Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_132.001 Noch weiter zurück wird überhaupt nicht geschrieben: psc_132.007 Vgl. meinen "J. Grimm" Kap. 5 (S. 117-153), wo ich psc_132.010 Herder hat wohl zuerst jenen scharfen Unterschied machen psc_132.019 psc_132.001 Noch weiter zurück wird überhaupt nicht geschrieben: psc_132.007 Vgl. meinen „J. Grimm“ Kap. 5 (S. 117–153), wo ich psc_132.010 Herder hat wohl zuerst jenen scharfen Unterschied machen psc_132.019 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0148" n="132"/><lb n="psc_132.001"/> ein älterer Zustand hinein: daß die Dichter selbst nicht <lb n="psc_132.002"/> schreiben können, wie Wolfram von Eschenbach und Ulrich <lb n="psc_132.003"/> von Lichtenstein. Sie dictiren dann ihren Schreibern. <lb n="psc_132.004"/> Aber es ist doch in dieser Zeit die Regel, daß der Dichter <lb n="psc_132.005"/> schreiben und lesen kann.</p> <lb n="psc_132.006"/> <p> Noch weiter zurück wird überhaupt nicht geschrieben: <lb n="psc_132.007"/> die Poesie pflanzt sich nur mündlich und gedächtnißmäßig <lb n="psc_132.008"/> fort.</p> <lb n="psc_132.009"/> <p> Vgl. meinen „J. Grimm“ Kap. 5 (S. 117–153), wo ich <lb n="psc_132.010"/> andeutungsweise ausführte, daß der Unterschied von Natur= <lb n="psc_132.011"/> und Kunstpoesie, ja annähernd auch der Unterschied von <lb n="psc_132.012"/> Volkspoesie und Kunstpoesie — soweit er überhaupt richtig — <lb n="psc_132.013"/> zurückgeht auf den zwischen <hi rendition="#g">ungeschriebener</hi> und <hi rendition="#g">geschriebener</hi> <lb n="psc_132.014"/> Poesie. Diese Frage gehört also in die Lehre vom <lb n="psc_132.015"/> litterarischen Verkehr, soweit die Behauptung jenes tiefgreifenden <lb n="psc_132.016"/> Unterschiedes überhaupt wahr ist; denn in Wirklichkeit <lb n="psc_132.017"/> ist es ein sehr relativer Unterschied.</p> <lb n="psc_132.018"/> <p> Herder hat wohl zuerst jenen scharfen Unterschied machen <lb n="psc_132.019"/> zu müssen geglaubt; dann besonders die Romantiker. So <lb n="psc_132.020"/> ist auch in den früheren Schriften der Brüder Grimm viel <lb n="psc_132.021"/> davon die Rede. Dieser Unterschied ist ja auch für das <lb n="psc_132.022"/> Mittelalter grundlegend: in der deutschen wie in der französischen <lb n="psc_132.023"/> Dichtung müssen Volksepen und Kunstepen geschieden <lb n="psc_132.024"/> werden; in Deutschland sind sogar auf dem Gebiete der <lb n="psc_132.025"/> Heldensage beide Arten vertreten. Aber es geht doch zu <lb n="psc_132.026"/> weit, wenn Carriere (Die Poesie S. 173 ff.) den Unterschied <lb n="psc_132.027"/> von Volks- und Kunstpoesie für so wichtig hält, daß er ihm <lb n="psc_132.028"/> ein eigenes Kapitel widmet. So berechtigt es ist, z. B. um </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [132/0148]
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ein älterer Zustand hinein: daß die Dichter selbst nicht psc_132.002
schreiben können, wie Wolfram von Eschenbach und Ulrich psc_132.003
von Lichtenstein. Sie dictiren dann ihren Schreibern. psc_132.004
Aber es ist doch in dieser Zeit die Regel, daß der Dichter psc_132.005
schreiben und lesen kann.
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Noch weiter zurück wird überhaupt nicht geschrieben: psc_132.007
die Poesie pflanzt sich nur mündlich und gedächtnißmäßig psc_132.008
fort.
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Vgl. meinen „J. Grimm“ Kap. 5 (S. 117–153), wo ich psc_132.010
andeutungsweise ausführte, daß der Unterschied von Natur= psc_132.011
und Kunstpoesie, ja annähernd auch der Unterschied von psc_132.012
Volkspoesie und Kunstpoesie — soweit er überhaupt richtig — psc_132.013
zurückgeht auf den zwischen ungeschriebener und geschriebener psc_132.014
Poesie. Diese Frage gehört also in die Lehre vom psc_132.015
litterarischen Verkehr, soweit die Behauptung jenes tiefgreifenden psc_132.016
Unterschiedes überhaupt wahr ist; denn in Wirklichkeit psc_132.017
ist es ein sehr relativer Unterschied.
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Herder hat wohl zuerst jenen scharfen Unterschied machen psc_132.019
zu müssen geglaubt; dann besonders die Romantiker. So psc_132.020
ist auch in den früheren Schriften der Brüder Grimm viel psc_132.021
davon die Rede. Dieser Unterschied ist ja auch für das psc_132.022
Mittelalter grundlegend: in der deutschen wie in der französischen psc_132.023
Dichtung müssen Volksepen und Kunstepen geschieden psc_132.024
werden; in Deutschland sind sogar auf dem Gebiete der psc_132.025
Heldensage beide Arten vertreten. Aber es geht doch zu psc_132.026
weit, wenn Carriere (Die Poesie S. 173 ff.) den Unterschied psc_132.027
von Volks- und Kunstpoesie für so wichtig hält, daß er ihm psc_132.028
ein eigenes Kapitel widmet. So berechtigt es ist, z. B. um
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