neu angepriesene Mittel, diese oder jene fade Theorie, die eben entsteht und die Neugier reizt, oder einige neue Formeln, gelehrte No¬ vitäten u. s. w. Alles muß ihn als eine Be¬ sonderheit erscheinen, um von ihm aufgenom¬ men zu werden. Denn nur das Besondere kann gelernt werden und in der Qualität des Gelerntseyns ist alles nur ein Besonderes. Deswegen ist er der geschworne Feind jeder äch¬ ten Entdeckung, die im Allgemeinen gemacht wird, jeder Idee, weil er sie nicht faßt, jeder wirklichen Wahrheit, die ihn in seiner Ruhe stört. Vergißt er sich noch überdieß so weit, sich dagegen aufzulehnen, so benimmt er sich entweder auf die bekannte ungeschickte Art, das Neue nach Principien und Ansichten zu beur¬ theilen, die jenes eben in Ansprüche nimmt, mit Gründen oder gar Auctoritäten zu streiten, die in dem vorhergehenden Zustand der Wissen¬ schaft etwa gelten konnten: oder es bleiben ihm im Gefühl seiner Nichtigkeit nur Schmähun¬ gen oder die Waffen der Verläumdung übrig, zu denen er sich innerlich berechtigt fühlt, weil
neu angeprieſene Mittel, dieſe oder jene fade Theorie, die eben entſteht und die Neugier reizt, oder einige neue Formeln, gelehrte No¬ vitaͤten u. ſ. w. Alles muß ihn als eine Be¬ ſonderheit erſcheinen, um von ihm aufgenom¬ men zu werden. Denn nur das Beſondere kann gelernt werden und in der Qualitaͤt des Gelerntſeyns iſt alles nur ein Beſonderes. Deswegen iſt er der geſchworne Feind jeder aͤch¬ ten Entdeckung, die im Allgemeinen gemacht wird, jeder Idee, weil er ſie nicht faßt, jeder wirklichen Wahrheit, die ihn in ſeiner Ruhe ſtoͤrt. Vergißt er ſich noch uͤberdieß ſo weit, ſich dagegen aufzulehnen, ſo benimmt er ſich entweder auf die bekannte ungeſchickte Art, das Neue nach Principien und Anſichten zu beur¬ theilen, die jenes eben in Anſpruͤche nimmt, mit Gruͤnden oder gar Auctoritaͤten zu ſtreiten, die in dem vorhergehenden Zuſtand der Wiſſen¬ ſchaft etwa gelten konnten: oder es bleiben ihm im Gefuͤhl ſeiner Nichtigkeit nur Schmaͤhun¬ gen oder die Waffen der Verlaͤumdung uͤbrig, zu denen er ſich innerlich berechtigt fuͤhlt, weil
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neu angeprieſene Mittel, dieſe oder jene fade
Theorie, die eben entſteht und die Neugier
reizt, oder einige neue Formeln, gelehrte No¬
vitaͤten u. ſ. w. Alles muß ihn als eine Be¬
ſonderheit erſcheinen, um von ihm aufgenom¬
men zu werden. Denn nur das Beſondere
kann gelernt werden und in der Qualitaͤt des
Gelerntſeyns iſt alles nur ein Beſonderes.
Deswegen iſt er der geſchworne Feind jeder aͤch¬
ten Entdeckung, die im Allgemeinen gemacht
wird, jeder Idee, weil er ſie nicht faßt, jeder
wirklichen Wahrheit, die ihn in ſeiner Ruhe
ſtoͤrt. Vergißt er ſich noch uͤberdieß ſo weit,
ſich dagegen aufzulehnen, ſo benimmt er ſich
entweder auf die bekannte ungeſchickte Art, das
Neue nach Principien und Anſichten zu beur¬
theilen, die jenes eben in Anſpruͤche nimmt,
mit Gruͤnden oder gar Auctoritaͤten zu ſtreiten,
die in dem vorhergehenden Zuſtand der Wiſſen¬
ſchaft etwa gelten konnten: oder es bleiben ihm
im Gefuͤhl ſeiner Nichtigkeit nur Schmaͤhun¬
gen oder die Waffen der Verlaͤumdung uͤbrig,
zu denen er ſich innerlich berechtigt fuͤhlt, weil
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/79>, abgerufen am 24.11.2024.
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