Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Form der Kunst. Nur die Theorie bezieht sich
unmittelbar auf das Besondere oder einen
Zweck, und ist das, wornach eine Sache em¬
pirisch zu Stande gebracht werden kann. Die
Philosophie dagegen ist durchaus unbedingt,
ohne Zweck außer sich. Wenn man auch dar¬
auf sich berufen wollte, daß das Technische der
Kunst dasjenige ist, wodurch sie den Schein
der Wahrheit erhält, was also dem Philoso¬
phen anheim fallen könnte, so ist diese Wahr¬
heit doch bloß empirisch: diejenige, welche der
Philosoph in ihr erkennen und darstellen soll,
ist höherer Art, und mit der absoluten Schön¬
heit Eins und dasselbe, die Wahrheit der
Ideen.

Der Zustand des Widerspruchs und der
Entzweyung, auch über die ersten Begriffe,
worinn sich das Kunsturtheil nothwendig in ei¬
nem Zeitalter befindet, welches die versiegten
Quellen derselben durch die Reflexion wieder
öffnen will, macht es doppelt wünschenswürdig,
daß die absolute Ansicht der Kunst auch in Be¬
zug auf die Formen, in denen diese sich aus¬

Form der Kunſt. Nur die Theorie bezieht ſich
unmittelbar auf das Beſondere oder einen
Zweck, und iſt das, wornach eine Sache em¬
piriſch zu Stande gebracht werden kann. Die
Philoſophie dagegen iſt durchaus unbedingt,
ohne Zweck außer ſich. Wenn man auch dar¬
auf ſich berufen wollte, daß das Techniſche der
Kunſt dasjenige iſt, wodurch ſie den Schein
der Wahrheit erhaͤlt, was alſo dem Philoſo¬
phen anheim fallen koͤnnte, ſo iſt dieſe Wahr¬
heit doch bloß empiriſch: diejenige, welche der
Philoſoph in ihr erkennen und darſtellen ſoll,
iſt hoͤherer Art, und mit der abſoluten Schoͤn¬
heit Eins und daſſelbe, die Wahrheit der
Ideen.

Der Zuſtand des Widerſpruchs und der
Entzweyung, auch uͤber die erſten Begriffe,
worinn ſich das Kunſturtheil nothwendig in ei¬
nem Zeitalter befindet, welches die verſiegten
Quellen derſelben durch die Reflexion wieder
oͤffnen will, macht es doppelt wuͤnſchenswuͤrdig,
daß die abſolute Anſicht der Kunſt auch in Be¬
zug auf die Formen, in denen dieſe ſich aus¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0327" n="318"/>
Form der Kun&#x017F;t. Nur die Theorie bezieht &#x017F;ich<lb/>
unmittelbar auf das Be&#x017F;ondere oder einen<lb/>
Zweck, und i&#x017F;t das, wornach eine Sache em¬<lb/>
piri&#x017F;ch zu Stande gebracht werden kann. Die<lb/>
Philo&#x017F;ophie dagegen i&#x017F;t durchaus unbedingt,<lb/>
ohne Zweck außer &#x017F;ich. Wenn man auch dar¬<lb/>
auf &#x017F;ich berufen wollte, daß das Techni&#x017F;che der<lb/>
Kun&#x017F;t dasjenige i&#x017F;t, wodurch &#x017F;ie den Schein<lb/>
der Wahrheit erha&#x0364;lt, was al&#x017F;o dem Philo&#x017F;<lb/>
phen anheim fallen ko&#x0364;nnte, &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;e Wahr¬<lb/>
heit doch bloß empiri&#x017F;ch: diejenige, welche der<lb/>
Philo&#x017F;oph in ihr erkennen und dar&#x017F;tellen &#x017F;oll,<lb/>
i&#x017F;t ho&#x0364;herer Art, und mit der ab&#x017F;oluten Scho&#x0364;<lb/>
heit Eins und da&#x017F;&#x017F;elbe, die Wahrheit der<lb/>
Ideen.</p><lb/>
        <p>Der Zu&#x017F;tand des Wider&#x017F;pruchs und der<lb/>
Entzweyung, auch u&#x0364;ber die er&#x017F;ten Begriffe,<lb/>
worinn &#x017F;ich das Kun&#x017F;turtheil nothwendig in ei¬<lb/>
nem Zeitalter befindet, welches die ver&#x017F;iegten<lb/>
Quellen der&#x017F;elben durch die Reflexion wieder<lb/>
o&#x0364;ffnen will, macht es doppelt wu&#x0364;n&#x017F;chenswu&#x0364;rdig,<lb/>
daß die ab&#x017F;olute An&#x017F;icht der Kun&#x017F;t auch in Be¬<lb/>
zug auf die Formen, in denen die&#x017F;e &#x017F;ich aus¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[318/0327] Form der Kunſt. Nur die Theorie bezieht ſich unmittelbar auf das Beſondere oder einen Zweck, und iſt das, wornach eine Sache em¬ piriſch zu Stande gebracht werden kann. Die Philoſophie dagegen iſt durchaus unbedingt, ohne Zweck außer ſich. Wenn man auch dar¬ auf ſich berufen wollte, daß das Techniſche der Kunſt dasjenige iſt, wodurch ſie den Schein der Wahrheit erhaͤlt, was alſo dem Philoſo¬ phen anheim fallen koͤnnte, ſo iſt dieſe Wahr¬ heit doch bloß empiriſch: diejenige, welche der Philoſoph in ihr erkennen und darſtellen ſoll, iſt hoͤherer Art, und mit der abſoluten Schoͤn¬ heit Eins und daſſelbe, die Wahrheit der Ideen. Der Zuſtand des Widerſpruchs und der Entzweyung, auch uͤber die erſten Begriffe, worinn ſich das Kunſturtheil nothwendig in ei¬ nem Zeitalter befindet, welches die verſiegten Quellen derſelben durch die Reflexion wieder oͤffnen will, macht es doppelt wuͤnſchenswuͤrdig, daß die abſolute Anſicht der Kunſt auch in Be¬ zug auf die Formen, in denen dieſe ſich aus¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/327
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/327>, abgerufen am 25.11.2024.