Singenden eine stärkere Resonanz, als wenn psc_202.017
Andere sie vortragen.
psc_202.018
Darauf beruht es, daß so oft Dinge, die in bestimmten psc_202.019
Kreisen gefallen, nicht in andere verpflanzbar sind. Man psc_202.020
meint z. B., daß die österreichischen, d. h. der österreichischen psc_202.021
Geschichte entlehnten Dramen Grillparzers im übrigen psc_202.022
Deutschland keine hinreichende Resonanz finden würden. psc_202.023
Ja der begründete Ruf des Dichters, der Eindruck der persönlichen psc_202.024
Verehrung ist ein associirtes Element: „Weh dem psc_202.025
der lügt“ ward erst nach Grillparzers Tod gut aufgenommen, psc_202.026
weil man eine alte Schuld abtragen wollte.
psc_202.027
Richard Wagners Sache wurde als deutsche Sache propagirt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/218>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.
