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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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Wie nun auf wissenschaftlichem Gebiet ein großer Werth psc_149.002
auf die Arbeitstheilung gelegt wird, so kann auch auf dem dichterischen psc_149.003
Gebiet Arbeitstheilung stattfinden. Aber wenn es psc_149.004
auf wirthschaftlichem Gebiet eine sehr hohe Stufe bezeichnet, psc_149.005
daß die Arbeitstheilung möglichst weit getrieben wird, so psc_149.006
kann man dies nicht auf die Poesie übertragen: die höchste psc_149.007
Stufe der Poesie ist gerade die Vereinheitlichung der Arbeit. psc_149.008
Wenn Einer in sich Alles vereinigt, was Andere nur getrennt psc_149.009
besaßen, dann kommen neue große Wirkungen zum psc_149.010
Vorschein.

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Wie weit ist es möglich, daß mehrere Dichter sich an psc_149.012
demselben Werk betheiligen? Andere Dinge kommen weniger psc_149.013
in Betracht. Es giebt eine Theilung der Arbeit in der Art, psc_149.014
daß ein und derselbe Dichter nur Romane verfaßt, oder gar psc_149.015
innerhalb der Romane sich auf ein bestimmtes Gebiet specialisirt, psc_149.016
z. B. historischer Roman, und etwa wieder nur psc_149.017
ägyptischer oder assyrischer Roman. So schon früher: ein psc_149.018
Dichter bildet eine bestimmte Gattung aus, z. B. die Spruchdichter, psc_149.019
Didaktiker des Mittelalters gegenüber den Lyrikern; psc_149.020
dann folgt wieder Arbeitsvereinigung wie bei Walther von der psc_149.021
Vogelweide. Auch in der Poesie hat beides seine Vortheile: psc_149.022
wer z. B. sich auf den historischen Roman wirft, wird zur psc_149.023
Entdeckung immer neuer Stoffe geführt werden, weil er ein psc_149.024
specielles Gebiet bebaut; so Walter Scott. Aber andererseits psc_149.025
kann man die Beobachtung machen, daß die ersten psc_149.026
Producte solcher Specialisirung frisch sind, die späteren aber psc_149.027
aufgewärmt, matt; denn solches Specialisiren führt leicht zu psc_149.028
handwerksmäßigem Vielschreiben und dient weniger der Verbesserung

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  Wie nun auf wissenschaftlichem Gebiet ein großer Werth psc_149.002
auf die Arbeitstheilung gelegt wird, so kann auch auf dem dichterischen psc_149.003
Gebiet Arbeitstheilung stattfinden. Aber wenn es psc_149.004
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daß die Arbeitstheilung möglichst weit getrieben wird, so psc_149.006
kann man dies nicht auf die Poesie übertragen: die höchste psc_149.007
Stufe der Poesie ist gerade die Vereinheitlichung der Arbeit. psc_149.008
Wenn Einer in sich Alles vereinigt, was Andere nur getrennt psc_149.009
besaßen, dann kommen neue große Wirkungen zum psc_149.010
Vorschein.

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  Wie weit ist es möglich, daß mehrere Dichter sich an psc_149.012
demselben Werk betheiligen? Andere Dinge kommen weniger psc_149.013
in Betracht. Es giebt eine Theilung der Arbeit in der Art, psc_149.014
daß ein und derselbe Dichter nur Romane verfaßt, oder gar psc_149.015
innerhalb der Romane sich auf ein bestimmtes Gebiet specialisirt, psc_149.016
z. B. historischer Roman, und etwa wieder nur psc_149.017
ägyptischer oder assyrischer Roman. So schon früher: ein psc_149.018
Dichter bildet eine bestimmte Gattung aus, z. B. die Spruchdichter, psc_149.019
Didaktiker des Mittelalters gegenüber den Lyrikern; psc_149.020
dann folgt wieder Arbeitsvereinigung wie bei Walther von der psc_149.021
Vogelweide. Auch in der Poesie hat beides seine Vortheile: psc_149.022
wer z. B. sich auf den historischen Roman wirft, wird zur psc_149.023
Entdeckung immer neuer Stoffe geführt werden, weil er ein psc_149.024
specielles Gebiet bebaut; so Walter Scott. Aber andererseits psc_149.025
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Producte solcher Specialisirung frisch sind, die späteren aber psc_149.027
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[149/0165] psc_149.001   Wie nun auf wissenschaftlichem Gebiet ein großer Werth psc_149.002 auf die Arbeitstheilung gelegt wird, so kann auch auf dem dichterischen psc_149.003 Gebiet Arbeitstheilung stattfinden. Aber wenn es psc_149.004 auf wirthschaftlichem Gebiet eine sehr hohe Stufe bezeichnet, psc_149.005 daß die Arbeitstheilung möglichst weit getrieben wird, so psc_149.006 kann man dies nicht auf die Poesie übertragen: die höchste psc_149.007 Stufe der Poesie ist gerade die Vereinheitlichung der Arbeit. psc_149.008 Wenn Einer in sich Alles vereinigt, was Andere nur getrennt psc_149.009 besaßen, dann kommen neue große Wirkungen zum psc_149.010 Vorschein. psc_149.011   Wie weit ist es möglich, daß mehrere Dichter sich an psc_149.012 demselben Werk betheiligen? Andere Dinge kommen weniger psc_149.013 in Betracht. Es giebt eine Theilung der Arbeit in der Art, psc_149.014 daß ein und derselbe Dichter nur Romane verfaßt, oder gar psc_149.015 innerhalb der Romane sich auf ein bestimmtes Gebiet specialisirt, psc_149.016 z. B. historischer Roman, und etwa wieder nur psc_149.017 ägyptischer oder assyrischer Roman. So schon früher: ein psc_149.018 Dichter bildet eine bestimmte Gattung aus, z. B. die Spruchdichter, psc_149.019 Didaktiker des Mittelalters gegenüber den Lyrikern; psc_149.020 dann folgt wieder Arbeitsvereinigung wie bei Walther von der psc_149.021 Vogelweide. Auch in der Poesie hat beides seine Vortheile: psc_149.022 wer z. B. sich auf den historischen Roman wirft, wird zur psc_149.023 Entdeckung immer neuer Stoffe geführt werden, weil er ein psc_149.024 specielles Gebiet bebaut; so Walter Scott. Aber andererseits psc_149.025 kann man die Beobachtung machen, daß die ersten psc_149.026 Producte solcher Specialisirung frisch sind, die späteren aber psc_149.027 aufgewärmt, matt; denn solches Specialisiren führt leicht zu psc_149.028 handwerksmäßigem Vielschreiben und dient weniger der Verbesserung

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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/165>, abgerufen am 23.11.2024.