nannten feineren Ausbildung gehörte, und man endlich auch den Zweck der academischen Bil¬ dung darauf beschränkte, von dem Wein der höheren Wissenschaften eben nur so viel zu ko¬ sten, als man mit Anstand auch einer Dame anbieten könnte.
Man muß den Universitäten zum Theil die Ehre widerfahren lassen, daß sie vorzüglich den einbrechenden Strom der Ungründlichkeit, den die neuere Pädagogik noch vermehrte, auf¬ gehalten haben, obgleich es andrerseits auch der Ueberdruß an ihrer langweiligen, breiten und von keinem Geist belebten Gründlichkeit war, was jenem den meisten Eingang verschaffte.
Jede Wissenschaft hat außer ihrer eigen¬ thümlichen Seite eine andere noch, die ihr mit der Kunst gemein ist. Es ist die Seite der Form, welche in einigen derselben sogar vom Stoff ganz unzertrennlich ist. Alle Vortrefflich¬ keit in der Kunst, alle Bildung eines edlen Stoffs in angemeßner Form, geht aus der Be¬ schränkung hervor, die der Geist sich selbst setzt. Die Form wird nur durch Uebung vollständig
nannten feineren Ausbildung gehoͤrte, und man endlich auch den Zweck der academiſchen Bil¬ dung darauf beſchraͤnkte, von dem Wein der hoͤheren Wiſſenſchaften eben nur ſo viel zu ko¬ ſten, als man mit Anſtand auch einer Dame anbieten koͤnnte.
Man muß den Univerſitaͤten zum Theil die Ehre widerfahren laſſen, daß ſie vorzuͤglich den einbrechenden Strom der Ungruͤndlichkeit, den die neuere Paͤdagogik noch vermehrte, auf¬ gehalten haben, obgleich es andrerſeits auch der Ueberdruß an ihrer langweiligen, breiten und von keinem Geiſt belebten Gruͤndlichkeit war, was jenem den meiſten Eingang verſchaffte.
Jede Wiſſenſchaft hat außer ihrer eigen¬ thuͤmlichen Seite eine andere noch, die ihr mit der Kunſt gemein iſt. Es iſt die Seite der Form, welche in einigen derſelben ſogar vom Stoff ganz unzertrennlich iſt. Alle Vortrefflich¬ keit in der Kunſt, alle Bildung eines edlen Stoffs in angemeßner Form, geht aus der Be¬ ſchraͤnkung hervor, die der Geiſt ſich ſelbſt ſetzt. Die Form wird nur durch Uebung vollſtaͤndig
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nannten feineren Ausbildung gehoͤrte, und man
endlich auch den Zweck der academiſchen Bil¬
dung darauf beſchraͤnkte, von dem Wein der
hoͤheren Wiſſenſchaften eben nur ſo viel zu ko¬
ſten, als man mit Anſtand auch einer Dame
anbieten koͤnnte.
Man muß den Univerſitaͤten zum Theil
die Ehre widerfahren laſſen, daß ſie vorzuͤglich
den einbrechenden Strom der Ungruͤndlichkeit,
den die neuere Paͤdagogik noch vermehrte, auf¬
gehalten haben, obgleich es andrerſeits auch der
Ueberdruß an ihrer langweiligen, breiten und
von keinem Geiſt belebten Gruͤndlichkeit war,
was jenem den meiſten Eingang verſchaffte.
Jede Wiſſenſchaft hat außer ihrer eigen¬
thuͤmlichen Seite eine andere noch, die ihr mit
der Kunſt gemein iſt. Es iſt die Seite der
Form, welche in einigen derſelben ſogar vom
Stoff ganz unzertrennlich iſt. Alle Vortrefflich¬
keit in der Kunſt, alle Bildung eines edlen
Stoffs in angemeßner Form, geht aus der Be¬
ſchraͤnkung hervor, die der Geiſt ſich ſelbſt ſetzt.
Die Form wird nur durch Uebung vollſtaͤndig
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/73>, abgerufen am 24.11.2024.
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