psc_004.001 in lebendige Erscheinung treten soll, immer auf die Mitwirkung psc_004.002 der Musik gerechnet: mithin auch nicht bloß auf psc_004.003 kunstmäßige Anwendung der Sprache. Und hier haben wir psc_004.004 es doch gewiß mit Poesie zu thun. Wir wissen nicht genau psc_004.005 wie im Mittelalter vorgetragen wurde; aber denken wir psc_004.006 uns einen Vortragenden, der seines Stoffes mächtig und psc_004.007 davon ergriffen ist -- da ist Mienenspiel und Action jedenfalls psc_004.008 möglich, und bis zu einem gewissen Grade Mienenspiel psc_004.009 sogar kaum zu vermeiden. Wenn nun ein solches Lied wirkt, psc_004.010 so wird auf uns auch das Mienenspiel mitwirken, und das psc_004.011 lyrische Kunstwerk wird Gestalt und Wahrheit gewinnen psc_004.012 durch seine Verbindung nicht bloß mit Musik, sondern auch psc_004.013 mit einer gewissen Action. Ja sehen wir ab vom Gesang, so psc_004.014 gilt dasselbe bei der Declamation. Sie wird die Stimmung psc_004.015 unwillkürlich reflectiren lassen, wenn auch nur auf den Gesichtszügen psc_004.016 des Declamirenden. Sollte z. B. eine Schauspielerin auf psc_004.017 offener Bühne declamiren, so wird das Mienenspiel und die psc_004.018 Action, ja die Decoration hinzukommen. Also auch außerhalb psc_004.019 des Dramas tritt Action oder wenigstens ein Minimum psc_004.020 von Action hinzu, wo poetische Kunstwerke ins Leben treten. psc_004.021 Wir heute verlangen freilich bei Declamation nur eine psc_004.022 mäßige Anwendung von Mienenspiel und womöglich gar psc_004.023 keine Action. Aber das ist eine conventionelle, vielleicht psc_004.024 sogar individuelle Ansicht. Die berühmte Schauspielerin psc_004.025 Frau Rettich in Wien declamirte z. B. auf dem Theater "Hero psc_004.026 und Leander" mit viel Mimik und einiger Action. Auf den psc_004.027 Ort und dessen Dimensionen, auf das Publicum u. s. w. psc_004.028 wird für das Maß der Action sehr viel ankommen.
psc_004.001 in lebendige Erscheinung treten soll, immer auf die Mitwirkung psc_004.002 der Musik gerechnet: mithin auch nicht bloß auf psc_004.003 kunstmäßige Anwendung der Sprache. Und hier haben wir psc_004.004 es doch gewiß mit Poesie zu thun. Wir wissen nicht genau psc_004.005 wie im Mittelalter vorgetragen wurde; aber denken wir psc_004.006 uns einen Vortragenden, der seines Stoffes mächtig und psc_004.007 davon ergriffen ist — da ist Mienenspiel und Action jedenfalls psc_004.008 möglich, und bis zu einem gewissen Grade Mienenspiel psc_004.009 sogar kaum zu vermeiden. Wenn nun ein solches Lied wirkt, psc_004.010 so wird auf uns auch das Mienenspiel mitwirken, und das psc_004.011 lyrische Kunstwerk wird Gestalt und Wahrheit gewinnen psc_004.012 durch seine Verbindung nicht bloß mit Musik, sondern auch psc_004.013 mit einer gewissen Action. Ja sehen wir ab vom Gesang, so psc_004.014 gilt dasselbe bei der Declamation. Sie wird die Stimmung psc_004.015 unwillkürlich reflectiren lassen, wenn auch nur auf den Gesichtszügen psc_004.016 des Declamirenden. Sollte z. B. eine Schauspielerin auf psc_004.017 offener Bühne declamiren, so wird das Mienenspiel und die psc_004.018 Action, ja die Decoration hinzukommen. Also auch außerhalb psc_004.019 des Dramas tritt Action oder wenigstens ein Minimum psc_004.020 von Action hinzu, wo poetische Kunstwerke ins Leben treten. psc_004.021 Wir heute verlangen freilich bei Declamation nur eine psc_004.022 mäßige Anwendung von Mienenspiel und womöglich gar psc_004.023 keine Action. Aber das ist eine conventionelle, vielleicht psc_004.024 sogar individuelle Ansicht. Die berühmte Schauspielerin psc_004.025 Frau Rettich in Wien declamirte z. B. auf dem Theater „Hero psc_004.026 und Leander“ mit viel Mimik und einiger Action. Auf den psc_004.027 Ort und dessen Dimensionen, auf das Publicum u. s. w. psc_004.028 wird für das Maß der Action sehr viel ankommen.
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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/20>, abgerufen am 16.07.2024.
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