Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_131.001 psc_131.009 Gehen wir zurück ins 15. und 16. Jahrhundert, so ist psc_131.010 Noch weiter zurück kommen wir in Zeiten, wo noch psc_131.022 psc_131.001 psc_131.009 Gehen wir zurück ins 15. und 16. Jahrhundert, so ist psc_131.010 Noch weiter zurück kommen wir in Zeiten, wo noch psc_131.022 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0147" n="131"/><lb n="psc_131.001"/> Gedichte, Novellen vortragen, wie z. B. Lewinsky in Wien, <lb n="psc_131.002"/> sind jetzt Ausnahmen. Meistens liegt die Sache heute so, <lb n="psc_131.003"/> daß die Declamatoren von einem schon vorhandenen Ruhm, <lb n="psc_131.004"/> z. B. Reuters, zehren, daß sie also nicht erst Ruhm schaffen. <lb n="psc_131.005"/> Jn früherer Zeit war das anders, der Vorleser hatte eine <lb n="psc_131.006"/> wichtige Aufgabe. Man denke auch an den Märchenerzähler. <lb n="psc_131.007"/> So bei Naturvölkern, und so in älteren Epochen bei Culturvölkern.</p> <lb n="psc_131.008"/> <lb n="psc_131.009"/> <p> Gehen wir zurück ins 15. und 16. Jahrhundert, so ist <lb n="psc_131.010"/> die Kunst des Lesens noch wenig verbreitet, und deshalb erscheinen <lb n="psc_131.011"/> viele Bücher mit Holzschnitten. Freilich haben wir <lb n="psc_131.012"/> auch heut eine Zunahme der Jllustration, ein wahres Jllustrationsfieber: <lb n="psc_131.013"/> der heutige Leser ist zu faul um zu lesen <lb n="psc_131.014"/> und soll deshalb aufgelegte Bücher müßig durchblättern. <lb n="psc_131.015"/> Aber jene Holzschnitte des 15. und 16. Jahrhunderts sollen <lb n="psc_131.016"/> dem Vorleser das Werk erleichtern, und dem, der nicht lesen <lb n="psc_131.017"/> kann, mit dem Bild einen Anhaltspunct geben. So haben <lb n="psc_131.018"/> Sebastian Brant und Thomas Murner Gemäldelieder verfaßt: <lb n="psc_131.019"/> das Bild ist die eigentliche Hauptsache, und die Verse <lb n="psc_131.020"/> sind nur Commentar zum Text.</p> <lb n="psc_131.021"/> <p> Noch weiter zurück kommen wir in Zeiten, wo noch <lb n="psc_131.022"/> weniger gelesen wird, wo daher Vorsänger und Vorleser <lb n="psc_131.023"/> eine noch bedeutendere Rolle spielen, etwa ins 12. und 13. Jahrhundert, <lb n="psc_131.024"/> wo die Fahrenden aus dem Vortragen, dem Sagen <lb n="psc_131.025"/> von epischer und Singen von lyrischer Poesie ein Gewerbe <lb n="psc_131.026"/> machen. Die Handschrift ist hier ein Hilfsmittel für den <lb n="psc_131.027"/> Vorleser; durch die Vortragenden wird die Poesie Wolframs, <lb n="psc_131.028"/> Walthers u. s. w. verbreitet. Jn diese Zeit ragt auch noch </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0147]
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Gedichte, Novellen vortragen, wie z. B. Lewinsky in Wien, psc_131.002
sind jetzt Ausnahmen. Meistens liegt die Sache heute so, psc_131.003
daß die Declamatoren von einem schon vorhandenen Ruhm, psc_131.004
z. B. Reuters, zehren, daß sie also nicht erst Ruhm schaffen. psc_131.005
Jn früherer Zeit war das anders, der Vorleser hatte eine psc_131.006
wichtige Aufgabe. Man denke auch an den Märchenerzähler. psc_131.007
So bei Naturvölkern, und so in älteren Epochen bei Culturvölkern.
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Gehen wir zurück ins 15. und 16. Jahrhundert, so ist psc_131.010
die Kunst des Lesens noch wenig verbreitet, und deshalb erscheinen psc_131.011
viele Bücher mit Holzschnitten. Freilich haben wir psc_131.012
auch heut eine Zunahme der Jllustration, ein wahres Jllustrationsfieber: psc_131.013
der heutige Leser ist zu faul um zu lesen psc_131.014
und soll deshalb aufgelegte Bücher müßig durchblättern. psc_131.015
Aber jene Holzschnitte des 15. und 16. Jahrhunderts sollen psc_131.016
dem Vorleser das Werk erleichtern, und dem, der nicht lesen psc_131.017
kann, mit dem Bild einen Anhaltspunct geben. So haben psc_131.018
Sebastian Brant und Thomas Murner Gemäldelieder verfaßt: psc_131.019
das Bild ist die eigentliche Hauptsache, und die Verse psc_131.020
sind nur Commentar zum Text.
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Noch weiter zurück kommen wir in Zeiten, wo noch psc_131.022
weniger gelesen wird, wo daher Vorsänger und Vorleser psc_131.023
eine noch bedeutendere Rolle spielen, etwa ins 12. und 13. Jahrhundert, psc_131.024
wo die Fahrenden aus dem Vortragen, dem Sagen psc_131.025
von epischer und Singen von lyrischer Poesie ein Gewerbe psc_131.026
machen. Die Handschrift ist hier ein Hilfsmittel für den psc_131.027
Vorleser; durch die Vortragenden wird die Poesie Wolframs, psc_131.028
Walthers u. s. w. verbreitet. Jn diese Zeit ragt auch noch
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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